Hohe Inflation
Die Weltwirtschaft ist mit den Auswirkungen der Pandemie und des Krieges in der Ukraine konfrontiert. Die augenfälligste Entwicklung ist die hohe Inflation (OECD-Raum: 9,6% im Jahresabstand im Mai), ausgelöst durch Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage. Vergangene Woche ist in den USA die Konsumentenpreisinflation im Juni gegenüber dem Vormonat auf 1,3% angestiegen. Im Jahresvergleich betrug die Teuerung 9,1%.
Niedrige Arbeitslosenraten
Zum Teil hat sich das Wirtschaftswachstum (die Nachfrage) schneller als erwartet erholt, befördert durch sehr expansive Fiskal- und Geldpolitiken. Zu sehen ist das unter anderem an der niedrigen Arbeitslosenrate im OECD-Raum (5% im Mai). Aber auch die Angebotsseite selbst hat sich verschlechtert. Die Lieferketten sind nach wie vor beeinträchtigt und die Energie- und Nahrungsmittelpreise sind deutlich angestiegen.
Leitzinsanhebungen
Die Zentralbanken versuchen mit Leitzinsanhebungen eine Inflationsspirale zu verhindern. Mit höheren Zinsen soll die Nachfrage so weit abgeschwächt werden, dass der Inflationsdruck fällt. Das Ziel der Notenbanken ist es, eine weiche Landung zu bewerkstelligen. In der Vergangenheit wurde mit Leitzinsanhebungen jedoch oftmals eine Rezession ausgelöst.
Fallende Stimmung
Mittlerweile sind die Effekte der hohen Inflation sichtbar. Der Kaufkraftverlust reduziert die Stimmung der Konsument:innen und Unternehmen. Vergangene Woche ist in den USA die Stimmung von Klein- und Mittelbetrieben (NFIB-Index) auf unter das Niveau von Frühjahr 2020 gefallen. Dasselbe gilt für die Erwartungen für die deutsche Wirtschaft (ZEW-Index).
Angestiegene Rezessionswahrscheinlichkeit
Darüber hinaus liefern zwei wichtige US-basierte Indikatoren Hinweise für eine angestiegene Rezessionswahrscheinlichkeit. Erstens liegt bereits seit zwei Wochen die zehnjährige Referenzrendite für Staatsanleihen unter der zweijährigen Rendite (zuletzt 0,2 Prozentpunkte). Zweitens weisen die Erstanträge auf Arbeitslosenversicherung einen leicht steigenden Trend auf, nachdem sie im März ein sehr niedriges Niveau erreicht hatten. In dieser Woche werden vor allem die vorläufigen Einkaufsmanagerindizes für den Monat Juli ein wichtiges Update zur wirtschaftlichen Situation liefern.
Starker US-Dollar
Generell ist der US-Dollar im Vergleich zu vielen Währungen, nicht nur gegenüber dem Euro, stark. Gegenüber einem Währungskorb bereinigt um die Inflationsunterschiede hat der US-Dollar den höchsten Wert seit Herbst 1985 erreicht. Dieser Wert wird als real effektiver US-Dollar bezeichnet. Im September 1985 wurde im Plaza-Abkommen durch die G5-Staaten sogar eine Abwertung des US-Dollar vereinbar. Auch ohne Berücksichtigung der Inflationsunterschiede ist der US-Dollar stark. Aktuell hat der nominell effektive US-Dollar den höchsten Wert seit Frühjahr 2003 erreicht. Vom Niveau von 1985 ist der US-Dollar aber noch weit entfernt.
Wenn ein Land A (USA) attraktiver wird als Land B (Eurozone), fließt Kapital in Land A (USA). Das Resultat ist eine Festigung der Währung von Land A (USA) im Vergleich zu Land B (Eurozone). Dabei ist zu unterscheiden, ob es sich um eine zyklische Bewegung handelt, oder ob sich um eine langfristige, beziehungsweise strukturelle Verschiebung des fairen Wertes handelt.
Für die Verschiebung der Attraktivität in Richtung US-Dollar gibt es mehrere Gründe. Erstens weist der USD die Charakteristik einer antizyklischen Währung auf. Wenn die globalen Konjunkturindikatoren fallen, hat der USD in der Vergangenheit eine Festigungstendenz aufgewiesen.
Zweitens liefert die Zinsparität eine einfache aber nicht immer zutreffende Erklärung. Wenn in Land A (USA) die Zinsen stärker ansteigen als in Land B (Eurozone) festigt sich die Währung von Land A (USD). Weil sich der langfristige „faire“ Wert des Wechselkurses jedoch nicht ändert (die Kaufkraftparität), wird schlussendlich ein Wechselkursniveau erreicht (ein fester USD), ab dem die höheren Zinsen von Land A (USA), die erwartete Abschwächung der Währung von Land A (USA) gerade ausgleichen.
Mega-Zinsschritte
Die Realität ist jedoch nuancierter. Immer mehr Zentralbanken beschleunigen den Ausstieg aus der ultra-expansiven geldpolitischen Haltung. Die US-amerikanische Zentralbank hat den Leitzinssatz (oberes Band) bereits von 0,25% Anfang März auf 1,75% angehoben, während für die Europäische Zentralbank die erste moderate Leitzinsanhebung erst für den kommenden Donnerstag erwartet wird (Diskontsatz um +0,25 Prozentpunkte auf -0,25%). Zudem bekräftigte vergangene Woche der starke Anstieg des US-Konsumentenpreisindex die Erwartungen für eine Fed-Leitzinsanhebung um 0,75 Prozentpunkte am 27. Juli. Im Juni wurde der Leitzinssatz ebenfalls um 0,75 Prozentpunkte angehoben. Vergangene Woche hat die kanadische Zentralbank den Leitzinssatz von 1,5% auf 2,5% angehoben. Spekulationen für einen „Mega“-Zinsschritt auch in den USA wurden jedoch durch den Rückgang der langfristigen Inflationserwartungen im Bericht zur Konsumentenstimmung der University of Michigan gedämpft (von 3,1% im Juni auf 2,8% im Juli).
Die Zinsunterschiede zwischen den USA und der Eurozone weisen nur für dieses Jahr eine Ausweitung auf. Der im Markt gepreiste Unterschied zwischen den Drei-Monatszinssätzen für Dezember 2022 hat sich von 1,36 Prozentpunkten Anfang Jänner auf zuletzt 2,62 Prozentpunkte ausgeweitet. Der gepreiste Zinsunterschied für Dezember 2023 beträgt nur 1,56 Prozentpunkte und befindet sich sogar leicht unter dem Niveau von Anfang Jänner. Auch der Renditeunterschied zwischen den Staatsanleihen mit einer zehnjährigen Laufzeit befindet sich mit 1,74 Prozentpunkten auf dem Niveau von Anfang Jänner.
Feste Währung erhöht die Kaufkraft
Die Idee dahinter ist folgende: Schnelle Leitzinsanhebungen unterstützen die Währung. Das reduziert den Inflationsdruck, weil die Importpreise dadurch gedämpft werden. Dieser Wirkungskanal ist aktuell besonders relevant, weil ein guter Teil der hohen Inflation von der externen Seite stammt. Je fester die Währung, desto mehr wird die Inflation mittelfristig gedämpft, weshalb die Zentralbank den Leitzinssatz auf ein geringeres Niveau anheben muss.
Zwei strukturelle Euro-Probleme
Der Euro ist jedoch zusätzlich mit zwei anderen Problemen konfrontiert. Erstens, weil es keine gemeinschaftliche Wirtschafts- und Fiskalpolitik in der Eurozone gibt, besteht ein Restrisiko für ein Auseinanderbrechen der Eurozone. Darauf weist auch die aktuelle Regierungskrise in Italien hin. Die EZB bastelt gerade an einem Anti-Fragmentierungs-Instrument. Details werden für den kommenden Donnerstag im Rahmen der EZB-Sitzung erwartet. Zweitens ist Europa von Gaslieferungen aus Russland abhängig. Wenn die Gaslieferungen durch Nord Stream 1 diese Woche nicht hochgefahren werden, steigt die Wahrscheinlichkeit für eine schwere Rezession in Europa an. Aber auch wenn die Gaslieferungen hochgefahren werden, zeichnet sich für Europa ein permanent höheres Energiepreisniveau ab. Die höheren Kosten bedeuten eine geringere Wettbewerbsfähigkeit. Das impliziert einen Rückgang des langfristigen fairen Wechselkurses zwischen dem US-Dollar und dem Euro.
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Wichtige rechtliche Hinweise:
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