Spätestens der Bestechungsskandal im Weltfußballverband hat gezeigt, welch große Reputationsrisiken für Unternehmen bestehen, wenn sie mit Partnern Geschäfte machen, welche nicht auf Environmental,- Social- und Corporate Governance-Standards (ESG) Rücksicht nehmen. Die Diskussion um ESG hat damit in den vergangenen Monaten weiter an Bedeutung gewonnen. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Investoren selbst: Denn gerade sie können durch den direkten Dialog mit Unternehmen Maßnahmen in Richtung soziale Verantwortung und Transparenz anstoßen. Warum dieses so genannte Engagement wichtig ist, erklärt Gerold Permoser, Chief Investment Officer der Erste Asset Management (EAM) in Wien, im Interview.

Mag. Gerold Permoser ist
Chief Investment Officer (CIO) der Erste Asset Management in Wien.
Herr Permoser, beim Weltfußballverband sind zuletzt elf Funktionäre verhaftet worden und auch Präsident Josef Blatter ist von seinem Amt zurückgetreten. Warum ist Engagement auch beim Thema Sponsoring gefragt?
Permoser: Sponsoren wie Adidas, Sony und Visa haben das hohe Reputationsrisiko erkannt: Skandale rund um die schlechten Arbeitsbedingungen, Ungereimtheiten bei der Vergabe von Sportereignissen bis hin zu Korruptionsvorwürfen haben auch negative Auswirkungen auf den Ruf von Unternehmen, die den Weltfußball-Verband finanziell unterstützen. Deswegen forderten Sponsoren nun auch die FIFA öffentlich auf, die Umstände rund um die Vergabe der Fußball-WM an Katar und deren Bedingungen aufzuklären sowie die Vorbereitungen nachhaltiger zu gestalten. Aktionäre von Adidas gingen bereits so weit, auf der Hauptversammlung die Kündigung der Sponsorenverträge mit der FIFA zu verlangen. Es zeigt sich: Gerade Aktionäre haben über ihre Stimmrechte Macht, mit der sie auch auf einen Wandel in Unternehmen hinwirken können. Lange bevor es zu solchen Wortmeldungen auf Hauptversammlungen kommt, können Investoren direkt den Dialog mit den Unternehmen suchen, beispielsweise im Rahmen von Engagement-Aktivitäten. So ist es möglich in einen laufenden, strukturierten und nachhaltig erfolgreichen Dialog für beide Seiten zu treten.
Bleibt Engagement ein wichtiges Thema oder ist es nur eine Modeerscheinung?
Permoser: Sicherlich führt nicht jedes Engagement-Projekt dazu, dass Unternehmen auch ihr Handeln wunschgemäß ändern. Dennoch zeigen Engagement-Prozesse sehr oft Wirkung. Zum einen können Unternehmen durch Engagement viel über die Erwartungen nachhaltig orientierter Investoren lernen, zum anderen ist Dialogverweigerung meist keine gute Strategie, um einer kritischen Öffentlichkeit zu begegnen. Wenn zum Beispiel eine Kapitalanlagegesellschaft ein Unternehmen aufgrund eines unzureichend verlaufenden Engagement-Prozesses aus dem zu investierenden Universum ausschließt, sind die negative Signalwirkung und meist auch das Medieninteresse groß. Das wissen Unternehmen, und auch deswegen entsteht ein Dialog auf Augenhöhe. Ziel ist es natürlich, über Engagement-Prozesse konkrete Verbesserungen der ESG-Faktoren bei den Unternehmen herbeizuführen. Durch einen Ausschluss aus dem Anlageuniversum kann aber auch ein Umdenken in den Unternehmen beginnen, was dann zur Wiederaufnahme des Engagement-Dialogs führt. Engagement ist also nicht nur eine Modeerscheinung, sondern kann und soll langfristig zu Veränderungen in Unternehmen führen. Das ist ebenso für Investoren wichtig: Auch sie sollten Engagement-Prozesse langfristig betreiben. Es geht darum, einen dauerhaften Wandel zu schaffen, und nicht ein kurzfristiges, quartalszahlenwirksames Ereignis zu erzwingen.
Wie können Unternehmen von ESG-Standards überzeugt werden?
Permoser: Wie bereits erwähnt, findet Engagement in einem Dialog auf Augenhöhe statt. Die betroffenen Unternehmen lernen durch diesen Prozess, wo sie in einer Art Benchmarking bei Environmental,- Social- und Corporate-Governance Themen stehen und welche Verbesserungsmöglichkeiten sich bieten. Unternehmen nehmen dieses Angebot sehr gerne an. Die Rückmelderaten bei Unternehmen aus Industriestaaten liegen laut den Erfahrungen unserer Engagement-Partner bei bis zu 60 Prozent. In Schwellenländern wird zwar noch seltener auf das Angebot eines Dialogs eingegangen, aber auch dort ist die Tendenz steigend. Darüber hinaus will kein Unternehmen als Dialogverweigerer dastehen und wegen schlechter ESG Standards von einer großen Fondsgesellschaft ausgeschlossen werden. Unternehmen haben erkannt, dass nachhaltige Investoren oft langfristig interessiert sind und versuchen daher immer stärker auf dieses Bedürfnis einzugehen. Zu guter Letzt ist Engagement für Unternehmen auch eine sehr günstige Methode ihre eigenen ESG Risiken zu managen und zu reduzieren, denn im Rahmen des Engagement-Prozesses werden gemeinsam konkrete Maßnahmen hierfür erarbeitet.
Die aktuelle Ausgabe des ESG-Letters finden Sie unter: www.esgletter.at