Ich habe einmal zwei Semester Psychologie studiert. Nicht ganz freiwillig. Ein Datenfehler. Einfach so wurde mir Psychologie auf die Inskriptionsbestätigung gedruckt. Ich habe in diesen zwei Semestern keinerlei Seminare besucht, was ich heute als Manager bereue. Obwohl ich kein einziges Seminar besuchte, konnte ich aber doch etwas lernen. Viele Leute haben eine undefinierte Angst vor Psychologen. Wenn ich jemandem erzählte, dass ich Psychologie studiere, war sehr oft eine gewisse Zurückhaltung spürbar. Ich habe es immer so interpretiert, dass viele Menschen Angst davor haben, dass Psychologen in sie hineinschauen können. Quasi wissen, was sie denken. Und, seien wir uns ehrlich. Haben Sie sich nie gedacht, Gott sei Dank weiß kein Mensch was ich mir gerade denke?
Nun, das war gestern. Google, Facebook, Amazon und Co wissen ziemlich genau, was wir denken. Und offensichtlich sogar besser als wir selber oder die Menschen, die uns nahe stehen. Legendär sind Beispiele wie die Frau, die Windelwerbung bekam, bevor sie selber wusste, dass sie schwanger war. Und das ist gar nicht so schwierig. Denn wir selber geben diese Information freiwillig und bereitwillig her. Sind Sie damit einverstanden, dass xxx auf Ihre Kontakte zugreifen kann? Sind Sie einverstanden, dass xxx Ihren aktuellen Standort verwenden kann? Das sind Fragen, die bei der Installation fast jeder App am Bildschirm erscheinen. Man fragt sich dann ab und zu noch, warum die App zur Fernsteuerung der Stereoanlage Kontakte und Bewegungsprofil braucht und stimmt zu. Und in vielen Fällen hat man auch keine andere Wahl. Klickt man nein, steht der Download und man wird kein Stück des digitalen Wegs gemeinsam gehen.
Ich finde die Entrüstung und Reaktion sehr spannend, wenn wir aktiv darauf hingewiesen werden, was mit unseren Daten alles gemacht wird oder gemacht werden kann.
Wie wählen Sie?
Rund um jede Wahl wird diskutiert, wer wen wählt. Viele halten sich bedeckt und sagen ganz klar, dass diese Information niemanden etwas angeht und man es nicht sagen will. Danach gehen dieselben Menschen zu www.wahlkabine.at, beantworten 20 Fragen und wundern sich (ich mach das zumindest immer) über das Ergebnis, das irgendwie passt und doch überraschend ist. Diese zwanzig Fragen genügen, und das vermeintlich anonyme Internet weiß, was man denkt.
Im Supermarkt an der Kasse wird mir schnell langweilig. Ich bin zu ungeduldig fürs Warten. Oft habe ich ein Buch dabei und lese. Geht das nicht ist „Profiling“ meine Lieblingsbeschäftigung. Ein Blick in den Einkaufswagen und auf die Person, die ihn schiebt und schon traue ich mir zu, einige Fragen zu beantworten: Single? Kinder? Einkommen? Politische Ausrichtung? Religion? Antworten auf Fragen, die vielfach nicht (gerne) oder nicht ehrlich beantwortet werden. Stellen Sie sich vor, Sie haben diese Daten Tag für Tag, Jahr für Jahr. Wie schnell haben Sie dann erst Antworten auf Fragen, die dieser Mensch nicht beantworten will?
Ich persönlich empfinde (Big) Data und was man damit machen kann, als interessantes Thema. Ich kann mir nicht annähernd vorstellen, was man mit den Daten alles anfangen und auf wie viele verschiedene Arten man sie verknüpfen kann. Mir ist klar, dass man mit dieser Technik Nützliches schaffen kann, es aber auch Möglichkeiten zum Missbrauch gibt. Ich denke auch, dass Unternehmen mit dieser Verantwortung umgehen müssen.
Wir als Bürger haben ein Recht darauf. Gleichzeitig denke ich aber auch, dass viele Menschen es sich zu leicht machen, wenn sie sich über Datenmissbrauch beschweren, selbst aber bereitwilligst Daten hergeben, die sie in einem Gespräch nie offenbaren würden.
Gerold Permoser
Den gesamten ESG* Letter finden Sie hier.
*ESG steht für „Environmental, Social and Governance“ – zu Deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Das sind die drei groben Kategorien, nach denen Unternehmen beim nachhaltigen Investieren geprüft werden.
Wichtige rechtliche Hinweise:
Prognosen sind kein zuverlässiger Indikator für künftige Entwicklungen.