Der Sommer ist da, die Neujahresvorsätze sind schon lange im Rückspiegel verschwunden und im Spiegel ist von der ersehnten Strandfigur nur ansatzweise etwas zu sehen. Wie schön wäre es die letzten hartnäckigen fünf Kilo mittels Wundermittel wegzubekommen. Seit 2022 gibt es mit Semaglutid genau dieses Medikament auf dem Markt. Zeit für eine Zwischenbilanz.
Semaglutid – die unerwartete Goldgrube
Eigentlich wollte das dänische Unternehmen Novo Nordisk mit Semaglutid, einem Wirkstoff aus der Gruppe der GLP-1-Rezeptor-Agonisten, lediglich ein Medikament für Diabetes-2 Patienten entwickeln, das im Vergleich zum ähnlichen Liraglutid wöchentlich anstatt täglich injiziert werden muss.
Schon in Tierversuchen zeigte sich aber neben der erwarteten insulinregulierenden auch eine stark appetitverringernde Wirkung. 2021 lieferte eine Doppelblindstudie erste handfeste Hinweise für Gewichtsverluste bei menschlichen Probanden. Die Novo Nordisk Aktie jagte daraufhin von einem Hoch zum nächsten.
Ein dickes ethisches Dilemma
Wenig überraschend wurde die Wunderdroge mit dem Markennamen Ozempic sofort off-label (da nur für Diabetes-2 zugelassen) und ab 2022 ganz offiziell zugelassen als Wegovy von den Reichen und offenbar Nicht-genug-Schönen im großen Stil konsumiert.
Da Novo Nordisk mit der Produktion die massive Nachfrage nicht bedienen konnte kam es zu der ethisch fragwürdigen Situation, dass finanzstarke Hollywood-Schauspieler zu ihrer Injektion kamen, während finanzschwache Diabetes-Patienten auf das potenziell lebensnotwenige Mittel warten mussten.
Adipositas – längst kein Luxusproblem mehr
War starkes Übergewichtigkeit zur Jahrtausendwende noch klar eine Begleiterscheinung des übersättigten Lebensstils in Industrienationen, lebt heute ein Großteil der adipösen Menschen in Entwicklungsländern. Vor allem in Lateinamerika und im Nahen Osten brachte steigender Wohlstand oft eine Verdrängung von traditioneller Esskultur zugunsten von Convenience Food mit sich.
Wegovy wird hier nur wenig Abhilfe schaffen können, schlägt es doch in den USA und Europa mit jeweils 1300 USD und 300 EUR pro Monat zu Buche, wenn die Kosten nicht von Krankenversicherungen getragen werden. Für signifikante und zumindest mittelfristig haltbare Gewichtsverluste gehen Studien von einer Mindestbehandlungsdauer von einem Jahr aus.
EMA prüft Nebenwirkungen
Semaglutid war ursprünglich nicht als Allerweltsmedikament konzipiert. Ursprünglich standen Risikoeinschätzungen dem Kampf gegen Diabetes-2 gegenüber, wo die Benefits klar überwiegen. Neben diversen Magendarm-Problemen, die üblicherweise am Beginn der Behandlung häufiger auftreten, prüft die Europäische Arzneimittelbehörde EMA nun mögliche psychische Nebenwirkungen, nachdem aus Island zwei Fälle gemeldet wurden, bei denen Patienten suizidale Gedanken entwickelten. In Studien mit Mäusen zeigte sich zudem ein erhöhtes Risiko für Schilddrüsenkrebs, was beim Menschen aber noch nicht festgestellt wurde.
Böses Erwachen für Fitness- und Diät-Industrie
Abseits gesundheitlicher Risiken sorgt Wegovy auch für wirtschaftliche Verwerfungen. Schon durch die Pandemie schwer angeschlagen, sieht sich die Fitness-Industrie einer existenziellen Bedrohung ausgesetzt, besonders wenn die Schlankmacher-Medikamente wesentlich günstiger werden sollten.
Auch in der Lebensmittelindustrie blickt man mit wachsender Sorge auf die Entwicklungen. Einerseits ist der Wachstumsmarkt der kalorienarmen Diätprodukte in Gefahr. Andererseits wirkt Semaglutid über die Verringerung des Apptetitgefühls, bewirkt also einen generell verminderten Konsum.
Seit 2021 die gewichtsreduzierende Wirkung von Semaglutid festgestellt wurde hat sich die Aktie von Novo Nordisk mehr als verdoppelt, während der Lebensmittelriese Nestle nicht vom Fleck kam und die gelistete Fitness Studio Kette Planet Fitness mehr als 20% einbüßen musste.
Erst in der vergangenen Woche rückte Wegovy erneut in den Fokus. Positive Studiendaten zu dem Medikament bescherten der Aktie von Novo Nordisk einen satten Kurssprung von über 16%. In der Studie habe sich gezeigt, dass die Einnahme von Wegovy, das Risiko eines schwerwiegenden kardiovaskulären Ereignisses wie eines Schlaganfalls bei übergewichtigen oder fettleibigen Menschen mit Herzerkrankungen in der Vorgeschichte um 20 Prozent reduziert habe.
Quelle: Refinitiv Datastream; Chart ist indexiert (01.01.2023 = 0%); Hinweis: Die Entwicklung in der Vergangenheit ist kein zuverlässiger Indikator für künftige Wertentwicklungen. Daten vom 14.08.2023
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