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CHINA: Weiterer Aufstieg oder Spitze erreicht?

CHINA: Weiterer Aufstieg oder Spitze erreicht?
Longterm Outlook

Man benötigt eine Mischung aus Geschichte, Ökonomie und Politik, um durch den Alltagslärm zu hören und die großen Trends der Zukunft zu identifizieren. Das Investment Team der Erste AM beschäftigt sich in einer neuen Serie „Longterm Outlook“ mit dem Thema Digitalisierung & Industrie 4.0.

Den ersten Beitrag finden Sie hier: The next 10 years. Zweiter Beitrag: Industrie 4.0

 

Für alle diejenigen, die mutig genug sind, langfristige Meinungen über die Weltwirtschaft zu formulieren, ist die zukünftige Rolle Chinas einer der bedeutendsten Faktoren.

Die Frage ist weit davon entfernt, ein Spezialthema für gut unterrichtete Insider zu sein. Die ansteigende internationale Präsenz und der Einfluss Chinas ist mittlerweile gut belegt, zumal der Weltmarkt mit Konsumgütern „Made in PRC“ überschwemmt wurde und Chinatowns in vielen städtischen Gebieten auf der Welt gleichsam aus dem Nichts entstanden sind.

Auf Basis von Kaufkraftparitäten ist China bereits Nummer 1

Auf Basis von Kaufkraftparitäten ist China mit einer jährlichen Wirtschaftsleistung von 27,3 Billionen USD bereits die größte Volkswirtschaft der Welt und liegt damit laut IWF um 20% über der Vergleichszahl aus den USA. In nominellen Zahlen auf US-Dollar-Basis liegen die USA nach wie vor vorne, und das chinesische BIP beträgt zwei Drittel jenes der USA.

Aber der Abstand wird seit vielen Jahren geringer, und der Verlust des Nummer 1-Status ist für die USA nach etwa 150 Jahren ein durchaus realistisches Langfrist-Szenario.

Viele sind der Überzeugung, dass es sich bei diesem Szenario um eine unabwendbare Tatsache handelt, da der Aufstieg Chinas weitergehen wird. Es stellt sich allerdings die Frage, ob diese Erwartungen auf Fundamentaldaten beruhen oder einfach eine Extrapolation vergangener Trends darstellen.

So manch einer wird sich an eine ähnliche Geschichte aus den 1980ern erinnern, als das Wirtschaftswunder Japan ein heißes Thema war und viele US-Unternehmen in Sorge darüber waren, ihre Vormachtstellung gegenüber ihren japanischen Wettbewerbern zu verlieren. Dieser von vielen erwartete Paradigmenwechsel fand aber nie statt, da der japanischen Wirtschaft in den frühen 1990ern die Luft ausging.

Size matters“

Natürlich könnte es diesmal anders sein. Zunächst muss man festhalten, dass in diesem Fall die Größe wirklich von Bedeutung ist. Mit der weltgrößten Bevölkerungsanzahl und steigender geopolitischer Bedeutung befindet sich China in einer besseren Position, die USA und deren Hegemonie herauszufordern, als es Japan jemals war.

Viele von uns glauben, dass in zehn Jahren chinesische Unternehmen den Markt in diversen zukunftsorientierten Branchen dominieren werden (Biotechnologie, Telekommunikation, Cloud-Technologie, Robotik, alternative Energien). Daher könnte China nicht nur die größte Volkswirtschaft der Welt sein, sondern seine Unternehmen könnten den Markt mit ihrem Know-how dominieren.

Wirtschaftsmacht – Ranking

Quelle: https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(20)30677-2/fulltext

“Peak China”-Szenario

Andere von uns sind sich nicht so sicher. Die Wahrscheinlichkeit eines „Peak China“-Szenarios nimmt zu und geht von deutlichem Gegenwind für zukünftige chinesische Aufholbestrebungen aus. In der Tat sieht man, dass viele der Faktoren, die in den letzten 50 Jahren die Treiber des chinesischen Projekts waren, nunmehr ins Stottern gekommen sind bzw. sogar den Rückwärtsgang eingelegt haben.

Sehen wir uns beispielsweise die Bevölkerung an, welche mit 1,4 Milliarden die größte der Welt ist. Neueste Trends sind nicht allzu positiv bezüglich einer steigenden Bevölkerungszahl: In den letzten 30 Jahren hat sich das Bevölkerungswachstum von 1,8% auf 0.4% verringert und sinkt weiter.

Während derselben Periode ist das Alter im Median von 25 auf 38 Jahre gestiegen. Laut den jüngsten Schätzungen wird die chinesische Bevölkerung bald hinter jener von Indien zurückfallen und gegenüber jener aus den USA schrumpfen.

Ein neuer kalter Krieg?

Ein weiteres Beispiel ist der Welthandel, der in den letzten 50 Jahren stark angestiegen ist und China zu einem Zentrum der globalen Produktion gemacht hat. Fallende Transport- und Kommunikationskosten ermöglichten eine rasche Globalisierung. Allerdings hat sich das Wachstum globaler Handelsvolumina im letzten Jahrzehnt deutlich verringert.

Die derzeitige COVID-Pandemie wird vermutlich weitere Herausforderungen schaffen, da Regierungen und Unternehmen ihre Lieferketten einer Neueischätzung unterziehen werden, um Unterbrechungsrisiken gering zu halten.

Spannungen zwischen den USA und China sind auch nicht gerade hilfreich. Wir gehen davon aus, dass sich selbige in den kommenden zehn Jahren weiter verschärfen werden, ungeachtet dessen, wer in Washington und Peking an den Hebeln der Macht sitzt.

In der Tat ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass diese Spannungen in eine Art kalten Krieg münden werden, zwar ohne direkte militärische Konfrontation zwischen den beiden Ländern, aber mit Blockbildungen und eventuell sogar Stellvertreterkriegen.

Der chinesischen Regierung kommt eine Schlüsselrolle zu

Natürlich weiß die chinesische Regierung seit geraumer Zeit, dass sich die Wirtschaft nicht mehr auf dieselben Faktoren verlassen kann, um ihr exorbitantes Wachstum aufrecht zu erhalten. Daher werden enorme Anstrengungen unternommen, um die Hauptreiber der wirtschaftlichen Expansion in Richtung Inlandskonsum, Technologie und Innovation zu verlagern und so die berühmte Falle des mittleren Einkommens zu vermeiden, aus der es für viele andere Länder kein Entrinnen gab.

Obwohl wir bereits einige vielversprechende Ergebnisse gesehen haben, bestehen Zweifel hinsichtlich des langfristigen Erfolgs dieses Projekts. Die Kräfte des freien Marktes sind nach wie vor beschränkt, und die Volkswirtschaft unterliegt noch immer zentraler Planung, was zu groben Ineffizienzen, der Fehlallokation von Ressourcen, Überkapazitäten in verschiedenen Segmenten, der Schaffung von Zombieunternehmen und Problemen hinsichtlich der nachhaltigen Strukturierung von Fremdkapital führt.

Es ist nicht gesagt, dass marktorientierte Reformen, wie sie in den 1970ern begonnen wurden, weitergeführt werden. Ganz im Gegenteil: es besteht allerorts die Sorge, dass das Regime unter der Führung Xi Jinpings autoritärer wird.

Chinesische Anlagegüter beeinflussen die Anlageverwaltung

Aus Anlegersicht kann man China und seinen Einfluss auf die Weltwirtschaft und Märkte in den kommenden zehn Jahren nicht ignorieren, egal, welches Szenario eintritt. Chinesische Anlagegüter verdienen jetzt und zukünftig den Status einer eigenen Klasse, sowohl in den Gedanken der Investoren als auch in der Produktpalette der Investmentgesellschaften.

Allerdings gilt jetzt mehr denn je: die vergangene Wertentwicklung ist kein Indikator für die zukünftige Performance.

Alle Artikel unserer neuen Serie “ Longterm Outlook“: https://blog.de.erste-am.com/dossier/longterm-outlook/ 

Wichtige rechtliche Hinweise:
Prognosen sind kein zuverlässiger Indikator für künftige Entwicklungen.

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