Gastbeitrag von Florian Greger, Senior Vice President Investor Relations & Sustainability OMV
Die OMV ist mit einem Gesamtumsatz von EUR 36 Mrd. und 22.400 Mitarbeiter:innen* eines der größten börsennotierten Industrieunternehmen Österreichs. Als weltweit tätiger Energie- und Chemiekonzern wollen wir bis 2030 zu einem führenden Anbieter nachhaltiger Kraftstoffe, Chemikalien und Werkstoffe mit Fokus auf Lösungen für die Kreislaufwirtschaft werden – eng verbunden mit unserem Anspruch, bis spätestens 2050 klimaneutral zu sein.
STRATEGISCHER KONTEXT
Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit: Die Welt hat sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts bereits um etwa 1 Grad Celsius erwärmt und wir können die Auswirkungen bereits sehen. Deshalb müssen wir als Gesellschaft die Treibhausgasemissionen bis zur Mitte dieses Jahrhunderts auf Null reduzieren. Der Energiesektor liegt im Zentrum dieser Herausforderung.
Angesichts einer künftig geringeren Rolle von Öl und Gas wird die Gewährleistung einer sicheren und leistbaren Energieversorgung weiterhin Priorität auf der globalen Agenda haben. Für ein umweltfreundlicheres und intelligenteres Mobilitätssystem müssen wir auf alternative und nachhaltige Rohstoffe umsteigen. In Europa wird sich die Nachfrage nach Biokraftstoffen aufgrund strenger politischer Vorgaben und des Verbraucherverhaltens bis zum Ende dieses Jahrzehnts fast verdoppeln.
Angetrieben durch das weltweite Bevölkerungswachstum sowie dem Anstieg von Wohlstand und Lebensstandard wird auch die Nachfrage nach Chemikalien und Werkstoffen weiter steigen. Hochleistungskunststoffe sind Bestandteil vieler Produkte, die wir tagtäglich benutzen, wie etwa Computer und Mobiltelefone. Sie machen unsere Autos und Flugzeuge leichter und treibstoffeffizienter, sie retten Leben als Airbags, Helme und medizinische Geräte. Leichtbaulösungen sind für ein modernes, gesundes Leben unerlässlich, aber sie sind auch der Schlüssel zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft, denn sie sind stark, flexibel und vor allem kostengünstig in der Herstellung. Die Art und Weise, wie wir Kunststoffe entsorgen, muss sich jedoch ändern. Kunststoffe müssen Teil der Lösung werden, nicht Teil des Problems.
Unsere Vision: Die OMV wird sich von einem integrierten Öl-, Gas- und Chemieunternehmen zu einer führenden Anbieterin von innovativen, nachhaltigen Kraftstoffen, Chemikalien und Materialien entwickeln und dabei die Chancen der Kreislaufwirtschaft nutzen. Ein integraler Bestandteil der Konzernstrategie ist das Ziel, bis 2050 ein Unternehmen mit Netto-Null-Emissionen in Bezug auf alle drei Scopes von Treibhausgasemissionen zu werden. Angesichts des laufenden Wandels in der Energiewirtschaft und des globalen Ziels, Netto-Null-Emissionen zu erreichen, baut die OMV auf ihre Stärken und ergreift Chancen, um sich wettbewerbsfähig zu positionieren.
STRATEGISCHE PRIORITÄTEN FÜR DIE OMV BIS 2030
Die Umstellung der Wertschöpfungskette von einem linearen auf ein zirkuläres Modell wird eine unserer Prioritäten sein, um die OMV zu einem nachhaltigen Unternehmen zu machen. Modernstes technologisches Know-how und unsere patentierten Technologien im Bereich des chemischen Recyclings sowie des standardmäßigen und innovativen mechanischen Recyclings werden uns helfen, Umweltverschmutzung und Abfälle zu minimieren, Materialien wiederzuverwenden, auf kohlenstoffarme Energie umzustellen, Kohlenstoff im Kreislauf zu halten und unsere Umwelt neu zu beleben.
DEKARBONISIERUNG
Die OMV hat sich verpflichtet, bis 2050 Netto-Null-Emissionen (Scope 1, 2 und 3) zu erreichen – mit Zwischenzielen für 2030 und 2040. Für Scope 1 und 2 strebt die OMV eine absolute Reduktion um 30% bis 2030 und um 60% bis 2040 an. Für die definierten Kategorien in Scope 3 strebt die OMV eine Reduktion um 20% bis 2030 und um 50% bis 2040 an. In Bezug auf die CO2-Intensität der Energieversorgung strebt die OMV eine Reduktion um 20% bis 2030 und um 50% bis 2040 an.
Diese Emissionsreduktionen können nur mit beträchtlichen Anstrengungen und großem Kapitaleinsatz erreicht werden. Die OMV hat zu diesem Zweck organische Investitionen von insgesamt mehr als EUR 13 Mrd für den Zeitraum 2022-2030 vorgesehen, die mehr als 40% des gesamten organischen CAPEX ausmachen. Alle Geschäftsbereiche werden bei dieser Umgestaltung auf ihren jeweiligen Stärken und Fachkenntnissen aufbauen. Die Modernisierung des Portfolios, die Steigerung der Effizienz, der verstärkte Zukauf erneuerbarer Energien, die Verringerung des Durchsatzes und des Verkaufs fossiler Raffinerieprodukte und die Erhöhung des Anteils recycelter und nachhaltiger Rohstoffe werden die wichtigsten Hebel sein, um unser Gesamtziel zu erreichen.
UNTERNEHMENSTRANSFORMATION
Der Geschäftsbereich Chemicals & Materials wird der zentrale Wachstumsmotor des Konzerns sein. Die OMV will eine weltweit führende Anbieterin von differenzierten Polyolefinlösungen werden – mit einer deutlich stärkeren Position im Mittleren Osten, in Asien und in Nordamerika. Wir werden unser bestehendes Polyolefingeschäft stärken und gleichzeitig ein starkes und diversifiziertes Portfolio von Chemikalien und Materialien aufbauen, indem wir in angrenzende Geschäftsbereiche und neue Produktgruppen expandieren. Um dies zu verwirklichen, werden wir gezielt Investitionen tätigen und Initiativen starten, die unsere Ertragskraft und unsere CO2-Bilanz verbessern. Darüber hinaus wird die OMV ihre geografische Reichweite ausbauen und den Blick verstärkt auf wachstumsstarke Märkte wie Asien und Nordamerika richten. Zu diesem Zweck wird die OMV marktnahe Investitionen tätigen und Partnerschaften auf der Grundlage differenzierter Technologien und Anwendungsportfolios schließen.
Ein wichtiger Pfeiler der Konzernstrategie ist das Ziel, eine führende Position bei erneuerbaren und kreislauffähigen Chemikalien und Materialien einzunehmen. Der Konzern wird das Potenzial der entstehenden Märkte für erneuerbare Energien und Kreislaufwirtschaft nutzen, indem er seine integrierte Technologieplattform und seine Position als Anbieter von End-to-End-Lösungen zur Entwicklung innovativer Produkte und neuer Geschäftsmodelle einsetzt. Die Kreislaufwirtschaft ist entscheidend für ein langfristig nachhaltiges Chemiegeschäft. Daher ist eine Transformation zu einem wirtschaftlich tragfähigen kommerziellen Maßstab erforderlich. In diesem Zusammenhang hat sich der Konzern das Ziel gesetzt, bis 2030 rund 2 Mio t nachhaltige Produkte im Bereich C&M zu liefern, was bis zu 40% der in Europa produzierten Polyolefinmengen entspricht.
Die OMV engagiert sich in allen Schritten der Wertschöpfungskette der Kreislaufwirtschaft. Im Technologiebereich verfügen wir über Standard- und fortschrittliche mechanische Recyclingtechnologien in Zusammenarbeit mit TOMRA, sowie über die von der OMV entwickelte und patentierte chemische Recyclingtechnologie ReOil®, die Post-Konsumenten- und Post-Industrie-Kunststoffe in synthetisches Rohmaterial umwandelt.
Wir haben die ReOil®-Pilotanlage erfolgreich in einem kontinuierlichen Prozess betrieben und bauen nun eine ReOil®-Demo-Anlage mit einer Auslegungskapazität von 16.000 t pro Jahr am OMV Standort in Schwechat – die Inbetriebnahme ist für 2023 geplant. Unser Ziel ist es, ReOil® in der Raffinerie Schwechat bis zum Jahr 2026 zu einer kommerziell nutzbaren, großtechnischen Recyclingtechnologie mit einer Verarbeitungskapazität von rund 200.000 t Altkunststoff pro Jahr zu entwickeln. Diese Kapazität entspricht 50% der gesamten für dieses Verfahren geeigneten Kunststoffabfälle in Österreich bzw. 25% der gesamten Kunststoffe in Österreich.
Im Bereich Refining will die OMV ein führender, innovativer Produzent von nachhaltigen Treibstoffen und chemischen Rohstoffen werden. Daher werden wir die Schnittstelle zwischen Öl und Chemikalien mit Schwerpunkt auf den integrierten Standorten Schwechat und Burghausen optimieren, indem wir die Anlagen so umgestalten, dass hochwertige fossile Ressourcen und ein wachsender Anteil an nachhaltigen Rohstoffen für die Chemieproduktion maximiert werden. Dadurch wird der Anteil an Dieselprodukten bis 2030 deutlich reduziert, während der Anteil der chemischen Grundstoffe auf rund 24% erhöht wird. Die Produktion von erneuerbaren Kraftstoffen und nachhaltigen Rohstoffen wird auf etwa 1,5 Mio t steigen, während der Durchsatz bei der Rohöldestillation um 2,6 Mio t sinken wird.
Um unsere Wettbewerbsposition in der Branche zu sichern und weiterhin innovativ zu sein, müssen wir unsere Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen auf neue Technologien für Ausgangsstoffe konzentrieren. Ein Beispiel dafür ist die Biokraftstoff-Co-Processing-Initiative, die es uns ermöglicht, biogene Rohstoffe (z. B. heimisches Rapsöl, Altspeiseöle, Algenöl) zusammen mit Stoffen fossilen Ursprungs in einer bestehenden Hydrotreating-Anlage der Raffinerie während der Kraftstofferzeugung zu verarbeiten. Die endgültige Investitionsentscheidung in der Höhe von rund EUR 200 Mio für das Co-Processing von erneuerbaren Rohstoffkomponenten in Schwechat wurde 2020 getroffen und der kommerzielle Betrieb wird 2023 erwartet. Es werden bis zu 160.000 t Alt- und Pflanzenöl hydriert werden. Die OMV setzt Rohstoffe ein, die nach EU-Nachhaltigkeitsstandards zertifiziert sind. Dadurch wird der CO2-Fußabdruck der OMV durch die Substitution von fossilem Diesel um bis zu 360.000 t CO₂ pro Jahr reduziert.
Im Bereich Marketing will die OMV die erste Wahl für Ihre Kundinnen und Kunden für Energie, Mobilität und Convenience werden und konzentriert sich dabei auf den Verkauf von nachhaltigen Flugzeugtreibstoffen (SAF), den Aufbau eines EV-Ladenetzes und den Ausbau des Non-Fuel-Retail-Geschäfts.
Wir haben das Potenzial von SAF als Schlüsselelement für die Dekarbonisierung des Luftverkehrs erkannt und wollen unsere eigene SAF-Produktion bis 2030 auf über 700.000 t steigern. Neben der bereits erfolgten Lieferung von SAF an Austrian Airlines am Flughafen Wien haben wir auch mit Lufthansa, Ryanair und Wizzair Vereinbarungen über die Lieferung von mehr als 1 Mio t SAF im Zeitraum 2023-2030 unterzeichnet. OMV produziert SAF durch das Co-Processing von nachhaltigen und regionalen Rohstoffen, insbesondere von Altspeiseöl. Im Vergleich zu konventionellem Kerosin trägt SAF zu einer Reduktion der Treibhausgasemissionen von mehr als 80% über den gesamten Lebenszyklus bei.
Im Bereich Exploration & Produktion konzentriert sich die OMV auf die Wertmaximierung und Cash-Generierung. E&P wird die fossile Produktion bis 2030 schrittweise auf ~350 kboe/d reduzieren, mit einem Erdgas-Anteil von rund 60%. Bis 2050 wird die OMV aus der fossilen Produktion zur Energiegewinnung aussteigen. Gleichzeitig wird die OMV signifikante Investitionen in kohlenstoffarme Lösungen tätigen, insbesondere in rund 10 TWh erneuerbare Energien (z.B. Geothermie) und rund 5 Mio t pro Jahr CCS-Kapazität bis 2030, um ihren Treibhausgas-Fußabdruck zu reduzieren.
Die Geothermie wird eine Schlüsselrolle bei der Versorgung von Haushalten mit nachhaltiger Energie spielen. Wir wollen einen Beitrag dazu leisten und streben an, bis 2030 geothermische Wärmekapazitäten von 8-9 TWh pro Jahr aufzubauen. Die OMV arbeitet unter anderem an zwei Projekten zur Erschließung von Geothermie: eines in Österreich und eines in Deutschland. In Österreich führte die OMV im Herbst 2022 einen Produktions- und Injektionstest durch, um das geothermische Potenzial im Wiener Becken in Niederösterreich, zu analysieren. Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend, da Wasser mit einer Temperatur von 102 Grad Celsius und einer Rate von bis zu 40 m3/Std gefördert und erfolgreich re-injiziert wurde. In den kommenden Monaten sollen nun verschiedene Parameter der gewonnenen Daten analysiert werden, um die technische Machbarkeit und in weiterer Folge die Wirtschaftlichkeit zu prüfen.
FAZIT
Wenn wir den Lebensstandard für eine wachsende Weltbevölkerung in einer endlichen Welt aufrechterhalten und ausbauen wollen und gleichzeitig die Herausforderungen des Klimawandels bewältigen, müssen wir zu einer nachhaltigeren Wirtschaftsweise übergehen. Aus diesem Grund hat sich die OMV zum Ziel gesetzt, Grundlagen für ein nachhaltiges Leben neu zu erfinden.
Wichtige rechtliche Hinweise:
Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für künftige Wertentwicklungen.