Kurz oder lang(fristig) veranlagen, die Frage, die sich Anleihe-Investoren stellen. In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf deutsche Staatsanleihen mit einer Restlaufzeit (RLZ) von 2 Jahren (=kurz) und solchen mit 10 Jahren RLZ (= lang). Genauer gesagt interessiert uns die Zinsdifferenz zwischen den langen und den kurzen Zinsen. Der Fachbegriff dazu lautet „Steilheit der Zinskurve“.
Deutsche Staatsanleihen – Steilheit der Zinskurve, langfristige Betrachtung
Die Grafik zeigt die Rendite für deutsche Staatsanleihen mit 10 Jahren RLZ (dunkelblau) vs. jene mit 2 Jahren RLZ (hellblau). Neben der absoluten Rendite ist v.a. die Zinsdifferenz von Bedeutung. Dies ist im unteren Teil der Grafik als „Berge und Täler“ ersichtlich.

Grafik: Rendite deutsche Staatsanleihen, 2 vs. 10 Jahre Restlaufzeit (oben);
Zinsdifferenz (unten), Beobachtungszeitraum 20 Jahre
Quelle: Datastream, per 17.04.2017
Gut erkennen kann man, dass die Zinsdifferenz (10 Jahre abzüglich 2 Jahre RLZ) im Zeitverlauf nicht konstant ist.
- Wenn die Rendite für 10 Jahre deutlich höher ist als jene für 2 Jahre RLZ, dann spricht man von einer „steilen Zinskurve“, in der Grafik als „Berg“ zu erkennen.
- Wenn die Zinsdifferenz sehr gering ist, dann spricht man von einer „flachen Zinskurve“, in der Grafik als „Tal“ zu erkennen.
- Wenn die Rendite der kurzen Laufzeit über jener der langen Laufzeit liegt, dann spricht man von einer „inversen Zinskurve“. Dies ist allerdings äußerst selten und kam im Beobachtungszeitraum (20 Jahre) eigentlich nicht vor.
Der Hintergrund für die Veränderung in der Steilheit der Zinskurve:
Die Steilheit der Kurve errechnet sich aus der Differenz der Rendite 10y vs. 2y RLZ. Somit kann eine Veränderung dieser Differenz auch von zwei Seiten kommen – vom langen Ende oder vom kurzen Ende ausgehend. Dabei wirken auf die beiden Teile der Zinskurve zumeist andere Einflussfaktoren:
- Das lange Ende (10 Jahre RLZ) ist das klassische Segment von langfristigen Investoren wie z.B. Fonds und Pensionskassen. Bei der Anlageentscheidung haben fundamentale Überlegungen wie Inflationsentwicklung oder wirtschaftliche Entwicklung einen maßgeblichen Einfluss auf die Höhe der Rendite.
- Das kurze Ende (2 Jahre RLZ) steht viel mehr unter dem Aspekt des „Parkens von Geldern“. In diesem Segment wirkt sich die Politik der Notenbanken üblicherweise viel stärker aus.
Anlegerinnen und Anleger erwarten üblicherweise für eine längere Anlagedauer einen höheren Zinssatz. Somit ist klar, warum im Beobachtungszeitraum die Zinskurve überwiegend steil (= normal) war.
Der untere Teil der Grafik („Berge und Täler“) zeigt sehr deutlich, wann sich an den Finanzmärkten etwas Außergewöhnliches ereignet hat, denn dann hat sich die Steilheit der Zinskurve dramatisch verändert. Die letzten Ereignisse waren im Jahr 2000/01 (Technologie-Blase, Aktien-Crash) und 2008 (Lehman-Pleite, Aktien-Crash). In beiden Fällen sind die kurzfristigen Zinsen (ausgehend von den Notenbanken) rasch angestiegen – und zwar stärker als die langfristigen Zinsen (= Verflachung der Zinskurve).
Um die Zinssituation nochmals anhand der Zinskurve deutlicher zu zeigen, hier die Grafik der Zinskurve vom Juni 2008:

Grafik: Zinskurve deutsche Staatsanleihen, 2-10 Jahre RLZ; per 17.06.2008
Quelle: Datastream
Die Rendite war per 17.06.2008 über alle Laufzeiten annähernd gleich hoch. Man kann also wirklich von einer flachen Zinskurve sprechen.
Wozu brauchen Anlegerinnen und Anleger diese Informationen?
Je steiler die Zinskurve, desto eher wird zukünftiges Risiko (v.a. Inflation) abgegolten. Man könnte auch sagen: „Wenn die Zinskurve steil (normal) ist, dann ist dies der Zustand ohne große Marktverwerfungen – also Ruhe in den Anlagemärkten. Wenn sich die Kurve sehr stark verflacht, dann kann dies mehrere Ursachen haben. Wenn es sehr schnell geht, dann deutet dies auf Unruhe an den Finanzmärkten hin. Das sind Phasen, in denen die Anlegerinnen und Anleger lieber in Cash „flüchten“. Dabei bieten sich häufig gerade in unruhigen Zeiten die besten Anlage-Chancen.
Fazit:
Berge und Täler haben nicht immer nur mit Wandern und Bergsteigen zu tun – sie können auch für Finanzanleger von Interesse sein. Beim Blick auf die Zinskurve sollte auch die historische Entwicklung immer mit berücksichtigt werden. Zinsmärkte sind sehr effizient, da eine große Anzahl von Marktteilnehmern mit unterschiedlichen Zielsetzungen aufeinander treffen. Und gerade die Steilheit der Zinskurve kann einen guten Einblick auf den Zustand der Finanzmärkte liefern.
Zinskurven-Management ist Bestandteil des aktiven Managements bei den Fonds der Erste Asset Management.