Vor rund fünfzig Jahren, am 2. März 1972, veröffentlichte die gemeinnützige Organisation Club of Rome erstmalig Analysen zu den „Grenzen des Wachstums“. Auf den rund 200 Seiten glaubten die Wissenschaftler zu belegen, dass sich begrenzte Ressourcen und grenzenloses Wachstum, gegenseitig ausschließen und analysierten die Folgen von exponentiellem Wachstum. Weltdüngemittelverbrauch, Wachstumsraten, CO2 Konzentration in der Atmosphäre, Beschaffenheit von Eisschichten sowie Lebenserwartung und Geburtenrate waren Beispiele für Daten, die in das berechnete Weltmodell einflossen. Die Ergebnisse zeigten, dass jeder Tag fortgesetzten exponentiellen Wachstums das Weltsystem näher an die endgültigen Grenzen brächte.
Fünfzig Jahre später, veröffentlicht der Club of Rome ein neues Buch mit dem Titel „Earth for All“ und stellt sich wiederum die Frage ob grünes Wachstum überhaupt möglich ist, oder ob ein Schrumpfen der Wirtschaft („Degrowth“), notwendig wäre.
Das Buch wird auch als das „Überlebenshandbuch für die Menschheit“ bezeichnet. Ein internationales Team von Wissenschaftlern und Ökonomen warnt darin, dass ein Fortbestand der Menschheit in der Form wie sie heute existiert, nur möglich wäre, wenn fünf Wendepunkte für globale Probleme, eintreten. Diese umfassen die Beseitigung der Armut, den Abbau von Ungleichheit, die Umgestaltung der Ernährungssysteme und die Energiewende sowie die Befähigung von Frauen. Diese Ziele seien auch eng miteinander verbunden, so sei z.B. ohne Umverteilung des Reichtums die globale Klimakrise nicht lösbar.
„Wir stehen am Scheideweg“
Jorgen Randers, norwegischer Professor für Klimastrategie und einer der Autoren warnt eindringlich davor, dass die Bekämpfung der globalen Ungleichheit deswegen so relevant wäre, da Ungleichheit politische Destabilisierung und wirtschaftliche Stagnation fördere. In weiterer Folge würde das eine internationale Zusammenarbeit zur Verringerung der Erderwärmung erschweren. Seit dem ersten Bericht des Club of Rome, habe sich die globale Ungleichheit noch verstärkt. In vielen Regionen würden die reichsten 10% über 50% des nationalen Einkommens verfügen. Das definierte Ziel will hier eine Umkehrung: die reichsten 10% sollten weniger als 40% des nationalen Einkommens, erhalten.
Ein weiteres Problem betreffe die globale Armut. Obwohl extreme Armut in den letzten fünfzig Jahren zurückgedrängt werden konnte, müsse laut den Autor:innen, rund die Hälfte der Welt mit rund 4$ pro Tag auskommen und sei somit von Armut betroffen. Die große Herausforderung der nächsten Jahre läge demzufolge darin, dass für einkommensschwache Länder neue Wirtschaftsmodelle angewendet werden, die unabhängig von der Verbrennung fossiler Brennstoffe sind und Investitionen in saubere Energie und nachhaltige Städte, ermöglichen.
Autor:innen fordern Umgestaltung des Ernährungs- und Energiesystems
Auch in der Ernährungsfrage schlagen die Autor:innen eine radikale Umgestaltung des Systems vor. Während rund 9% der Menschheit über keine sichere Ernährung verfüge, würden andere 8% der Weltbevölkerung unter tödlicher Fettleibigkeit leiden. Der landwirtschaftliche Sektor wird global als einer der größten Treibhausgasemittenten betrachtet. Auch die Abholzung von Wäldern sowie der Verlust der Biodiversität durch konventionelle Landwirtschaft würden dadurch verstärkt. Das im Buch definierte Ziel beschreibt ein Ernährungssystem, dass regenerativ aufgebaut ist und die planetarischen Grenzen berücksichtigt.
Einer der Schlüssel zur Erreichung dieser Ziele liegt in der Energieversorgung: „das Energiesystem steht am Beginn der größten Umwälzung seit einem Jahrhundert“, heißt es im Buch. Treibhausgasemissionen müssten jedes Jahrzehnt ab 2020 halbiert werden, um das Pariser Klimaziel zu erreichen. Nach Meinung der Autor:innen liegen Lösungen zur Erreichung dieses Ziels bereits auf dem Tisch. Außerdem stehe die Transformation des Energiesystems in enger Verbindung mit der Bekämpfung der globalen Ungleichheit: „Wenn die ärmste Mehrheit von den steigenden Energiekosten am stärksten betroffen ist, werden diese Menschen gegen die Energiepolitik protestieren.“
Schließlich wird auch die Gleichstellung der Geschlechter als nötiger Transformationsprozess beschrieben. Gesellschaften, in denen sich Gleichberechtigung bzgl. des Geschlechts durchgesetzt hat, würden aus einer Gesamtperspektive besser funktionieren. Die Forderungen in diesem Zusammenhang sind die vollständige Gleichstellung der Geschlechter bzgl. Rechte, Handlungsfähigkeit, Ressourcen etc.
Die zugrundliegenden Modelle
Grundlage des Berichts des Club of Rome sind Computersimulationen die im „Earth4All“-Modell, zusammenlaufen. Für das Buch wurden aus einer Vielzahl zur Verfügung stehender Szenarien, zwei ausgewählt: „Too little too late“ sowie „Giant Leap“. Das Szenario „Too little too late“ simuliert die Entwicklungen, wenn bestehende Systeme, wie in den letzten fünfzig Jahren, beibehalten würden. Dagegen zeigt „Giant Leap“ eine Simulation in der Wirtschaftssysteme, durch mutige, außerordentliche Bemühungen zum Aufbau einer resilienteren Zivilisation, umgestaltet werden würden.
Die Autor:innen warnen im Falle von „Too little too late“, dass globale Herausforderungen wie die Erderwärmung nicht bewältigt werden würden und die Erwärmung dann um weit mehr als zwei Grad voranschreiten würde. Weite Teile des Erdsystems würden dann klimatische und ökologische Kipppunkte erreichen, was unabwendbare Folgen für Jahrhunderte mit sich bringen würde.
Welche Transformationen umgesetzt werden müssten, wird im „Giant Leap“ Szenario beschrieben. In diesem Modell würde die Ausrichtung verschiedener globaler Organisationen die den Weltmarkt beeinflussen so umgestaltet werden, dass eine ökologische Wende sowie Investitionen in Klima, Nachhaltigkeit und Wohlergehen, im Vordergrund stünden. Außerdem würden in diesem Szenario Industrien für die Benützung gemeinsamer Ressourcen bezahlen müssen.
Vertrauensverlust durch Falschinformationen
„Die bedeutendste Herausforderung unserer Tage ist nicht der Klimawandel, der Verlust an Biodiversität oder Pandemien, sondern unsere kollektive Unfähigkeit zwischen Fakten und Fiktion zu unterscheiden“.
Diese Betrachtung, erweist sich angesichts der kollektiven Handlungsunfähigkeit bezüglich verschiedener globaler Krisen als nachvollziehbar. Den Autor:innen zufolge konnten Massenmedien die Verbreitung von Fehl- und Falschinformationen in entwickelten Gesellschaften bis zu einem gewissen Grad eindämmen, soziale Medien hätten diese Fortschritte aber wieder gelindert. Durch die Verbreitung von falschen Informationen würde eine Polarisierung der Gesellschaften vorangetrieben und ein Vertrauensverslust bewirkt, was uns daran hindere bezüglich globaler Herausforderungen kollektiv zusammenzuarbeiten. Es ginge darum, sich über Grundtatsachen zu verständigen, was so nicht mehr möglich wäre. Bildung ermögliche kritisches Denken sowie komplexes Systemdenken und sollte daher grundlegend gefördert und für alle Geschlechter gleichermaßen verfügbar gemacht werden.
Die Kehrtwende ist möglich
Nach Schätzungen der Autor:innen müsste jährlich rund 2-4% des globalen Bruttoinlandprodukts für nachhaltige Energie- und Ernährungssicherheit aufgewendet werden, um eine Kehrtwende zu ermöglichen. Angenommen wird außerdem, dass sich die globale Bevölkerung nicht mehr in einer exponentiellen Wachstumsphase befindet, sondern stagniert, was den Optimismus bezüglich der Erreichbarkeit der Ziele, unterstützt. Der Umbau der Wirtschaftssysteme müsse noch in diesem Jahrzehnt beginnen“, so Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und einer der Mit-Autoren.
Ob man es schaffen wird eine Kehrtwende zu vollziehen lassen die Autor:innen des Buches offen: “Das Ausmaß der Transformation möge entmutigend erscheinen – vielleicht aber gebe es eine gute Nachricht: Vielleicht müsse der Felsblock gar nicht einen Berg hinaufgewälzt werden. Vielleicht liege er schon nahe eines Abhangs und müsse nur noch in Bewegung gesetzt werden“.
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