Man benötigt eine Mischung aus Geschichte, Ökonomie und Politik, um durch den Alltagslärm zu hören und die großen Trends der Zukunft zu identifizieren. Das Investment Team der Erste AM beschäftigt sich in einer neuen Serie „Longterm Outlook“ mit dem Thema Digitalisierung & Industrie 4.0.
Den ersten Beitrag finden Sie hier: The next 10 years.
Digitalisierung und die Auswirkungen auf die Wirtschaft
Es besteht kein Zweifel, dass neue Technologien eine gewichtige Rolle in unserem täglichen Leben spielen un dies in Zukunft auch weiter werden. Um den Trend zu verstehen und vernünftige Schritte im Veranlagungsbereich zu setzen, bedarf es spezifischen Wissens und des Aufbaus eines spezifischen Kennzahlensystems.
Industrie 4.0[i] ist ein Begriff, der von Klaus Schwab, dem Vorsitzenden des Weltwirtschaftsforums, 2015 während der Jahreskonferenz verwendet wurde. Er bezeichnet eine Kombination aus traditionellen Plattformen der verarbeitenden Industrie und Praktiken, die sogenannte smarte Technologien miteinbeziehen. Primär fokussiert das Konzept auf großangelegte M2M (Machine to Machine / Maschine zu Maschine)-Kommunikation und das Internet der Dinge.
Die vierte industrielle Revolution
Die vierte industrielle Revolution, wie man die derzeitigen, auf Digitalisierung abstellenden Technologien auch bezeichnet, basiert auf Internet und kybernetisch-physischen Systemen wie etwa Sensoren, die große Mengen an Daten sammeln, welche von Produzenten zur Analyse und Verbesserung ihrer Arbeit herangezogen werden können. KPMG schätzt den Komponentenmarkt der Industrie 4.0 in 2020 auf USD 4 Billionen.
Was wir in den nächsten zehn Jahren erwarten können:
- Auswirkungen auf den Unternehmenssektor; Störungen im traditionellen Gewerbe; neue Technologien eröffnen neue Möglichkeiten, bestehende Bedürfnisse zu befriedigen;
- Auswirkungen auf Regierungen; die Bürger können mit der Regierung in Kontakt treten und interagieren, Meinungen kundtun und Anstrengungen konzertieren;
- Auswirkungen auf die Menschen; Austausch statt Verdrängung; Einfluss auf Identität, Eigentumskonzepte und Konsumverhalten.
Eine Studie der EZB zum Thema Digitalisierung und deren Auswirkungen auf die Wirtschaft[ii] beschreibt Digitalisierung als Technologie/Angebots-Schock, der die volkswirtschaftlichen Aggregatgrößen betrifft, wie z.B. Wettbewerb, Produktivität und Beschäftigung.
Das Resultat auf Basis von 74 führenden Nicht-Finanzunternehmen, welche für 3,7% der EU-Produktion und 1,7% der Beschäftigung verantwortlich zeichnen, ist deutlich. Mehr als 80% der Unternehmen operieren mit Big Data und Cloud Computing, und zwar mit positivem Effekt auf den Umsatz.
Digitalisierung erlaubt Preisflexibilität und somit die Möglichkeit zur Preisdifferenzierung in unterschiedlichen Märkten. Die leichtere Teilbarkeit von Wissen innerhalb und außerhalb des Unternehmens und effizientere Produktion erhöhen die Produktivität.
Überraschender Weise stellt sich der Effekt auf die Beschäftigung vor allem als Austausch statt Verdrängung der menschlichen Arbeitskraft dar, mit starkem Fokus auf die Entwicklung kritischer Fähigkeiten.
Bild: Einsatz digitaler Technologien
Um vernünftige Veranlagungsschritte zu setzen (d.h. ein Unternehmen zu kaufen oder zu verkaufen), müssen wir die Hindernisse genau analysieren, die sich einem Unternehmen im Prozess zur Digitalisierung in den Weg stellen.
Sobald ein Unternehmen offen über die Schwierigkeiten kommuniziert, Digitalisierungsprozesse zu implementieren, deutet dies auf Fortschritte im Digitalisierungsbereich hin.
Die Notwendigkeit der Anpassung bei den Unternehmensabläufen, die Einstellung qualifizierter Arbeitskräfte und Probleme bei der Ausrichtung des Unternehmens mit den Vorschriften könnten auf zukünftige Rentabilität hindeuten.
Vage Berichte zum Thema Digitalisierung und der einfache Hinweis auf erhöhte F&D-Ausgaben könnten hingegen auf ein Zombie-Unternehmen mit wenig Zukunftschancen hinweisen.
Bild: Hindernisse bei der Einführung digitaler Technologien
Ich nehme absichtlich keinen Bezug auf FinTech- oder BigTech-Unternehmen, da diese einerseits ohnedies im Fokus der Investment-Community stehen und andererseits auch nur ein Teil der Geschichte sind. Oftmals wird der Fortschritt der Digitalisierung auf Basis der Marktkapitalisierung der FAANG-Unternehmen gemessen, was irreführend ist.
Kryptowährungen stellen einen Spezialfall der Digitalisierung dar. Es gibt’s Anhaltspunkte, dass Bitcoin[iii] eventuell als Zahlungsmittel für illegale Aktivitäten zum Einsatz kommt und den ESG-Vorgaben nicht entspricht.
Blockchain als Distributed-Ledger-Technologie (Technik verteilter Kassenbücher) ist hingegen vielversprechend aufgrund der Möglichkeit, reales Vermögen zu digitalisieren.
Kernpunkte:
- Industrie 4.0 wird zu einer Effizienzsteigerung für Unternehmen in allen Sektoren führen; erfolgreiche Unternehmen werden höhere Renditen abwerfen.
- FinTech- und BigTech-Unternehmen sind nur ein Teil der Story von Industrie 4.0.
- Wir müssen ein Kennzahlensystem entwerfen, um die Gewinner zu identifizieren. Der Erfolgsbeweis liegt nicht in positiven Schlagzeilen, sondern in der Fähigkeit des Unternehmens, bei Bedarf die Organisationsstruktur zu ändern, qualifizierte Mitarbeiter anzustellen und sich dem Regulator zu stellen. No pain, no gain.
QUELLEN:
[i] https://www.weforum.org/agenda/2016/01/the-fourth-industrial-revolution-what-it-means-and-how-to-respond/
[ii] Elding, Morris: Digitalisation and its impact on the economy: insights from a survey of large companies (Digitalisierung und deren Auswirkungen auf die Wirtschaft: Erkenntnisse einer Studie von Großunternehmen)
[iii] Foley, Karlsen, Putniņš: Sex, Drugs, and Bitcoin: How Much Illegal Activity Is Financed Through Cryptocurrencies? (Sex, Drogen und Bitcoin: Wie viel illegale Aktivitäten finanzieren Kryptowährungen?)
Wichtige rechtliche Hinweise:
Prognosen sind kein zuverlässiger Indikator für künftige Entwicklungen.