Orientierung in Zeiten, in denen Finanzwirtschaft ohne Nachhaltigkeit kaum noch funktioniert.
Das starke Marktwachstum der vergangenen Jahre an nachhaltigen Anlageprodukten bringt eine Vielfältigkeit, um nicht zu sagen, ein Wildwuchs an Anlagestrategien hervor, der eine leichte Erkennbarkeit solcher Geldanlagen fast unmöglich macht. Von einer Vergleichbarkeit ganz zu schweigen.
Durch die ab 2022 beginnende Nachhaltigkeits-Beratungsverpflichtung im Rahmen von MiFID-II möchte kaum ein Asset Manager ohne eigenes Angebot in diesem stark wachsenden Marktsegment sein. Der Markt wird geradezu mit neuen SRI-Produkten geflutet.
Viele Anleger nehmen sich nicht die Zeit, dezidiert nach einzelnen Fonds im Dschungel der über 1000 Produkte zu suchen. Und „Greenwashing“ ist auch bei Fonds nicht so leicht zu erkennen.
Was hilft also in Zeiten, in denen jeder, der sich auf dem Finanzmarkt tummelt, von Nachhaltigkeit redet?
KPIs, Ratings und Labels
Die granluarste Beurteilung der Nachhaltigkeitsperformance eines Fonds ist der Rückgriff auf einzelne, ganz konkrete Indikatoren (KPIs) aus dem ESG-Spektrum (ESG steht für Environment, Social und Governance, also Aspekte der Umwelt, des Sozialen und der Unternehmensführung). Das ist sehr sinnvoll, wenn man einen ganz bestimmten Teilaspekt betrachten möchte, beispielsweise den CO2-Fußabdruck der Unternehmen, in die der Fonds investiert ist. Mit diesem Beispiel ist die Bandbreite an verlässlichen Indikatoren leider im Grunde genommen auch schon ausgeschöpft bzw. sehr begrenzt. Denn die Datenlage, die zwar in kurzer Zeit massiv zugenommen hat, ist leider nicht systematisch und vergleichbar vorhanden, um mit mehr Indikatoren als lediglich CO2-Daten zu arbeiten. In Zukunft, mit einer für Unternehmen ab 2023 einsetzenden Veröffentlichungspflicht zu sog. extra-finanziellen Indikatoren, wird sich dies ändern und dann wird eine wachsende Bandbreite an Indikatoren aus dem ESG-Spektrum auch zu einer gesamtheitlicheren Bewertung der Nachhaltigkeit von Geldanlagen beitragen.
Solange es das aber noch nicht gibt, erscheint auf den ersten Blick eine Rating-Methode verführerisch, die auf den Nachhaltigkeits-Einstufungen der Unternehmen beruhen, sog. quantitative ESG-Portfolio-Scores. Vereinfacht beschrieben wird dabei einem Fonds eine Punktzahl beigemessen, die mathematisch als Produkt der jeweiligen Gewichte jedes einzelnen Portfoliotitels mit dem dazugehörigen ESG-Score berechnet wird. Die Krux an dieser Methode ist mehrerlei: Zum einen funktioniert dies nur bei Unternehmen, für die es ein Rating der klassischen vier großen ESG-Ratingagenturen gibt. Dies ist bei kleinen bzw. exotischen Unternehmen selten der Fall und bei Staaten schon gar nicht. Die Unternehmens-ESG-Ratings wiederum basieren auf der sog. Best-in-Class Methode. Das heißt, es wird eine relative Einstufung der Unternehmen in den jeweiligen Sektoren vorgenommen. Es macht durchaus Sinn, Tesla mit Toyota, Renault und BMW zu vergleichen. Diese dann aber Carrefour, Tesco und Metro in einem Portfoliokontext gegenüberzustellen, macht wenig Sinn, da es um ganz andere Nachhaltigkeits-Herausforderungen geht. Erste Verbesserungen, hier mit Auf- und Abschlägen und differenzierenden Kontroversen-Graden je nach Wirtschaftssektor zu arbeiten, gehen in die richtige Richtung. Erschwerend kommt allerdings hinzu, dass die Ergebnisse der ESG-Agenturen untereinander durch unterschiedliche Analyse-Schwerpunkte, Interpretationen fehlender Daten und individuelle Gewichtungen nicht selten stark voneinander abweichen, was ein objektives Rating unmöglich macht. Abgesehen davon, greift dieser Ansatz zu kurz, da oft gerade bei Unternehmen mit schlechtem ESG-Rating viel Potential zur Verbesserung der Nachhaltigkeits-bemühungen schlummert, das im Zweifel sogar zu sehr viel mehr Wirkung („Impact“) beiträgt, also genau, das, was mit Nachhaltigen Geldanlagen letztendlich bezweckt wird.
Auch belegen immer mehr wissenschaftliche Studien, dass insbesondere über effektive Dialog-verfahren (also z.B. Engagement und Stimmrechtsausübung viel mehr Wirkung in Richtung Nach-haltigkeit erzeugt werden kann. Dieser Effekt bleibt bei rein quantitativen ESG-Portfolio-Scores unberücksichtigt.
Somit ist diese Methode wie eingangs erwähnt zwar verführerisch, da mit einer einzigen Zahl eine vermeintliche Vergleichbarkeit suggeriert wird, letztendlich hat sie aber kaum Aussagekraft. Gewiss stellen ESG-Portfolio-Scores oder ein davon abgeleitetes Ranking in Perzentilen eine Zusatzinformation dar, die eine Einschätzung zu einem SRI-Fonds ergänzen kann. Ein Maßstab für die Qualität von SRI-Fonds stellen sie aber nicht dar.
Insbesondere vor dem Hintergrund der verschiedenen Wege zu (mehr) Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage, der immer noch nicht systematisch und vergleichbaren Datenbasis und der verschiedenen Wirkungskanäle, mittels derer es zu ESG-Verbesserungen kommen kann, kristallisieren sich ganzheitliche Gütezeichen (Labels) als aktuell aussagekräftigste Methode zur Beurteilung der Nachhaltigkeits-Qualität einer Geldanlage heraus. Es sind die wohl heutzutage besten Werkzeuge im Kasten suboptimaler Orientierungshilfen. Sie fokussieren eher auf das „Wie“ als auf das „Was“.
Als Verantwortlicher des deutschsprachigen SRI-Qualitätsstandards FNG-Siegel, möchte ich das 2015 eingeführte Gütezeichen nachfolgend vorstellen:
Ganzheitliches und strenges Prüfverfahren / Pflicht und Kür
Ein Nachhaltigkeitsfonds ist nämlich mehr als bloß die einzelnen Titel im Portfolio. Deswegen liegt der Fokus des Auditprozesses des FNG-Siegels nicht nur auf den Investments als solchen, sondern es werden alle Aktivitäten des Fondsanbieters unter die Lupe genommen, sozusagen die Infrastruktur des Fonds. Dafür wurde in einem dreijährigen Stakeholder-Prozess eine umfassende und vielschichtige Siegelmethodik entwickelt, die individuell unterschiedliche Nachhaltigkeitsansätze untersuchen kann. Diese Ganzheitlichkeit erlaubt es, die verschiedenen Wege zu (mehr) Nachhaltigkeit beurteilen zu können.
Die ganzheitliche Methodik des FNG-Siegels basiert auf einem Mindeststandard („Pflicht“). Dazu zählen Transparenzkriterien und die Berücksichtigung von Arbeits- & Menschenrechten, Umweltschutz und Korruptionsbekämpfung wie sie im weltweit anerkannten UN Global Compact zusammengefasst sind. Auch müssen alle Unternehmen des jeweiligen Fonds explizit auf Nachhaltigkeits-Kriterien hin analysiert werden und das Produkt eine explizite Nachhaltigkeits-Strategie vorweisen. Tabu sind Investitionen in Atomkraft, Kohlebergbau, bedeutsame Kohleverstromung, Fracking, Ölsande sowie Waffen und Rüstung.
Hochwertige Nachhaltigkeits-Fonds, die sich in den Bereichen „institutionelle Glaubwürdigkeit“, „Produktstandards“ und „Impact“ (Titelauswahl, Engagement und KPIs) besonders hervorheben, erhalten bis zu drei Sterne („Kür“).
Mit über 80 Fragen wird z.B. der Nachhaltigkeits-Anlagestil, der damit einhergehende Investment-prozess, die dazugehörigen ESG-Research-Kapazitäten und ein evtl. begleitender Engagement-Prozess analysiert und bewertet. Darüber hinaus spielen Elemente wie Reporting, Kontroversenmonitoring, ein externer Nachhaltigkeitsbeirat und die Fondsgesellschaft als solche eine wichtige Rolle.
Je vielschichtiger und intensiver ein Fonds auf den verschiedenen Ebenen aktiv, umso höher ist seine Nachhaltigkeits-Qualität und das Potential, letztendlich indirekten und direkten Impact zu erzielen.
Kooperation bewährter und unabhängiger Kompetenzen
Ein Gütesiegel lebt von einer gewissen Strenge, Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit.
Das Audit, die Analyse der Fonds, wird von der Universität Hamburg durchgeführt. Dort ist mit gleich fünf Lehrstühlen und 20 Forschern eines der weltweit größten Know-How Zentren rund um die Nachhaltige Finanzwirtschaft aktiv.
Darüber hinaus wird der Prüfprozess von einem unabhängigen Beratungs-Komitee verschiedener Akteure der Zivilgesellschaft – u.a. mit Experten der österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT), der Universität Augsburg, des Impact-Netzerks GIIN und des WWF Deutschland – überwacht. Im Übrigen muß sich ein Fonds jedes Jahr erneut diesem Prüfprozess unterziehen.
EU-Regulatorik
Abgesehen davon, dass die Regulatorik im Rahmen der EU-Bemühungen zu Sustainable Finance schon sehr bald vorschreibt, welche Charakteristiken Finanzprodukte erfüllen müssen, um sich als nachhaltig zu vermarkten, sorgt das FNG-Siegel als Qualitätsstandard Nachhaltiger Geldanlagen für Orientierung und liefert eine Vorauswahl an vernünftigen, soliden und extern geprüften Nachhaltigkeitsfonds.
Also Augen auf bei der Suche nach einer vernünftigen, glaubwürdigen Nachhaltigen Geldanlage.
Fragen Sie im Zweifel nach konkreten Belegen bezüglich der Nachhaltigkeit des angepriesenen Investments. Das können ganz bezifferbare Indikatoren zu Klima oder andere Ihnen wichtige Nachhaltigkeitsbelange sein, das können Ratings sein (sofern Sie gut gemacht sind) oder das können anerkannte Gütesiegel sein, die eine ganzheitliche Aussage über die Nachhaltigkeits-Qualität des jeweiligen Finanzprodukts treffen.
Detaillierte Informationen und Übersicht der ausgezeichneten Fonds mit FNG-Siegel.
Wichtige rechtliche Hinweise:
Prognosen sind kein zuverlässiger Indikator für künftige Entwicklungen.