Unlängst habe ich einen interessanten Research Report einer unserer unabhängigen Research Partner, Gavekal Research, gelesen. Gavekal Research agiert von Hongkong aus und zeichnet sich durch ein exzellentes Marktverständnis des Asiatischen Raumes aus. In dem Beitrag mit dem Titel „Good Governance, Poor Performance“ ging es um gute Unternehmensführung. Damit gemeint ist ein Grundpfeiler des traditionellen und auch des nachhaltigen Investmentansatzes.
Bringt gute Unternehmensführung höhere Erträge?
Um diese Frage beantworten zu können, möchte ich kurz (und mit Einverständnis von Neil Newman, dem Autor des Gavekal Reports) den Inhalt des Berichts wiedergeben: Nach dem japanischen Premier Shinzo Abe ist ein bedeutendes Wirtschaftsprogramm benannt, die sogenannten „Abenomics“. Die ersten beiden Pfeile sind der expansiven Geld- und Fiskalpolitik gewidmet. Am interessantesten ist der dritte Pfeil, auf den meist vergessen wird: den langfristigen Wachstumspfad der japanischen Wirtschaft durch strukturelle Reformen zu erhöhen.
Eine dieser Reformen besteht darin, den Anreiz für gute Unternehmensführung zu stärken. Denn, so die Grundannahme: gut geführte Unternehmen sollten schlechter geführte wirtschaftlich (und in Folge auch in der Kursperformance) outperformen. Zu diesem Zweck wurden quantitative und qualitative Filter mit dem Ziel definiert, die 400 besten japanischen Unternehmen unter den 1.000 mit der höchsten Kapitalisierung zu identifizieren. Diese 400 Unternehmen werden im JPX-Nikkei 400 zu einem Index gebündelt. Dieser Index dient als Vorlage für passive Investments, unter anderem des riesigen staatlichen Pensionsfonds. Die auf diese Weise erzeugte Nachfrage sollte dafür sorgen, dass die Idee (gute Unternehmensführung = gute Performance) aufgeht.
So weit so gut. Doch das Ergebnis war auf dem ersten Blick enttäuschend: Betrachtet man die Grafik (Performance des JPX-Nikkei 400 relativ zum TOPIX), scheint es so, als würde gute Unternehmensführung in einem konstanten Minderertrag münden.
Was ist passiert?
Durch den mechanischen Zugang beim Rebalancieren des Index (jährlich mit Ende des japanischen Geschäftsjahres am 31.3. kommen ca. 30 bis 40 Unternehmen in den Index hinein, während 30 bis 40 andere den Index verlassen müssen), ist schon vor dem Rebalancing klar, wer diese Unternehmen sein werden. Da der JPX-Nikkei 400 vor allem von passiven Investoren genutzt wird, müssen viele Investoren diese Veränderung nachvollziehen.
Infolge dessen ist klar, dass es bei einer Aufnahme einer Aktie in den Index am Tag X große Nachfrage gibt. Umgekehrt, wenn der Titel den Index verlässt, kommt ein großes Angebot einer Aktie auf den Markt. Das sind ideale Voraussetzungen für aktive Manager, die sich auf den Tag X vorbereiten. Sie kaufen die in den Index aufgenommenen Titel billig ein. Die aus dem Index fallenden Titel werden vorher leerverkauft und dann billiger zurückgekauft. Genau darauf deuten die von Gavekal Research gerechneten Performance-Analysen hin. Dieser Effekt ist so groß, dass er in Summe für die Underperformance des JPX-Nikkei 400 vs. dem Topix führt.
Welche Schlüsse kann ich aus den Analysen von Gavekal Research ziehen?
- Nach vielen Jahren Erfahrung am Kapitalmarkt bin ich tief vom „Gesetz der unbeabsichtigten Nebenwirkungen“ überzeugt: Jede noch so gut geplante und gemeinte Aktion erzeugt Anreize. Der Kapitalmarkt ist ein perfekter Mechanismus, diese Anreize auszunützen – ob beabsichtigt oder unbeabsichtigt. In der Regel sind es vor allem unbeabsichtigte Nebenwirkungen, die einem Fondsmanager Jahre später das Leben schwer machen (z.B. während der Immobilien- oder Eurokrise).
- Liest man Berichte über die Zukunft des Asset Management, scheint der unaufhaltsame Siegeszug der passiven Investments (passive Fonds bzw. ETFs) eine unumstößliche Tatsache zu sein. Aus meiner Sicht vergisst man hier nur allzu oft, dass ein Kapitalmarkt nur dann existieren kann, wenn es unterschiedliche Auffassungen zu einem Investment gibt. Ansonsten gibt es keine Käufer und(!) Verkäufer. Dazu kommt, dass passives Management unweigerlich auch unbeabsichtigte Anreize kreiert. Der oben beschriebene Zusammenhang ist nur ein Beispiel dafür. Und genau davon können aktive Manager leben.
- Gute Unternehmensführung ist ein, wenn nicht DER Schnittpunkt aus nachhaltigem und traditionellem Fondsmanagement. Der dritte Pfeil von Abenomics hat nicht das Ziel Japan zu einem Vorreiter der Nachhaltigkeit zu machen, sondern das Potentialwachstum zu erhöhen. Aus meiner Sicht ist es schön, wenn die Bestätigung dafür, dass Nachhaltigkeit auch für die Performance Sinn machen kann, aus einer Ecke kommt, mit der man gar nicht rechnet.
- Gavekal zeigt auch auf, wie schwierig es ist, die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen, etwa zur Frage, bringt oder kostet Nachhaltigkeit im Fondsmanagement etwas.
- An der Oberfläche kommen die Daten zu einfachen Ergebnissen. Drei Jahre beinahe konstanter Underperformance „beweisen“ eindeutig: Nachhaltigkeit kostet.
- Geht man aber tiefer, scheint eher das Gegenteil zu gelten: Nachhaltige Unternehmen scheinen besser zu performen. Allerdings bilden nachhaltige Indizes diesen Effekt nicht ab (einer der Gründe, warum wir sie nicht verwenden).
- Geht man aber noch einen Schritt tiefer, scheint es nicht die Unternehmensführung zu sein, um die es wirklich geht, sondern das Angebot und die Nachfrage nach Aktien, die in einen bestimmten Index enthalten sind.
Genau das ist aus meiner Sicht auch die wirklich wichtige Information. Nachhaltigkeit ist ein rasant wachsendes Thema. Und je mehr Investoren (am besten passive) sich danach verhalten, desto klarer kommt heraus, dass (aktive) Manager damit guten Ertrag erzielen können.
Wichtige rechtliche Hinweise:
Prognosen sind kein zuverlässiger Indikator für künftige Entwicklungen.