Die weltweite Krise, in der sich die globale Biodiversität befindet, wird auch als „Zwillingskrise“ der Klimakrise bezeichnet, da Ursachen als auch Wirkungen, in Verbindung stehen. Menschliche Wirtschaftstätigkeit liegt außerdem beiden Krisen zugrunde. Spricht man vom Verlust der Biodiversität ist damit auch gemeint, dass Leistungen von Ökosystemen, beeinträchtigt sind. Die somit belastete Widerstandsfähigkeit des Planeten bedroht dabei gleichzeitig und in erheblichem Ausmaß auch die Rentabilität und Stabilität der Finanzsysteme.
Laut UNEP FI (United Nations Environment Programme Finance Initiative; Finanzinitiative des Umweltprogramms der Vereinten Nationen) sind 13 der 18 im FTSE 100 vertretenen Sektoren mit einer Marktkapitalisierung von 1,6 Billionen USD mit Produktionsprozessen verbunden, die einen hohen oder sehr hohen Grad an Abhängigkeit von der Natur aufweisen. Dies verdeutlicht, dass die Weltwirtschaft und Finanzportfolios in natürliche Prozesse eingebettet sind, was sich auf deren Leistungen auswirkt.
Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) empfiehlt gemeinsam mit anderen Partner:innen, dass Finanzinstitute „über das Regulativ hinausgehen“ und die Art und Weise, wie sie über die Artenvielfalt denken und handeln, verändern sollten – auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse und unter Berücksichtigung der Ziele für Biodiversität für 2030 und 2050, die von gewählten Entscheidungsträger:innen auf der ganzen Welt vereinbart wurden.
Im Finanzsektor können wir einen Wandel beobachten, bei dem die langfristige Rentabilität von größerer Biodiversität und damit verbundenen funktionierenden Ökosystemleistungen, abhängt. Während der Verlust der Biodiversität ein Risiko für Unternehmen darstellt, bieten Investitionen in z.B. Erhaltungsmaßnahmen, auch Chancen.
Was bedeutet Biodiversität und wie kann man es messen?
Die Biodiversität oder auch biologische Vielfalt kann als die Vielfalt von Leben verstanden werden und meint, ganz einfach, die Einzigartigkeit aller Lebewesen. (Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation & Technologie). Ökosysteme wie Wälder, Wiesen, Gewässer, etc. sind Lebensräume mit hoher Anzahl von Arten, welche sich gegenseitig positiv beeinflussen und Energie- und Nährstoffkreislauf, bestimmen. Lebensräume mit hoher biologischer Vielfalt sind im allgemeinem widerstandsfähiger gegenüber Störungen (natürlicher oder auch anthropogener Art) und produktiver. Dies kann auch in ökonomische Gesichtspunkte übersetzt werden: größere Artenvielfalt ermöglicht bessere Leistungen von Ökosystemen, welche direkt für wirtschaftliche Tätigkeit nötig sind.
Die Umwandlung von Sickerwasser zu Trinkwasser zum Beispiel, ist nach Beschreibung des Umweltbundesamts, eine der Ökosystemdienstleistungen der besiedelten Zonen des Bodens und der Grundwasserleiter. Ein guter ökologischer Zustand ist Voraussetzung dafür. Aber auch Gletscher sind sensible Ökosysteme, denn dort ansässige Mikroorganismen betreiben Photosynthese und speichern CO2. Sie spielen also auch im globalen Kohlenstoffkreislauf eine wichtige Rolle und sind kein „toter Lebensraum, sondern ein aktives Ökosystem“, wie Ökologe Klemens Weisleitner beschreibt, welcher sich mit Prozessen und Stoffflüssen in Gletschern, auseinandersetzt.
Noch genauer beschrieben umfasst Biodiversität die Biodiversität von Ökosystemen, die Biodiversität von Arten, als auch die genetische Biodiversität. Sie kann daher auch auf verschiedene Arten gemessen werden (Anzahl der Arten, Intaktheitsgrad von Ökosystemen, etc.). Die Finance for Biodiversity Initiative stellt verschiedene Ansätze gegenüber:
- MSA (Mean Species Abundance) misst “Intaktheit”. Die Kennzahl vergleicht das Vorkommen von endemischen Arten in Ökosystemen zu deren geschätzten Vorkommen im selben Ökosystem, wenn dieses noch intakt wäre.
- PDF (Potentially Disappeared Fraction) misst den Verlust von Arten auf 1m2 Land oder 1m3 Wasser, in einem Jahr, in einem bestimmten Gebiet, aufgrund von Umwelteinflüssen.
Andere Zugänge beschäftigen sich mit dem Risiko des Aussterbens von Arten oder wagen den Versuch einer Zuordnung von monetären Werten für Ökosystemleistungen (Holzproduktion, Trinkwasser, Kohlenstoffspeicher, Erholungseffekt etc.).
EU Renaturierungsgesetz mit knapper Mehrheit angenommen
Wie kann man Biodiversität schützen? Neben unserem commitment als Teil des privaten Finanzsektors, den Schutz der Biodiversität in unsere Prozesse zu integrieren, stellt die Installierung von gesetzlichen Schutzzonen die direkteste Maßnahme, dar. Als Ergebnis der COP 15 (UN-Biodiversitätskonferenz), welche im Dezember 2022 stattfand, obliegt es den Ländern, sich auf Schritte zur Umsetzung des Global Biodiversity Framework (GBF) zu einigen. Festgelegt wurde in diesem, dass die biologische Vielfalt erhalten werden soll und eine nachhaltige Nutzung aber auch der Zugang und die gerechte Aufteilung der Vorteile aus der Nutzung von (genetischen) Ressourcen, sichergestellt werden soll. Verschiedene gesetzliche Rahmenwerke wurden seitdem etabliert.
Das erst kürzlich beschlossene EU Renaturierungsgesetz wurde mit einer knappen Mehrheit angenommen (336 EU Abgeordnete stimmten dafür, 300 dagegen) und fordert Renaturierungen von mindestens 20 Prozent aller Flächen und Meeresgebiete in der EU bis 2030, bis 2050 sollen schließlich alle Ökosysteme, die einer Renaturierung bedürfen, wiederhergestellt werden. Die Umsetzung bleibt den einzelnen Mitgliedsstaaten selbst überlassen. Rund 80% der in der EU geschützten Lebensräume, befänden sich nach entsprechender Definition in schlechtem Zustand, wie aus einem Bericht der Europäischen Umweltagentur hervorgeht.
Wie integrieren wir Biodiversität und was können wir verbessern?
In der Erste AM beschäftigen wir uns seit vielen Jahren mit nachhaltiger Veranlagung und haben dabei auch Biodiversitäts-Agenden in unsere Überlegungen, integriert. Wir analysieren die nachhaltige Nutzung von Land- als auch Wasserressourcen von Seiten der Unternehmen, welche sich in unseren Portfolien befinden. Unternehmen mit Betriebsstätten welche nahe an sensiblen und/oder belasteten Ökosystemen liegen wird ein entsprechendes Risiko zugerechnet, Involvierung in Kontroversen bzgl. Entwaldung wird negativ berücksichtigt. Im Speziellen betroffen sind z.B. Industrien, welche mit relevanten Entwaldungs-Fronten in Verbindung stehen oder Unternehmen welche in die Produktion von Waren wie Holz, Rindfleisch oder Soja involviert sind oder Palmöl nutzen, was wiederum mit Entwaldung in Verbindung stehen könnte.
Als ersten Schritt zu einer noch gezielteren Integration haben wir uns dazu entschlossen die „Erklärung des privaten Finanzsektors an die Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens über die Artenvielfalt“, welche von der UNEP Finance Initiative (UNEP FI) und Anderen gegründet wurde und von 154 Finanzinstituten mit einem verwalteten Vermögen von mehr als 24,8 Billionen, unterschrieben wurde, zu unterstützen. Unser diesbezügliches commitment umfasst eine Verpflichtung, „durch unsere Finanzierungsaktivitäten und Investitionen zum Schutz und zur Widerherstellung der Artenvielfalt und der Ökosysteme, beizutragen“.
Durch unsere jüngst veröffentlichte Biodiversity Richtlinie stellen wir außerdem sicher, dass entsprechende Agenden auch formell in unsere Prozesse integriert sind. Die in der Richtlinie definierten Ziele sollen bis 2030 erreicht werden und umfassen zum Einen die Implementierung spezifischer, noch genauerer Daten um Unternehmen zu identifizieren, welche Biodiversitätsrisiken aufweisen, als auch Engagements und Votings, die diesbezügliche Verbesserungen unterstützen sollen. Unternehmen welche der globalen Entwaldungs-Problematik zugerechnet werden, könnten Teil der Fokusliste sein, als auch jene mit hohem Biodiversitäts- oder Wasserrisiko.
Durch Unterstützung von Aktionärsanträgen auf Hauptversammlungen sowie auch durch gezielte Engagements zu diesen Themen wollen wir Fortschritte von Seiten der Unternehmen unterstützen. Im Bereich der Engagements wollen wir außerdem eine aktive Rolle innerhalb der Nature Action 100 Initiative übernehmen, welche 100 aus Biodiversitätssicht relevante Unternehmen identifiziert und Engagements von Investor:innen initiiert, um Unternehmensmaßnahmen einzufordern, welche Schutz und Widerherstellung der Natur fordern.
Anhand von Schlüsselindikatoren sollen Fortschrittsberichte erstellt werden, um sicherzustellen, dass Verbesserungen erzielt wurden. Als Erste AM haben wir uns eine interessenswahrende Veräußerung innerhalb von zwei Jahren vorgelegt, für den Fall eines ausbleibenden Fortschritts auf Seiten der Unternehmen, trotz unseres Engagements.
Weitere Informationen, Insights und Expert:innenstimmen zum Thema Biodiversität erhalten Sie in unserem neuen ESGenius Letter.
Erläuterungen zu Fachausdrücken finden Sie in unserem Fonds-ABC.
Wichtige rechtliche Hinweise:
Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für künftige Wertentwicklungen.