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Interview: Lenzing AG zu Nachhaltigkeit

Interview: Lenzing AG zu Nachhaltigkeit
Lenzing AG Foto: Franz Neumayr 8.5.2018

Interview von Paul Severin, Erste AM mit Sébastien Knus, Head of Investor Relations Lenzing AG

Wie definieren Sie Nachhaltigkeit für Ihr Unternehmen? Welche Bereiche umfasst diese?

Nachhaltigkeit ist und bleibt das dominierende Thema unserer Zeit. Wir sehen es als Teil unserer strategischen Prinzipien und unserer Verantwortung gegenüber kommenden Generationen, den damit verbundenen Herausforderungen gerecht zu werden. Klimaschutz und nachhaltiges Handeln sind damit feste Bestandteile unserer Strategie, Treiber für Innovation und zunehmend in unser Kerngeschäft integriert.

Lenzing hat Tätigkeitsfelder im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsstrategie definiert und setzt sich innerhalb dieser konkreten Ziele, etwa die Reduktion der CO2-Emissionen sowie den Schutz und Erhalt von Wäldern. Damit tragen wir auch direkt zu einigen Zielen der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) bei.

Worauf basiert ihr Geschäftsmodell?

Unser Geschäft basiert auf dem Modell der Kreislaufwirtschaft. Wir beziehen Holz aus zertifizierter und kontrollierter Forstwirtschaft und erzeugen daraus Faserzellstoff, der in einem geschlossenen Kreislauf oder mit sehr hohen Rückgewinnungsraten zu Cellulosefasern weiterverarbeitet wird. Diese Fasern sind am Ende ihres Lebenszyklus biologisch abbaubar und kompostierbar, und können so wieder Teil des Ökosystems werden.

Es reicht allerdings nicht aus, sich auf dem inhärenten Klimavorteil, den das Geschäftsmodell der holzbasierten Fasern mit sich bringt, auszuruhen. Daher gehen wir hier einen entschlossenen Schritt weiter, indem wir die Emissionen von fossilen Energiequellen aus der eigenen Produktion sowie aus der Lieferkette drastisch reduzieren und neue Technologien entwickeln, die eine weitere Dekarbonisierung ermöglichen.

Wie sehen sie dabei ihre Rolle in der Industrie?

Mit unseren ambitionierten Klimazielen in Richtung einer CO2-freien Zukunft sind wir ein absoluter Vorreiter in der produzierenden Industrie und speziell in der Faserbranche. Unsere erheblichen Investitionen in Thailand und Brasilien, aber auch an den bestehenden Produktionsstandorten sind Ausdruck unserer Verantwortung sowie unserer Überzeugung, dass Shareholder-Value mit Nachhaltigkeitsinvestitionen gezielt gesteigert werden kann.

Die Produktinnovationen der Lenzing, wie unsere Fasern der Marke LENZING™ ECOVERO™, unsere CO2-neutralen Fasern der Marke TENCEL™ und unsere Lyocellfasern der Marke TENCEL™ x REFIBRA™, sind maßgeblich durch das Thema Nachhaltigkeit getrieben und ermöglichen es unseren Kunden und Partnern entlang der Wertschöpfungsketten, deren Nachhaltigkeitsziele zu erreichen sowie allen Konsumentinnen und Konsumenten weltweit eine natürliche Wahl zu geben.

Sie haben sich von ihrer Beteiligung an Hygiene Austria getrennt. Was waren die Beweggründe?

Die Lenzing AG hat gemeinsam mit Palmers Textil AG in den vergangenen Wochen intensiv an der Aufarbeitung der Vorwürfe rund um die Hygiene Austria LP GmbH gearbeitet. Wir führten auch mit dem Nachhaltigkeits-Team der Erste Asset Management dazu einen konstruktiven Dialog. Wir kamen zu dem Schluss, dass schon aufgrund des in der Öffentlichkeit entstandenen Bildes sofortige Maßnahmen gesetzt werden mussten. Gemeinsam mit der Palmers Textil AG wurden entscheidende Schritte gesetzt: Begleitet von einem entsprechenden Pflichtenheft für eine solide Geschäftsfortführung haben sich die beiden Gesellschafter unter anderem auf die Übertragung der Lenzing-Anteile an Palmers geeinigt. Um den gründungskonformen Fortbestand zu gewährleisten, verzichtete Lenzing zunächst auf einen entsprechenden Kaufpreis. Die Beteiligung wurde im 1. Quartal 2021 vollständig abgeschrieben.

Starke Werte und ein international anerkanntes Prozess- und Governance-System charakterisieren Lenzing. Bei der Hygiene Austria wurden in der Umsetzung allerdings Fehler gemacht. In Absprache mit dem Aufsichtsrat zog der Lenzing Vorstand für die Zukunft entsprechende Lehren.

Welche Rolle spielen bei Ihren Entscheidungen die Dialoge mit nachhaltig orientierten Investoren?

Nachhaltig orientierte Investoren bringen eine umfassende Sicht auf Unternehmen, die wir als Lenzing begrüßen. Wir stehen in regelmäßigem Austausch und in einem konstruktiven Dialog mit unseren Investoren. Nachhaltigkeit kann auch den Shareholder Value steigern. Entsprechend haben wir per se dieselben Interessen. Das Interesse nachhaltig orientierter Investoren an Lenzing ist groß und nimmt aufgrund unserer strategischen Ausrichtung auf das Thema und unserer ausgezeichneten Ratings in dem Bereich stetig zu. Lenzing unterzog sich 2020 beispielsweise erstmals einer Bewertung durch die gemeinnützige Umweltorganisation CDP und sicherte sich dabei als einziger Neueinsteiger auf Anhieb zwei Platzierungen in der A-Liste der Kategorien Klima und Wald.

Die EU hat sich zum Ziel gesetzt bis 2050 klimaneutral zu sein. Welchen Einfluss hat die EU-Taxonomie auf ihre strategischen Pläne?

Das Ziel der EU, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, deckt sich mit unserer Vision einer CO2-freien Zukunft. Die Kriterien der Taxonomie-Verordnung sind Teil unserer Nachhaltigkeitsstrategie und werden als solches auch bei zukünftigen strategischen Investitionen in die Entscheidungsfindung einfließen.

Neben Engagement ist Voting ein ebenso wichtiges Tool zu Ausübung der Aktionärsrechte. Haben Sie diesbezüglich in den letzten Jahren eine Zunahme an ESG-Anträgen beobachten können?

Eine Zunahme an ESG-Anträgen in den letzten Jahren konnten wir nicht beobachten. Nachhaltigkeit ist bei Lenzing aber auch an der Hauptversammlung ein Thema. Dieses Jahr wurde den teilnehmenden Aktionären und Aktionärsvertretern zum Beispiel die Nachhaltigkeitsstrategie inklusive der entsprechenden Roadmap zur Erreichung der Klimaziele vorgestellt.

Die diesjährige Hauptversammlung beschloss zudem die Grundsätze für die Vergütung der Mitglieder des Vorstandes. Die Vergütungspolitik der Lenzing AG für die mehrjährige, erfolgsabhängige Vergütung des Vorstandes ist demnach neben finanziellen Leistungskriterien künftig auch an nicht-finanzielle Nachhaltigkeitskriterien (ESG) gekoppelt, welche die nachhaltige Geschäftsstrategie der Lenzing AG weiter fördern.

Wo sehen Sie die Firma Lenzing in 5 Jahren?

Mit der Umsetzung des Lyocellprojekts in Thailand und den getätigten Investitionen in China und Indonesien wird Lenzing ihren Anteil der Spezialfasern am Faserumsatz bereits bis 2023 auf deutlich über die angestrebten 75 Prozent steigern, was wiederum ein wichtiger Schritt zur Erreichung des EBITDA-Ziels von 800 Mio. EUR bis 2024 ist.

Lenzing wird ihre mittelfristigen strategischen Ziele konsequent umgesetzt und die Transformation zu einem Anbieter von nachhaltig erzeugten Spezialfasern vollzogen haben. Die neue Lyocellanlage in Thailand und das Zellstoffwerk in Brasilien werden gut etabliert sein und einen wesentlichen Beitrag zum Unternehmenserfolg liefern.

Lenzing wird zu diesem Zeitpunkt auch einen Großteil ihrer Nachhaltigkeits- und Klimaziele umgesetzt und auf dem Weg zu einer CO2-freien Zukunft einen großen Schritt weiter sein. Um die großen Herausforderungen unserer Zeit zu meistern, werden wir uns aber auch weiterhin ambitionierte Ziele setzen und gemeinsam mit unseren Partnern entlang der verschiedenen Wertschöpfungsketten den systemischen Wandel vorantreiben. In Lenzing schauen wir seit mehr als 80 Jahren über unsere Fasern hinaus und übernehmen Verantwortung für kommende Generationen. Dieses Markenversprechen werden wir auch in Zukunft einhalten.

Kommentar Nachhaltigkeitsteam Erste AM:

Anfang März wurde Lenzing aufgrund der Entwicklungen bei ihrer Beteiligung an Hygiene Austria aus dem investierbaren Universum bei den ethisch-nachhaltigen Fonds exkludiert. Der Ausschluss erfolgte, da von dem Nachhaltigkeits-Investmentteam definierte Standards nicht eingehalten wurden. Diese Entscheidung wurde sehr bedauert, da Lenzing für die EAM in Sachen ESG als Paradeunternehmen gilt. Das Responsible-Team ist mit mit dem Management der Lenzing in einen konstruktiven Dialog getreten. Lenzing hat in der Zwischenzeit hinsichtlich Hygiene Austria klare Schritte gesetzt.

Einerseits wurde die Geschäftsführung neu besetzt und der Personaldienstleister neu ausgeschrieben. Andererseits wurde eine Neuorganisation des bestehenden Beteiligungsmanagements von Lenzing in die Wege geleitet, um ähnlich gelagerte Vorkommnisse in Zukunft zu vermeiden. Walter Hatak, Head of Responsible Investments in der Erste AM: „Die in Zusammenhang mit Hygiene Austria aktivierten Ausschlusskriterien fallen weg, wodurch das Unternehmen beim nächsten regulären Juni-Update in unseren ethisch-nachhaltigen Fonds wieder investierbar wird.“

Mehr Informationen:

Mehr über die Ziele und Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie „Naturally positive“ lesen Sie im Nachhaltigkeitsbericht der Lenzing Gruppe und online unter https://www.lenzing.com/de/nachhaltigkeit.

Wichtige rechtliche Hinweise:
Prognosen sind kein zuverlässiger Indikator für künftige Entwicklungen.

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