Zinsentscheidung der Fed
Morgen, Donnerstag 17.9.2015 trifft der Offenmarktausschuss (FOMC) des US-amerikanischen Zentralbankensystems (Fed) eine wichtige Entscheidung. Soll der Leitzinssatz angehoben werden oder nicht? Die Finanzmärkte schreiben der Zinsentscheidung eine besonders wichtige Bedeutung zu, denn Leitzinsanhebungen seitens der wichtigsten Zentralbank der Welt könnten die Instabilität auf dem Finanzmarkt weiter ansteigen lassen.
Unabhängig davon ob eine Zinsanhebung stattfindet oder nicht wird die Fed kommunizieren, dass der Zinsanhebungszyklus nur sehr langsam statt finden wird. Wenn die Fed es schafft die Befürchtungen von (zu) kräftigen Leitzinsanhebungen zu beruhigen, würde eine leichte Leitzinsanhebung die Finanzmärkte nicht nachhaltig beunruhigen. Die schwächsten Segmente in den Schwellenländern würden jedoch unter Druck kommen.
Start, Geschwindigkeit und Ende
Ähnlich wie der Wirtschaftszyklus erfolgt die Entwicklung des Leitzinssatzes nicht erratisch sondern in Trends. Der Beginn der letzten Zinsanhebung erfolgte 2004 bei einem Zinssatz von 1% und endete 2006 bei 5,25%. Es geht also darum, ob der Leitzinssatz im September oder etwas später angehoben wird beziehungsweise auf absehbarer Zeit bei quasi null Prozent bleibt. Dahinter steckt die Signalwirkung des ersten Zinsschrittes, genauer: es besteht Unsicherheit hinsichtlich der Geschwindigkeit und des Endpunkts des Zinszyklus.
Neutrales Zinsniveau
Traditionellerweise wird ein Zinszyklus ausgehend von einem tiefen Niveau mit einer Normalisierung beschrieben. Das ist der Prozess der Annäherung an das sogenannte neutrale Zinsniveau. Das ist jener Wert bei dem sich die Wirtschaft im Gleichgewicht befindet. Viele Schätzungen für das Gleichgewichts-Zinsniveau befinden sich innerhalb einer Bandbreite von 3% – 3,5%. In diesem Modell werden die volkswirtschaftlichen Ressourcen Arbeit und Kapital optimal genützt. Das gilt hinsichtlich des Niveaus der produzierten Güter und Dienstleistungen (Potenzialoutput) als auch hinsichtlich des Wachstums (Potenzialwachstum). Kurz: es herrscht Vollbeschäftigung. Zudem liegt die Inflationsrate am Ziel der Zentralbank (2%).
US-Leitzinssatz 2000 – 2015 (in %)
Verbesserung am Arbeitsmarkt
Der aktuelle Leitzinssatz befindet sich innerhalb einer Bandbreite von 0,00% – 0,25% und wurde am Höhepunkt der letzten Krise Ende 2008 erreicht. Mit der langsamen, schwachen und fragilen Erholung der US-Wirtschaft von der Großen Rezession 2008 / 2009 hat auch der Grund für das quasi Null Prozent Zinsniveau abgenommen. Tatsächlich hat die Arbeitslosenrate mittlerweile 5,1% erreicht. Damit könnte nach vielen Schätzungen zufolge ein wichtiger Schwellenwert erreicht worden sein. Gemeint ist die sogenannte non-accelerating inflation rate of unemployment (NAIRU). In diesem Modell steigt unter diesem Wert der Druck für zu hohe Lohn- und Preissteigerungen an. Allerdings gibt es noch andere Arbeitsmarktindikatoren, die auf reichlich Unterbeschäftigung hindeuten. Zudem lag das von der Fed bevorzugte Inflationsmaß, der Deflator für die privaten Konsumausgaben exklusive Nahrungsmittel und Energie (core personal consumption expenditure deflator), im Juli mit 1,2% im Jahresabstand deutlich unter dem Inflationsziel von 2%. Das um die Inflation adjustierte Bruttoinlandsprodukt lag mit 2,1% über dem im ersten Halbjahr 2015 geschätzten Potenzialwachstum von rund 1,8% (Quelle: Bloomberg). Wenn die Wirtschaft weiter über ihrem Potenzial wächst, wird nach der vorherrschenden Theorie der Inflationsdruck im Zeitablauf zunehmen. Vor diesem Hintergrund haben zahlreiche FOMC-Mitglieder den Willen bekundet, die Leitzinsen in naher Zukunft anheben zu wollen (tightening bias).
Probleme in den Schwellenländern
Allerdings hat sich in vielen Schwellenländern, die insgesamt knapp 40% der Weltwirtschaft ausmachen, eine negative Spirale zu drehen begonnen. Eine Abschwächung des Wirtschaftswachstums bei einer gleichzeitig kräftig angestiegenen privaten Verschuldung führt zu Kapitalabflüssen. Diese wiederum führen zu einer Abschwächung der Währungen. In weiterer Folge kommt es zu einer Einengung der Liquidität (ansteigende Zinsen, restriktivere Kreditvergaberichtlinien der Banken, erschwerter Zugang zum Kapitalmarkt). Dieses Umfeld drückt wiederum auf die wirtschaftliche Aktivität.
Negative Überwälzung
Die Schwäche in den Schwellenländern strahlt auch auf die US-Wirtschaft aus. Erstens verschlechtert sich die finanzielle Lage (die financial conditions): Die Zinsaufschläge für das Kredit- und Liquiditätsrisiko sowie die Kursschwankungen (die Volatilität) sind angestiegen und die Aktienkurse sind gefallen. Eine weitere Verschärfung würde die US-Wirtschaft nicht nur geringfügig und temporär sondern substanziell und andauernd belasten. Zweitens könnte sich die Stimmung der Konsumenten und Unternehmen verschlechtern. Das würde zu einer Dämpfung des privaten Konsums und der Investitionen führen. Drittens geht von den Schwellenländern ein Druck für sinkende Preise aus (Deflation). Die Währungen der Schwellenländer, die Rohstoffpreise und die weltweiten Güterpreise befinden sich in einem fallenden Trend. Das hat zu fallenden Import- und Produzentenpreisen in den USA geführt, die den gesamten Inflationsdruck auf einem niedrigen Niveau halten. Viertens: die direkten Auswirkungen über niedrigere US-Exporte sind minimal.
Schlussfolgerung
Für die Fed gilt es damit zwei Wirkungskreise einzuschätzen, die sich gegenseitig beeinflussen. Das US-Wirtschaftswachstum wird langsam aber doch selbst tragend und bewirkt eine zunehmende Tendenz in Richtung Vollbeschäftigung und Inflationsziel. Gleichzeitig erzeugt die Abschwächung in den Schwellenländern einen global deflationären Druck sowie einen Anstieg der Instabilität auf dem Finanzmarkt.
Daraus ergibt sich: Ob die Leitzinsen angehoben werden, ist nicht klar. Mit einer Aufschiebung wäre aber wenig gewonnen. Denn die gegenläufigen Entwicklungen werden sich wahrscheinlich verstärken. Die damit verbundene Unsicherheit über den Startzeitpunkt würde die Finanzmärkte weiter beschäftigen. Eine unveränderter Leitzinssatz würde rational betrachtet nur dann Sinn machen, wenn auch der tightening bias wegfallen würde (wenig wahrscheinlich). Unabhängig davon ob eine Zinsanhebung stattfindet oder nicht wird die Fed kommunizieren, dass der Zinsanhebungszyklus nur sehr langsam statt finden wird. Zudem wird die Projektion der Fed für das neutrale Zinsniveau für den Endpunkt des Zinszyklus wahrscheinlich nach unten genommen. Wenn die Fed es also schafft die Befürchtungen von (zu) kräftigen Leitzinsanhebungen zu beruhigen, würde eine leichte Leitzinsanhebung am kommenden Donnerstag die Finanzmärkte im Allgemeinen nicht nachhaltig beunruhigen. Die schwächsten Segmente würden jedoch unter Druck kommen.