Die Wahl des nächsten Präsidenten der USA am 5. November ist eines der wichtigsten Ereignisse in diesem Jahr. Im Prinzip geht es dabei um ein Match zwischen einem Vertreter des bestehenden Systems (Biden) und einem unorthodoxen Herausforderer (Trump). Ausgehend vom Wahlprogramm Trumps und seiner früheren Präsidentschaft können einige Schlussfolgerungen gezogen werden, was eine neuerliche Wahl von Donald Trump zum nächsten US-Präsidenten bedeuten könnte.
Auch Volksvertreter werden gewählt
In der jetzigen Legislaturperiode sieht man, dass gegenseitige Blockaden der Republikaner und Demokraten den Gesetzwerdungsprozess erschweren. Welche Gesetze verabschiedet werden, hängt eben nicht nur vom Präsidenten und seinen Beratern, sondern auch davon ab, welche Mehrheiten im Kongress zustande kommen. Daher ist es wichtig festzuhalten, dass im November insgesamt 471 Volksvertreter gewählt werden. Das setzt sich zusammen aus 435 Mitgliedern des Repräsentantenhauses, 34 Senatoren, einem Vizepräsidenten und einem Präsidenten. Derzeit haben die Demokraten eine leichte Mehrheit im einhundert Sitze umfassenden Senat, während im Repräsentantenhaus die Republikaner eine Mehrheit besitzen. Umfragen deuten darauf hin, dass die Republikaner im Senat eine Mehrheit bekommen könnten. Für das Repräsentantenhaus besteht derzeit keine ausgeprägte Neigung für die eine oder andere Partei. Für eine vollständige Umsetzung der wirtschaftspolitischen und sonstigen Ideen von Trump und seinen Beratern wäre aber eine Mehrheit der Republikaner im Kongress nötig.
Trumpismus – zunehmende politische Polarisierung
Der politische Ansatz ist im Wahlspruch „America First“ beziehungsweise „Make America Great Again“ (MAGA) gut zusammengefasst. Er besteht aus einer populistischen und unilateralen Herangehensweise. Daraus ergeben sich ein ökonomischer Nationalismus (Protektionismus, aktive Industriepolitik), eine Abwertung der internationalen Organisationen (UNO) und Allianzen (NATO) sowie von etablierten liberalen, aufgeklärten Ideen und Erkenntnissen (Wissenschaft, Gewaltenteilung). Anti-Wokeness und Post-Wahrheit sind mittlerweile zu Stichworten für eine zunehmende politische Polarisierung geworden. Dazu gehören auch die Gefahr einer Erosion von rechtstaatlichen und demokratischen Prinzipien (Checks and Balances). Beispiele aus der Vergangenheit: Nicht-Anerkennung von Wahlergebnissen, Sturm auf das Kapitol am 6. Jänner. Bereits jetzt kann eine erhöhte politische Dysfunktion festgestellt werden. Beispiel: Abwahl von republikanischen Sprechern des Repräsentantenhauses, die nicht Trump-Anhänger sind. Spezifisch auf Donald Trump bezogen, wird zudem von den etablierten Medien ein gewisses erratisches Verhalten attestiert. Zumindest theoretisch würde eine höhere Unsicherheit die Planbarkeit erschweren.
Trumponomics: Steuersenkungen und höhere Importzölle
Der Begriff Trumponomics beschreibt die wirtschaftspolitischen Prinzipien von Donald Trump. Im Wesentlichen geht es dabei um Steuersenkungen, höhere Importzölle, Verringerung der Zuwanderung und Deregulierung. Wenn die Republikaner die Mehrheit Kongress bekommen, werden die Steuersenkungen von 2017 wohl auf permanent gestellt. Zudem wären zusätzliche Steuersenkungen wahrscheinlich. Unternehmen würden von zusätzlichen Steuersenkungen profitieren. Allerdings implizieren solche Maßnahmen ceteris paribus auch eine höhere Neuverschuldung des Staates und damit einen noch steileren Anstieg der Staatsschuldenquote. Die Zielerreichung, mit Steuersenkungen die Investitionstätigkeit und damit das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, konnte in der ersten Präsidentschaft von Donald Trump empirisch nicht bestätig werden. „Lediglich“ die Aktienkurse stiegen an (höhere Nachsteuergewinne). Sollten jedoch Steuersenkungen tatsächlich wachstumsfördernd wirken, kämen sie allerdings zum falschen Zeitpunkt. Denn das Wirtschaftswachstum ist kräftig und die Inflation liegt über dem Zentralbankziel. Eine Überhitzung der Wirtschaft könnte die Folge sein.
Höhere Importzölle
Kernpunkte des ökonomischen Nationalismus sind Importzölle und Exportbeschränkungen (nach China). Einige Vorschläge beinhalten eine drastische Anhebung der Zölle auf Importe aus China auf bis zu 60%. Aber auch eine generelle Anhebung von Zöllen auf Importe aus allen Staaten ist möglich. Zumindest könnte die Ankündigung von höheren Zöllen als Druckmittel verwendet werden, um andere handelspolitische Ziele durchzusetzen. Es ist nicht klar, inwieweit mit protektionistischen Maßnahmen die eigene Industrie tatsächlich gestärkt würde. Der Effekt könnte sein, dass die Güter einfach teurer werden. Zudem werden ja nicht nur End- sondern auch Halbfertigprodukte importiert. Generell dämpfen protektionistische Maßnahmen den Welthandel, fördern die Fragmentierung der Weltwirtschaft, erhöhen das Risiko von Handelskonflikten und wirken preistreibend (inflationär). Letzteres könnte dann tatsächlich in höheren (nominellen) Löhnen einen Niederschlag finden. Die Reallöhne (die Kaufkraft) würden aber (wahrscheinlich) nicht ansteigen. Zudem fehlt (derzeit) die Notwendigkeit des Ziels, neue Arbeitsplätze zu schaffen, weil der Arbeitsmarkt bereits sehr eng ist (niedrige Arbeitslosenrate). Wenn die protektionistischen Maßnahmen erfolgreich sind (Reindustrialisierung), stellt sich die Frage, woher die Beschäftigten kommen. Das würde den Druck auf die Unternehmen erhöhen, produktivitätssteigernde Maßnahmen zu ergreifen (Automatisierung).
Weniger Zuwanderung
Es ist ein klares Ziel von Donald Trump, die Zuwanderung zu reduzieren, sowohl die legale als auch die illegale. Das soll vor allem über eine höhere Sicherheitsbarriere an der südlichen Grenze erreicht werden. Auch von der Abschiebung von illegal Zugewanderten ist die Rede. Rein ökonomisch betrachtet würden solche Maßnahmen das Wachstum behindern. Denn das Wachstum des Arbeitskräftepotenzials durch Zuwanderung hat in den vergangenen Jahren geholfen, die Ungleichgewichte am Arbeitsmarkt zu reduzieren. Nach wie vor es so, dass die Nachfrage nach Arbeitskräften über dem Angebot liegt. Weniger Zuwanderung bedeutet ein geringeres Arbeitskräfteangebt, wodurch das Wachstumspotenzial reduziert wird. Wenn gleichzeitig wachstumsstimulierende Maßnahmen gesetzt werden, droht eine Überhitzung.
Klimawandel: Droht Streichung von Subventionen?
Laut Programm ist die Streichung von Subventionen für grüne Energien angedacht. Gleichzeitig soll die traditionellen Energiegewinnung (Öl, Gas) erleichtert werden (weniger Hemmnisse und Regulierungen). Das könnte für andere Staaten eine Vorbildwirkung sein. Damit wäre das Ziel, den Klimawandel zu lindern, nochmals unrealistischer geworden.
Eher inflationäre Auswirkungen
Die Wirtschaftspolitik (Trumponomics) hat eher inflationäre Implikationen (Steuersenkungen, Importzölle, weniger Zuwanderung). Diese würden durch die jetzige Ausgangssituation (enger Arbeitsmarkt, erhöhte Inflation) verstärkt werden. Das gilt vor allem denn, wenn die Republikaner die Mehrheit im Kongress erreichen. Wenn die Inflation tatsächlich erhöht bleibt beziehungsweise sogar ansteigt, könnte die Zentralbank unter Druck kommen, die Leitzinsen zumindest nicht (weiter) zu senken beziehungsweise sogar anzuheben.
Negativ für Anleihen
Ein inflationärer Effekt wäre nachteilig für Anleihen (Fixed Income). Zudem würde durch die Aussicht auf einen schnelleren Anstieg der Staatsschuldenquote das Risiko zunehmen, dass am Markt eine höhere Prämie für das Halten von Staatsanleihen verlangt wird. Derzeit liegt diese Risikoprämie bei null Prozent.
Bedingt positiv für Aktien, US-Dollar unklar
Aktien können positiv reagieren. Zum einen wäre die Erwartung von höheren Nachsteuergewinnen unterstützend, zum anderen würde eine höhere Inflation die (nominellen) Gewinne erhöhen, zumindest insofern die Unternehmen ihre Preissetzungsmacht behalten. Risiken für die Aktien kommen vor allem von einem möglichen größeren Handelskonflikt sowie von etwaigen Leitzinsanhebungen. Die möglichen Auswirkungen auf die wichtigste Reservewährung der Welt, den US-Dollar, sind nicht klar. Auf die lange Sicht betrachtet nimmt die Attraktivität des US-Dollar aber in dem Ausmaß ab, je fragmentierter die Weltwirtschaft wird.
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