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20 Jahre EU-Osterweiterung: Eine Erfolgsgeschichte geht in die nächste Runde 

20 Jahre EU-Osterweiterung: Eine Erfolgsgeschichte geht in die nächste Runde 
20 Jahre EU-Osterweiterung: Eine Erfolgsgeschichte geht in die nächste Runde 
(c) pexels
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Mit dem 20. Jahrestag der EU-Osterweiterung am 1. Mai feierte die EU eine politische und wirtschaftliche Erfolgsgeschichte. Die Aufnahme von Zypern, Tschechien, Estland, Ungarn, Lettland, Litauen, Malta, Polen, der Slowakei und Slowenien war die bisher größte Erweiterung der Europäischen Union. Später folgten Rumänien, Bulgarien und Kroatien. 

Politisch ist damals für die ehemaligen Warschauer-Pakt-Länder ein neues Zeitalter angebrochen. Auch die für die Aufnahme nötigen politischen und institutionellen Reformen waren ein Meilenstein in Richtung Europa. Wirtschaftlich war die Erweiterung rückblickend gesehen eine klare Erfolgsgeschichte, wie aktuelle Analysen der Erste Group und des Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) zeigen. 

Beitrittsländer haben kräftig aufgeholt 

Gemessen am BIP pro Kopf haben die Beitrittsländer in den vergangenen 20 Jahren massiv aufgeholt und teilweise an das Niveau vieler westlicher Staaten angeschlossen. Besonders stark zugelegt haben Rumänien, Bulgarien, Polen und die baltischen Staaten, resümiert das wiiw. Die Wirtschaftsleistung dieser Länder lag 2004 bei etwa 30 bis 40 Prozent des Durchschnitts der EU-15. Jetzt liegen Litauen und Estland beim BIP pro Kopf bei mehr als 80 Prozent der alten EU-Länder. 

Das BIP pro Kopf in Polen und Rumänien hat sich seit 2004 mehr als verdoppelt, so die Expert:innen der Erste Group. Polens BIP pro Kopf sei 1990 etwa so hoch gewesen wie jenes von Südafrika, Brasilien, Nordmazedonien und der Türkei. In den folgenden Jahren habe Polen diese Volkswirtschaften alle überholt, so das wiiw. Tschechien und Slowenien bewegen sich derzeit auf einem ähnlich hohen Niveau. Allerdings sind die beiden Länder von einem höheren Wohlstandsniveau aus gestartet. 

Infografik zur Entwicklung der EU, 20 Jahre Osterweiterung: Im Gründungsjahr 1957 sind Deutschland, Italien, Frankreich, Luxemburg, Belgien und die Niederlande beigetreten. Zwischen 1973 und 1995 folgten Schweden, Finnland, Irland, Portugal, Spanien, Österreich und Griechenland. Bei der Osterweiterung 2004 folgten Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Slowenien und Zypern. Bei der Osterweiterung 2007 bis 2013 folgten Rumänien, Bulgarien und Kroatien. Großbritannien war von 1973 bis 2020 bei der EU. 
Die Wirtschaftsleistung pro Kopf im Vergleich zu EU-15 war 2022 in Tschechien und Litauen am höchsten, in der Slowakei und Lettland am niedrigsten. Die Prognose des BIPs für 2025 wird in Polen und Estland im Vergleich zum Vorjahr am meisten steigen.

Um den Effekt des EU-Beitritts besser einschätzen zu können, modellierten die Erste-Group-Expert:innen die geschätzte wirtschaftliche Entwicklung einiger Beitrittsstaaten für den fiktiven Fall, dass sie nicht der EU beigetreten wären, und vergleichen diese mit der tatsächlichen Entwicklung. Besonders in Polen wäre das BIP pro Kopf ohne EU-Beitritt heute deutlich niedriger, so das Ergebnis der Analyse. Weniger, aber doch deutlich, hätten Tschechien, Ungarn und die Slowakei profitiert. Merklich geringer sei der Beitrittsvorteil in Slowenien gewesen. 

Auslandsinvestitionen brachten Wachstumsschub 

Profitiert haben die Erweiterungsländer nach Einschätzung der wiiw-Ökonom:innen vor allem von dem mit dem Beitritt ausgelösten Boom an ausländischen Direktinvestitionen (FDIs). Mit den institutionellen Reformen der Beitrittsländer und dem Abbau von Handelsbarrieren zwischen „neuen“ und „alten“ EU-Staaten strömten Auslandsinvestitionen in die Region, um von der kostengünstigen, qualifizierten Arbeitskraft zu profitieren. Infolgedessen wurden die EU-CEE-Länder zu wichtigen Knotenpunkten in internationalen Produktionsnetzwerken. 

Auch die „alten“ EU-Länder haben laut Ökonom:innen von der Erweiterung deutlich profitiert. Insbesondere für Österreich und seine Unternehmen wurde die Erweiterung zu einer Erfolgsgeschichte. „Unser Land hat von der EU-Erweiterung profitiert wie kaum ein anderes in der Europäischen Union“, so die WKÖ-Generalsekretärin Mariana Kühnel. So haben sich Österreichs Exporte nach Ungarn, Slowenien, Tschechien, Slowakei und Polen seit 2003 verdreifacht. Auch sei Österreich zu einem „Top-Investor in der Region“ geworden. 

Ökonom:innen sehen die Region weiter auf Wachstumskurs 

Nach dem Boom der Region in den vergangenen 20 Jahren sehen Expert:innen den Aufholprozess der Erweiterungsländer weiter intakt. „Für die meisten Länder in der Region ist dieses Jahr viel besser als letztes Jahr“, fasste der stellvertretende wiiw-Direktor Richard Grieveson die Frühjahrsprognose des Instituts zusammen. 

Für 2024 prognostiziert das wiiw den EU-Mitgliedern der CEE-Region ein Wachstum von durchschnittlich 2,5 Prozent, das 2025 auf 3 Prozent anziehen soll. Rumänien (3,0 Prozent) und Kroatien (2,9 Prozent) dürften 2024 besonders stark wachsen, erwarten die wiiw-Ökonom:innen. Dort stützen nicht zuletzt Mittelzuflüsse aus dem Corona-Wiederaufbaufonds NextGeneration EU die Konjunktur. 

Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn werden laut den wiiw-Prognosen heuer um durchschnittlich 2,4 Prozent expandieren und 2025 um 3 Prozent, während die Eurozone heuer beinahe stagniert. „Angesichts steigender Reallöhne, vor allem aufgrund einer stark rückläufigen Inflation, ist der private Konsum die Hauptstütze des Wachstums“, sagt wiiw-Ökonomin Olga Pindyuk, Hauptautorin der Frühjahrsprognose. 

Länder brauchen neue Wachstumsstrategien 

Nach dem Boom der vergangenen 20 Jahre stehen viele Erweiterungsländer vor neuen Herausforderungen. So haben die Volkswirtschaften der Region zwar an das EU-Niveau aufgeschlossen, innerhalb der Länder gibt es aber noch starke regionale Unterschiede, schreibt das wiiw. So erreicht das Wohlstandsniveau in den Hauptstädten von Bukarest, Polen und Tschechien das eineinhalb- bis zweifache des EU-Schnitts, jenes der ärmsten Regionen dieser Länder aber nur rund die Hälfte des EU-Mittels. 

Ein Wandel des FDI-basierten Wachstumsmodells der Regionen wird immer dringender, konstatiert das wiiw. Für eine moderne Industriepolitik müssten die Staaten eine proaktivere Rolle bei der Vernetzung wichtiger Akteur:innen in der Wirtschaft spielen, darunter der Privatsektor, akademische Institutionen, Schlüsselministerien und Wirtschaftsförderungsagenturen, lautet die Empfehlung der Wirtschaftsforscher:innen. Zweitens sei es wichtig, die Industriepolitik mit den Regeln und Vorschriften der EU zu harmonisieren und das Beste aus dieser Integration zu machen. 

Die jungen EU-Länder müssten ihre Herangehensweise an die FDI-Förderung überdenken, wenn sie über ihre aktuelle Rolle als verlängerte Werkbank in der Wertschöpfungskette hinausgehen wollen. Institutionelle Verbesserungen und Reformen müssten Hand in Hand mit Bemühungen der Politik gehen, korrupte Praktiken und verzerrende Eingriffe zu vermeiden. Schließlich seien auch strukturelle Veränderungen notwendig, wozu ein umfassendes soziales Sicherheitsnetz gehöre, um sicherzustellen, dass weder Menschen noch Regionen zurückbleiben. 

Herausforderung: Abwanderung von Arbeitskräften in den Westen

Eine Herausforderung sei die Abwanderung in den Westen, die in einigen Beitrittsländern zu einem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften geführt hat. Laut Umfragen leiden mehr als 30 Prozent der Unternehmen in der verarbeitenden Industrie Polens unter einem Arbeitskräftemangel, in Slowenien sind es mehr als 25 Prozent und in der Slowakei und in Ungarn 20 Prozent. Es wird für diese Länder nötig sein, die Beschäftigungsquoten zu erhöhen, Einwanderung und Familiengründungen zu fördern und Abwanderung zu minimieren, so die Einschätzung des wiiw.  

Zudem seien weitere institutionelle Reformen nötig und eine weitere Umstellung wie eine Abkopplung von fossilen Brennstoffen. Die Wandel in Richtung einer klimaneutralen Wirtschaft und der Prozess der Digitalisierung eröffnet den neuen EU-Ländern weitere Wachstumschancen, so die Experten der Erste Group. Die Länder profitieren von den Hilfen der Just-Transition-Strategie der EU, die die negativen wirtschaftlichen Folgen der Umstellung lindern sollen. Für den Digitalisierungsprozess gibt es starke Unterstützung durch die EU-Institutionen. 

Die Erweiterung geht weiter 

Das Erweiterungsprojekt ist zudem nicht am Ende. Potenzielle Kandidaten sind etwa die Westbalkan-Staaten Albanien, Bosnien-Herzegowina, Nord-Mazedonien, Kosovo, Montenegro und Serbien. „Diese sechs Staaten sind die fehlenden Steine im europäischen Mosaik, ohne sie ist die EU nicht vollständig“, sagte Außenminister Alexander Schallenberg anlässlich des Erweiterungs-Jahrestags. Auch Georgien, Moldawien und die Ukraine gelten als Kandidaten. 

Die wiiw-Experten sehen darin Chance und Risiko zugleich. Einerseits hätten die neu integrierten Länder einen bedeutenden Lohnkostenvorteil, der die aktuell starken Positionen der EU-CEE-Länder als Assembler in den EU-Wertschöpfungsketten beeinträchtigen könnte. Andererseits könnte genau dieser Schock die EU-CEE-Länder dazu bringen, ihre Positionen in diesen Wertschöpfungsketten zu verbessern, so die Analyse. 

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