In den kommenden Tagen beginnen die Wahlen zum Parlament in Indien. Insgesamt 970 Millionen Menschen sind aufgerufen im bevölkerungsreichsten Staat der Welt (Indien liegt seit kurzem knapp vor China mit rund 1,4 Mrd. Einwohnern) und der größten Demokratie der Welt, ihre Stimme abzugeben.
Langatmige Wahlphase
Die Wahl wird in insgesamt 7 Phasen abgehalten, welche sich über 44 Tage erstrecken. Die lange Dauer wird mit logistischen und sicherheitstechnischen Notwendigkeiten begründet (2019 wurde in 39 Tagen gewählt). Die Opposition merkt diesbezüglich kritisch an, dass eine (über-) lange Wahldauer tendenziell dem amtierenden Premierminister Narendra Modi und seiner Partei „Bharatiya Janata Party“ (BJP) nützt, da diese über eine gut gefüllte Wahlkampfkasse und besseren Zugang zu den Medien verfügen und entsprechend agieren können.
Premierminister Modi in Favoritenstellung
Generell wird ein deutlicher Sieg der BJP und ihrer Verbündeten prognostiziert. Im Jahr 2019 konnte die Allianz 350 von 543 Sitzen erringen, aktuelle Prognosen sehen weitere Zugewinne und erwarten insgesamt 370 – 400 Parlamentssitze. Alles andere als eine dritte Amtszeit von Premierminister Modi wäre daher eine sehr große Überraschung.
Trotz dieser Vorzeichen waren zuletzt alarmierende Vorgänge im Wahlkampf zu beobachten: Es wurde die Einschüchterung der Opposition insbesondere durch Verhaftungen (unter anderem des bekannten Oppositionsführers Rvind Kejriwal) beklagt. Daneben haben auch Behörden in den Wahlkampf negativ eingegriffen und beispielsweise die Konten mehrerer Oppositionsparteien unter fragwürdigen Begründungen eingefroren.
Hinweis: Die Entwicklung in der Vergangenheit sowie Prognosen, sind kein zuverlässiger Indikator für künftige Entwicklungen.
Zunehmende Spannungen im Land
Aber auch schon zuvor hatte der Premierminister auf mehreren Ebenen abseits der vielfach gelobten Reformprozesse agiert, um Stimmung für seine Partei und sich zu machen. Menschen hinduistischen Glaubens werden unter anderem seit kurzem bei der Immigration bevorzugt (insbesondere gegenüber Muslimen).
Zusätzliche Spannung zwischen den Religionen entstand durch die Erlaubnis, dass mehrere Moscheen auch für Gebete von Hindus geöffnet werden müssen. Die nationalistische Ausrichtung der Politik der BJP findet hier einen deutlichen Niederschlag. Beobachter meinen, dass so entstehenden Spannungen politisch durchaus in Kauf genommen werden um die Kernwählerschaft zu einen.
Mehr Initiative bei Armutsbekämpfung – jedoch nicht ohne Kalkül
Bei der Armutsbekämpfung war in den Jahren seit 2019 ebenfalls eine geänderte Ausrichtung erkennbar: Seit diesem Zeitpunkt wurden Gratisleistungen (Nahrungsmittel) bzw. Förderungen (Wohnungen, Benzin) signifikant erhöht. Nachdem die Sozialausgaben stabil blieben, kam es innerhalb des Ressorts zu einer Umverteilung. Dies ist für die Betroffenen sehr positiv, doch unglücklicherweise verknüpft Modi diese Hilfen jedoch mit seiner Partei und sich indem er u.a. auf den Getreidespenden abgedruckt ist. So erscheint er als omnipräsente Figur und versucht, seinen Einfluss innerstaatlich zu erweitern.
So populär Narendra Modi national zweifelsfrei ist, so kritisch wird sein Vorgehen mittlerweile im Ausland beäugt. Der Wunsch vieler westlicher Unternehmen, einen stabileren Standort im Vergleich zu China zu finden, wird damit leider etwas untergraben. Auch geopolitisch ist Indien aufgrund der aktuell russland-freundlichen Politik nicht ganz in jener Position, die möglich wäre (Positionierung als starkes Gegengewicht bzw. Alternative zu China).
Indien als wirtschaftliches Gegengewicht zu China?
Indiens Wirtschaft boomt und könnte in Zukunft noch stärker wachsen. Innerhalb von drei Jahren will Indien zur drittgrößten Volkswirtschaft der Welt aufsteigen – nach den USA und China.
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Fazit: Hoffnung auf Rückkehr zu pro-westlichem Kurs
So bleibt zu hoffen, dass nach den Wahlen in Indien wieder ein pro-westlicher Kurs in den Vordergrund rücken wird. Denn die makro-ökonomische Entwicklung des Landes ist als sehr positiv zu bezeichnen – der Staat hatte im vergangenen Jahr größte BIP-Wachstum unter den relevanten Volkswirtschaften weltweit aufzuweisen.
Für die Jahre 2024 und 2025 erwarten OECD und die Weltbank ebenfalls das größte Wachstum in Indien mit Raten von jeweils über 6% (China wird hierbei von Indonesien auf Platz 3 verdrängt).
Hinweis: Prognosen sind kein zuverlässiger Indikator für künftige Wertentwicklungen.