Rund zwei Wochen nach den überraschenden Terrorangriffen der im Gazastreifen herrschenden radikalislamischen Hamas auf Ziele in Israel ist ein Ende des militärischen Konflikts in dem Land vorerst nicht absehbar. Auch an den Finanz- und Rohstoffmärkten ist der Krieg in der Region weiter das bestimmende Thema. Für Unsicherheit sorgen vor allem die weltweiten Sorgen, dass sich der Konflikt möglicherweise auf andere Länder im Nahen Osten ausweiten könnte.
Gold- und Ölpreise legen zu
So hat der Goldpreis seit dem Ausbruch der Krise deutlich zugelegt. Zuletzt lag der Preis für das als sicherer Anlagehafen in Krisenzeiten geltende Edelmetall bei rund 1.980 US-Dollar je Feinunze (Quelle: LSEG Datastream) und nähert sich damit weiter der Marke von 2.000 Dollar.
Die Rohölpreise haben ebenfalls stark zugelegt, kamen zuletzt aber wieder etwas zurück. Knapp vor Ausbruch der Krise lag der Preis für ein Fass (159 Liter) der Referenz-Ölsorte Brent bei knapp unter 85 Dollar und in den vergangenen Wochen auf zeitweise fast 94 Dollar an. Zuletzt hielt der Brent-Preis am Dienstagvormittag bei leicht über 90 US-Dollar (Quelle: LSEG Datastream).
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Der Ölpreis ist wahrscheinlich der wichtigste Wirkungskanal zwischen dem Konflikt und der Weltwirtschaft, wie Erste-AM-Chefvolkswirt Gerhard Winzer kommentiert. Ein schneller und starker Preisanstieg würde einen Preisschock darstellen. Dieser würde die Kaufkraft von Konsumenten und Unternehmen reduzieren, den fallenden Inflationstrend stoppen und den Druck auf die Zentralbanken erhöhen, die Leitzinsen weiter anzuheben. Auch die Konjunkturstimmung würde darunter leiden. Alles Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit für eine Rezession ansteigen lassen würden.
Bodenoffensive von Israel könnte bald bevorstehen
Seit dem Angriff der Hamas am 7. Oktober hat Israels Armee Hunderte von Zielen im Gazastreifen bombardiert. Es wird erwartet, dass die angekündigte Bodenoffensive des israelischen Militärs in dem Gebiet nun kurz bevorstehen könnte. Vor diesem Hintergrund hat Israel in der Nacht auf Sonntag die Luftangriffe auf den Gazastreifen massiv verstärkt. Die Hamas meldete nach den Angriffen mindestens 80 Tote.
Israels Verteidigungsminister Yoav Galant rechnet mit möglicherweise monatelangen Kämpfen. „Es kann einen Monat dauern, zwei oder drei, aber am Ende wird es keine Hamas mehr geben“, sagte Galant am Sonntag. Bevor die Hamas auf israelische Streitkräfte am Boden treffe, werde „der Feind“ zunächst mit Luftschlägen konfrontiert werden. Die nächste Etappe werde „bald kommen“. Die israelische Strategie bestehe darin, in Vorbereitung der nächsten Phase des Militäreinsatzes die Hamas zu schwächen, erklärte Oberstleutnant Jonathan Conricus dem US-Sender Fox TV.
Seit Beginn des Kriegs zwischen Israel und der Hamas haben sich auch die Angriffe aus dem Libanon auf Israel verstärkt. Es besteht die Sorge, dass die vom Iran unterstützte Schiitenorganisation Hisbollah ihre Angriffe auf Israel weiter intensivieren könnte. Die Hisbollah gilt als weitaus mächtiger als die Hamas. Die israelische Armee wirft der mit der Hamas verbündeten Gruppierung vor, den Libanon in einen Krieg hineinziehen zu wollen.
USA rüsten sich für mögliche Ausweitung des Konflikts
Auch die USA befürchten eine mögliche Ausweitung des Konflikts im Nahen Osten. „Wir sind besorgt über eine mögliche Eskalation“, sagte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin am Sonntag dem Fernsehsender ABC. In den vergangenen Tagen hatte es nach Pentagon-Angaben mehrere Drohnenangriffe oder versuchte Angriffe auf US-Militärstützpunkte in Syrien und im Irak gegeben. Die USA wollen ihre militärische Präsenz im Nahen Oste daher verstärken, um die eigenen Einheiten zu schützen und eine abschreckende Botschaft auszusenden. Austin hatte am Wochenende angekündigt, weitere Waffensysteme ins östliche Mittelmeer zu verlegen. Zuvor hatten die USA zur Abschreckung bereits mehrere Kriegsschiffe ins östliche Mittelmeer verlegt.
US-Außenminister Antony Blinken äußerte sich ebenfalls alarmiert. „Wir sind besorgt“, sagte er am Sonntag dem Sender NBC. „Wir ergreifen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass wir unsere Leute wirksam verteidigen und entschlossen reagieren können, wenn es nötig ist.“ Blinken betonte zugleich, die USA wollten keine Eskalation des Konflikts. „Wir wollen nicht, dass sich eine zweite oder dritte Front entwickelt“, betonte Biden. „Das ist im Interesse von niemandem, und genau deshalb haben wir eine sehr deutliche Botschaft ausgesandt, um zu versuchen, die Hisbollah abzuschrecken und direkter auch den Iran davon abzuhalten, eine zweite Front zu eröffnen.“
Bemühungen auf diplomatischer Ebene gehen weiter
Aber auch die Bemühungen um eine diplomatische Eindämmung des Konflikts laufen auf Hochtouren, vorerst allerdings erfolglos. Staats- und Regierungschefs aus aller Welt haben am Wochenende auf einem Nahost-Gipfel in Kairo eine Feuerpause zwischen Israel und der Hamas gefordert. Dieser solle unter anderem „massive“ humanitäre Hilfe für die notleidende Zivilbevölkerung im Gazastreifen ermöglichen, forderte am Samstag in Kairo UNO-Generalsekretär António Guterres. In dem Palästinensergebiet kamen nach tagelangem Warten inzwischen die ersten Lastwagen mit Hilfsgütern an. Es müsse „viel mehr“ Hilfe für die 2,4 Mio. Bewohner des palästinensischen Gebietes geben, sagte Guterres. Auch Jordaniens König Abdullah II., dessen Land ebenso wie Gipfel-Gastgeber Ägypten seit Jahrzehnten zu den Vermittlern im Nahostkonflikt zählt, forderte eine „sofortige Waffenruhe“.
Hoffnung auf eine Entspannung gab es bei der Konferenz allerdings nicht, auch weil Israel nicht eingeladen war. An dem Gipfel nahmen auch EU-Ratspräsident Charles Michel sowie Regierungschefs beziehungsweise Außenminister mehrerer europäischer Länder teil. Auch Vertreter der USA, Russlands, Chinas, Japans und Kanadas waren an Ort und Stelle.
In der abgelaufenen Woche war bereits ein brasilianischer Resolutionsentwurf zur Krise mit Fokus auf humanitärer Hilfe im UNO-Weltsicherheitsrat am Veto der USA gescheitert. Zuletzt haben nun die USA dem Sicherheitsrat einen eigenen Entwurf vorgelegt. Darin gehe es vor allem um die Freilassung der von der Hamas in den Gazastreifen verschleppten Geiseln, hieß es am Sonntag aus Diplomatenkreisen. Ob und wenn ja, wann die Resolution dem Rat zur Abstimmung vorgelegt werden könnte, war zunächst nicht klar. Ein Veto Russlands gilt allerdings als wahrscheinlich.
Notenbanker und Ökonomen warnen vor möglichen konjunkturellen Folgen
Ökonomen und Notenbanker warnten zuletzt vor den möglichen konjunkturellen Auswirkungen der Krise im Nahen Osten. Der Konflikt könnte aus Sicht von Griechenlands Notenbankchef Yannis Stournaras die Wirtschaft im Euroraum vor Herausforderungen stellen. „In Anbetracht der Tatsache, dass die Eurozone weiterhin ein großer Netto-Energieimporteur ist, wird das wahrscheinlich eine stagflationäre Auswirkung haben, wenn es zu einem Problem wird“, sagte das EZB-Ratsmitglied der „Financial Times“ in der vergangenen Woche.
Eine Häufung negativer Angebotsschocks (Lieferketten, Gaspreis, Ölpreis,…) würde zu einem Anstieg der langfristigen Inflationserwartungen führen, schreibt Chefvolkswirt Gerhard Winzer. Seitens der Notenbanken bräuchte es wohl eine noch restriktivere Geldpolitik, also deutlich höhere Leitzinsen, um die Inflation zu reduzieren.
„Die Eskalation im Konflikt zwischen der Hamas und Israel unterstreicht einmal mehr, dass die ruhigen geopolitischen Zeiten vorüber sind.“
Gerhard Winzer
Chefvolkswirt Erste Asset Management
Auch das Ifo-Institut sieht mögliche negative Folgen für die Konjunktur in Deutschland. „Die deutsche Industrie ist sowieso durch die eher schwächelnde globale Industriekonjunktur schon beeinträchtigt“, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest Mitte Oktober zur Nachrichtenagentur Reuters in Berlin. Derzeit blieben die Auswirkungen womöglich noch begrenzt, sagte Fuest. Dies dürfte sich allerdings ändern, sollten die USA oder der Iran in den Konflikt eingreifen.
Die Eskalation im Konflikt zwischen der Hamas und Israel unterstreicht laut Winzer einmal mehr, dass die ruhigen geopolitischen Zeiten vorüber sind. Häufigere und stärkere Schwankungen beim Wirtschaftswachstum und bei der Inflation könnten die Folge sein. Das bedeutet theoretisch einen Anstieg der Risikoprämien auf den Märkten, sowohl bei Aktien als auch bei Anleihen.
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