Der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine hat die Inflation beschleunigt, globale Lieferketten durcheinandergewirbelt und Energiepreise in die Höhe schießen lassen. Die EU hat auf harte Weise gespürt, dass man sich über Jahre hinweg von Energie-Importen, insbesondere aus Russland, abhängig gemacht hat. In dieser Hinsicht war das Jahr 2022 ein „Gamechanger“. Zwar war die EU bereits zuvor punkto Energiewende ambitioniert, jedoch ist durch die Energiekrise auch eine politische Dringlichkeit hinzugekommen.
Die EU stellt Energie-Autonomie in den Vordergrund und will durch diverse Initiativen die Abhängigkeit von Drittstaaten reduzieren. Ein wichtiges Ziel – korreliert doch der ausreichende und billige Zugang zu Energie sehr stark mit dem Wohlstand von Nationen. Mit „REPower EU“ wurde ein ambitionierter Plan geschaffen, um die europäische Energieversorgung zu diversifizieren und zukunftsfähiger zu machen.
Vier Säulen für ein Hallelujah
Am 18. Mai 2022 präsentierte die Europäische Kommission ihren Plan zur raschen Unabhängigkeit von fossiler Energie aus Russland und zur Beschleunigung des ökologischen Wandels: REPower EU. Der Plan basiert auf 4 Säulen:
- Energieeinsparungen: Verpflichtende Energie-Reduktion von 13% für alle Mitgliedsstaaten bis 2030
- Diversifizierung der Energieversorgung: insbesondere bei der Gasversorgung ist Europa stark abhängig von Russland, dies soll über Technologien wie LNG (Anm. „liquefied natural gas“, Flüssigerdgas) und Wasserstoff reduziert werden
- Erneuerbare Energie: Um die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu reduzieren, müssen wir den Ausbau von Erneuerbaren Energien wie Wind und Photovoltaik fördern.
- Finanzierung: Über € 210 Milliarden werden für die Beschleunigung der Energie-Autonomie benötigt, dies wird von der EU über diverse Fazilitäten bereitgestellt
Der Fokus dieses Blogs liegt insbesondere auf den Säulen 1 (Energieeinsparungen) und 3 (Erneuerbare Energie).
Energie-Effizienz
Die sauberste Energie ist jene, die wir nicht verwenden. Energieeinsparungen sind die sicherste und kostengünstigste Möglichkeit, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu reduzieren. Deshalb sieht RePower EU eine Erhöhung der Energieeffizienz vor, welche den Verbrauch von Energie um 13% reduzieren soll. Erreicht werden soll dies unter anderem durch die Förderung von effizienten Dämmstoffen, LED-Beleuchtung, Smart Metering, Smart Buildings und Wärmepumpen. Doch auch jeder einzelne kann dazu beitragen, den Energieverbrauch zu reduzieren – durch Verhaltensänderungen kann der Gasbedarf um bis zu 5% reduziert werden. Den größten Beitrag würde auf individueller Ebene eine Reduktion der Heizung im Winter bzw. der Klima-Anlage im Sommer um jeweils 1 Grad leisten, doch auch das Umsteigen auf öffentliche Verkehrsmittel und die Reduktion von Individualverkehr können helfen.
Außerdem soll der Ausbau von Wärmepumpen gefördert werden: In den nächsten 5 Jahren möchte man in Europa über 10 Millionen Heizpumpen installieren. Laut Berechnungen von der International Energy Agency könnte alleine durch diese Maßnahme der europäische Gasverbrauch um über 5% reduziert werden.
Beschleunigung der Energiewende in Europa
Der wichtigste Teil von REPower EU ist die Beschleunigung der Energiewende und der Ausbau von Erneuerbaren Energien. Ziel ist es den Anteil der Erneuerbaren Energien bis 2030 auf 45% des Energiemix zu erhöhen – ein Ziel, das über die letzten Jahre bereits mehrmals nach oben geschraubt wurde.
Hier soll wahrlich ein Turbo gezündet werden, wie man am Beispiel Photovoltaik sieht: Bis 2025 sollen 320GW (Gigawatt) neuer Photovoltaik-Anlagen installiert werden. Zum Vergleich: die installierten Photovoltaik-Anlagen Stand 2021 stehen bei 160GW – man will also das doppelte der installierten Kapazität innerhalb von 3 Jahren bauen! Bis 2030 sollen 600GW an neuen Photovoltaik-Anlagen gebaut werden.
Neben Photovoltaik soll auch der Ausbau von Wind- und Offshore-Windanlagen weiter gefördert und vor allem beschleunigt werden. Erneuerbare Projekte sind bereits heute die billigste Energiequelle, allerdings sind Genehmigungs- und Bewilligungsverfahren sehr langwierig und komplex. Die Vorlaufzeiten für Wind- und Photovoltaikanlagen sind momentan 6-7 Jahre, wobei die meiste Zeit für Bürokratie benötigt wird. Die EU hat es sich zum Ziel gesetzt, diese Prozesse zu beschleunigen, um den Rückstau an Projekten abzuarbeiten und den Ausbau zu beschleunigen.
Die Kommission schlägt außerdem vor, dass gewerbliche und öffentliche Gebäude ab 2027 und neue Wohngebäude ab 2029 mit Photovoltaik-Anlagen auf dem Dach ausgestattet werden müssen. „Ich weiß, dass dies ehrgeizig ist, aber es ist realistisch, wir können es schaffen“, sagte die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und wies darauf hin, dass Investitionen in Erneuerbare Energien die „größte Aufgabe“ der EU seien.
Großer Wurf oder Papiertiger?
Die ambitionierten Ziele gibt es momentan nur auf Papier. Am 18. Mai präsentierte die EU-Kommission ihren Plan für REPower EU. Die Konkretisierung der Schritte und die rechtlichen Rahmenbedingungen müssen erst geschaffen werden.
Bis jetzt findet man auf der Website der Europäischen Kommission vor allem Fortschritte in der Diversifizierung der Gas-Quellen. REPower EU kann ein großer Wurf werden und die die drängenden Themen im Bereich Erneuerbare Energien adressieren. Leider sind vom Zeitpunkt der Ankündigung bis jetzt 6 Monate vergangen – wichtige Zeit, welche ohne viel Fortschritt verstrichen ist. Es bleibt zu hoffen, dass die EU ihre Ambitionen ernst nimmt und REPower EU nicht zum Papiertiger verkommt.
Dieser Beitrag ist Teil des ESGenius Letter zum Thema Die Energie der Zukunft. Die weiteren Artikel mit Informationen und Insights rund um nachhaltige Energienutzung finden Sie hier.
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