Angesichts der wieder steigenden Infektionszahlen in einigen Regionen arbeiten Forscher weltweit fieberhaft an möglichen Impfstoffen gegen das Corona-Virus und Medikamenten für die Behandlung der von dem Virus ausgelösten Lungenkrankheit COVID-19. Das internationale Rennen von Pharmafirmen und Universitäten um die Entwicklung eines Corona-Impfstoffs kommt mittlerweile voran. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden derzeit schon 25 Kandidaten klinisch getestet.
Bevor ein Wirkstoff als Medikament am Markt zugelassen wird, muss er mehrere Testphasen durchlaufen. Am Anfang stehen die sogenannten präklinischen Studien. Nach der Entwicklung des Impfstoffs im Labor wird er zunächst „in vitro“ – also quasi im Reagenzglas – an organischen Molekülverbindungen und Zellkulturen getestet. Darauf folgen Tests an lebenden, nicht menschlichen Organismen – von einfachen Bakterien bis zu Versuchstieren. 141 Impfstoffkandidaten befinden sich laut WHO derzeit in dieser vorklinischen Testphase.
Aussichtsreiche Wirkstoffkandidaten werden dann zu klinischen Studien zugelassen. In der sogenannten „Phase 1“ wird ein Wirkstoff zunächst an gesunden, freiwilligen Versuchskandidaten getestet. Hier soll zunächst nur die generelle Verträglichkeit und Unbedenklichkeit der Anwendung gezeigt werden. Verläuft diese Phase erfolgreich rückt der Wirkstoff weiter in Phase 2 und Phase 3 vor. In Phase 2 soll zunächst mit einer kleinen Gruppe von tatsächlichen Patienten die generelle Wirksamkeit des potenziellen Medikaments gezeigt werden. In Phase 3 wird schließlich eine größere Gruppe von Patienten mit dem Wirkstoff behandelt, auch um Fragen wie Dosierung und Nebenwirkungen zu klären. Erst bei erfolgreicher Absolvierung der Phase 3 kann die Marktzulassung für ein Medikament beantragt werden.
Schon fünf Impfstoffkandidaten in letzter Testphase vor Zulassung
Fünf Impfstoffkandidaten befinden sich laut WHO schon in Phase 3 und stehen damit auf der letzten Stufe vor einer potenziellen Marktzulassung. Darunter befinden sich drei von chinesischen Instituten entwickelte Wirkstoffe. Das chinesische Pharmaunternehmen Sinovac hat etwa zuletzt die dritte Testphase seines Impfstoffkandidaten in Brasilien gestartet.
Weit voran ist auch ein von der Universität Oxford gemeinsam mit dem britischen Pharmakonzern AstraZeneca entwickelter Wirkstoff. Der Impfstoff erwies sich laut einer im Fachmagazin „The Lancet“ veröffentlichten Studie in den bisherigen Testreihen als gut verträglich und sorgte für die Bildung von Antikörpern sowie für eine Immunisierung gegen Covid-19. Die Ergebnisse der entscheidenden dritten Testphase werden im Herbst erwartet.
Ist diese erfolgreich, will der Pharmakonzern bis Ende des Jahres einen Coronavirus-Impfstoff auf den Markt bringen. Dieser soll laut AstraZeneca-Chef Pascal Soriot weltweit „zum Selbstkostenpreis“ von ungefähr 2,50 Euro pro Einheit verkauft werden. An der Börse wurden die Aussicht auf einen Corona-Impfstoff gut aufgenommen, seit Jahresbeginn hat die AstraZeneca-Aktie rund 13 Prozent zugelegt.
Schon zugelassen zu Phase 3 wurde auch ein Impfstoff des US-Pharmakonzerns Moderna. Das Unternehmen erhielt zuletzt einen Zuschuss über 486 Mio. US-Dollar von der US-Regierung. Im Rahmen ihres Programms „Warp Speed“ im Kampf gegen das Virus hat die US-Regierung schon mehrere Impfstoffprojekte mit gewaltigen Summen gefördert.
13 Wirkstoffe befinden sich laut WHO derzeit zumindest teilweise schon in Phase-2-Studien. Große Hoffnungen werden hier auf vom US-Pharmakonzern Pfizer gemeinsam mit dem deutschen Biopharmaunternehmen BioNTech entwickelten Impfstoff gesetzt. Anders als AstraZeneca und Chinas Pharmakonzerne arbeiten die beiden Unternehmen mit einem Impfstofftyp, der Ribonukleinsäure verwendet. Dieser chemische Botenstoff enthält Anweisungen zur Herstellung von Proteinen. Der Körper erkennt diese virusähnlichen Proteine als Eindringlinge und kann dadurch eine Immunantwort gegen das eigentliche Virus auslösen.
Zu insgesamt vier RNA-Impfstoffkandidaten von BioNTech und Pfizer laufen derzeit in den USA und in Deutschland Studien der Phase I und II. Erste Ergebnisse dieser Studien in den USA sind Experten zufolge positiv ausgefallen. 45 Probanden hatten Antikörper gegen den Erreger SARS-CoV-2 entwickelt. Unklar ist aber noch, ob diese Antikörper tatsächlich vor einer Infektion schützen. Das sollen weitere Tests mit bis zu 30.000 Probanden zeigen.
Möglichst bald wollen Pfizer und BioNTech nun mit weiteren Studien der Phase 3 starten. So hat das besonders stark von der Pandemie betroffene Brasilien nach Sinovac und AstraZeneca zuletzt auch den deutsch-amerikanischen Impfstoffkandidaten für Tests zugelassen. Wenn die noch anstehenden Studien erfolgreich verlaufen, soll im Oktober das Zulassungsverfahren beantragt werden. Die USA haben bereits über 100 Millionen Dosen mit dem Wirkstoff für knapp 2 Mrd. Dollar geordert.
Impfstoff-Phantasie beflügelt Aktienkurse
Mit der Hoffnung auf einen Impfstoffkandidaten hat BioNTech zuletzt auch an der Börse für Aufmerksamkeit gesorgt. Das Unternehmen ist seit Oktober 2019 an der US-Technologiebörse Nasdaq notiert. Seit Jahresbeginn hat der Kurs der Hinterlegungsscheine (ADR) von BioNTech schon rund 161 Prozent zugelegt. Mit einer Kapitalerhöhung hat das Unternehmen zuletzt rund 512 Mio. Dollar eingesammelt und sich damit weitere Mittel für die Impfstoffentwicklung sichergestellt.
Klinische Studien gestartet hat mittlerweile auch der deutsche Impfstoffentwickler CureVac. Mitte 2021 soll sein Wirkstoff marktreif sein. Auch CureVac plant einen Börsengang in den USA. Hauptinvestor bei CureVac ist derzeit Dievini, die Beteiligungsgesellschaft des SAP-Gründers Dietmar Hopp. Daneben sind zuletzt sowohl der deutsche Staat mit 23 Prozent als auch die britische Pharmafirma GlaxoSmithKline mit rund 10 Prozent bei CureVac eingestiegen.
Auch die österreichisch-französische Valneva mit einem Forschungsstandort in Wien arbeitet derzeit an einem Impfstoffkandidaten. Das aus der Fusion der österreichischen Intercell mit der französischen Vivalis entstandene Unternehmen will im November oder Dezember mit den klinischen Studien seines potenziellen Corona-Impfstoffes starten. Der Börsenkurs von Valneva hat sich heuer vor diesem Hintergrund bereits fast verdoppelt.
Neben der Entwicklung von neuartigen Impfstoffen gegen das Corona-Virus wird weltweit auch die Wirksamkeit schon existierender Medikamente für die Behandlung getestet. Hoffnungen liegen etwa auf dem Medikament Remdesivir des US-Pharmakonzerns Gilead. Das Mittel wurde ursprünglich zur Behandlung der Viruserkrankung Ebola entwickelt, aber nie für diesen Einsatz zugelassen.
Remdesivir gilt nun als eine von wenigen wirksamen Arzneien bei schweren Fällen der vom Virus ausgelösten Lungenkrankheit. Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA hatte die Zulassung für Patienten ab zwölf Jahren empfohlen. Ärzte sehen Remdesivir nicht als Allheilmittel, wohl aber als Lichtblick für Corona-Patienten. Das von Nichi-Iko Pharmaceutical hergestellte Medikamant Dexamethason zeigt Studien zufolge ebenfalls eine geringere Sterblichkeit bei Patienten und wurde in Japan nun zur Behandlung zugelassen.
Österreichische Marinomed vor Test ihres Wirkstoffs Carragelose
Auch die börsenotierte österreichische Marinomed will in einer klinischen Studie ihren Wirkstoff Carragelose im Einsatz gegen das Coronavirus testen. Zelltests hatten gezeigt, dass Carragelose das Potenzial habe, das Risiko, an Covid-19 zu erkranken, zu reduzieren oder auch die Krankheit zu behandeln.
Das Biotech-Unternehmen hat bereits Produkte gegen Erkältungskrankheiten mit dem Wirkstoff zur Anwendung in Nase und Rachenraum am Markt. Nun soll nächstes Jahr ein Produkt zur Inhalation auf den Markt kommen, das in der Lunge gegen den Virus wirkt – „sofern die klinischen Daten das erlauben“, sagte die wissenschaftliche Leiterin von Marinomed, Eva Prieschl-Grassauer, bei einer Pressekonferenz.
Bei steigender Konzentration des Wirkstoffs könnten mehr als 90 Prozent des Virus unterdrückt werden. Das Produkt wurde zum Einsatz gegen Erkältungskrankheiten entwickelt, um die Zellen vor dem Eindringen von Viren zu schützen. Nun habe ein Zelltest gezeigt, dass der Wirkstoff die Zellen auch vor dem neuartigen Coronavirus schützen könne.
ERSTE STOCK BIOTEC profitiert von steigenden Gesundheitsausgaben
Einige der erwähnten Unternehmen sind auch im Portfolio des ERSTE STOCK BIOTEC enthalten. Der im April 2000 aufgelegte Aktienfonds der Erste Asset Management zeigt im heurigen Jahr eine positive Performance von 2,8 Prozent* (per 24.7.2020, Quelle Reuters Eikon), auf 5 Jahre berechnet beträgt die Wertentwicklung minus 0,62 Prozent pro Jahr*, siehe Grafik. Seit dem Fondsstart wurde eine beachtliche Wertsteigerung von 8,9 Prozent pro Jahr* vollzogen.
Fondsmanager Harald Kober, der die Entwicklung von Corona-Impfstoffen genau beobachtet, glaubt nicht, dass es nur das eine Heilmittel gibt oder nur ein Impfstoff den Durchbruch schaffen wird. Es werde mehrere Wirkstoffe von unterschiedlichen Firmen geben, die unterschiedliche Wirkungsweisen hätten – etwa für Ältere oder andere Gruppen – so Kober in einem Interview mit der Tageszeitung Die Presse. Ob damit das große Geld zu verdienen sei, sei fraglich, zumal viele Unternehmen ihre Präparate zum Selbstkostenpreis zur Verfügung stellen wollten. Zudem gebe es noch Unklarheiten, etwa zu der Frage, wie lange die Geimpften immun bleiben oder wie viele Dosen benötigt werden.
Wird Corona das „große Geschäft“?
Der Biotechnologie-Sektor profitiere von vielen anderen Betätigungsfeldern wie zum Beispiel der Bekämpfung verschiedener Krebsarten oder Krankheiten, für die es noch keine wirksame Behandlung gebe. Die Covid-Krise habe vor Augen geführt, wie wichtig die teure Forschung und Entwicklung sei. Angesichts der alternden Weltbevölkerung sei es auch nötig die Diagnostik voranzutreiben, um die öffentlichen Kassen zu entlasten. Die Branche werde unabhängig von der Konjunktur wachsen, unterstreicht Kober.
AnlegerInnen, die den Einstieg in den Biotechnologie-Sektor erwägen, sind gut beraten mit einer breiten Streuung, wie sie beispielsweise im ERSTE STOCK BIOTEC gegeben ist. Denn in der Vergangenheit hat sich oft gezeigt, dass die Aktienkurse chancenreicher Unternehmen rasch steigen, aber auch umso schneller fallen können, wenn die hohen Erwartungen enttäuscht werden.
Umgekehrt verspricht der Biotechnologie-Sektor im Hinblick auf die Alterung der Gesellschaft und immer noch zahlreicher nicht besiegter Krankheiten überdurchschnittliche Wachstumschancen. Ein entsprechend langfristiger Anlagehorizont ist unbedingt einzuplanen.
Wichtige rechtliche Hinweise:
Prognosen sind kein zuverlässiger Indikator für künftige Entwicklungen.