Fallende Wirtschaftsindikatoren
Eine Reihe von Wirtschaftsindikatoren hat in der vergangenen Woche auf die zunehmenden Wachstums- beziehungsweise Rezessionsrisiken hingewiesen. Die hohe Inflation dämpft die Kaufkraft und die angestiegenen Zinsen treffen bereits die zinssensitiven Segmente der US-Volkswirtschaft, beispielsweise die Baubranche.
Die vorläufigen Einkaufsmanagerindizes für den Monat Juli zeigten einen Rückgang in allen Ländern (Australien, Japan, Deutschland, Frankreich, Eurozone, UK, USA). Besorgniserregend ist der Rückgang der Gesamtzahl (Zusammenschau aus Fertigungs- und Servicesektor) in Deutschland (48), der Eurozone (49,4) und den USA (47,5) unter die Marke von 50. Ein Wert unter dieser Marke zeigt an, dass die Geschäfte im betroffenen Sektor im Vergleich zum Vormonat schrumpften, während Werte über 50 Wachstum signalisieren.
In den USA sind mehrere Indikatoren für den Immobilienmarkt (NAHB Housing Market Index, Baubeginne, Baugenehmigungen, Verkäufe bestehender Häuser), die Umfrage für die Geschäftsaussichten der Philadelphia Fed und der Frühindikatorindex des Conference Board weiter gefallen. In der Eurozone hat die Umfrage der Europäischen Zentralbank zur Kreditvergabe der Banken eine deutliche Verschärfung der Kreditvergaberichtlinien gezeigt und die Konsumentenstimmung ist weiter gefallen. Auf der Marktseite liegt in den USA die 10-jährige Referenzrendite bereits die dritte Woche in Folge unter der 2-jährigen Rendite (0,22 Prozentpunkte).
Hohe Inflation
Die Inflationsraten sind nach wie vor überraschend hoch. Vergangene Woche war das Vereinigte Königreich an der Reihe. Die Konsumentenpreisinflation stieg im Monat Juni um 0,8% im Monatsabstand und auf 9,4% im Jahresabstand an. Im Einklang damit signalisierte der Governor der Bank of England (BoE), Andrew Baily, eine Leitzinsanhebung im August um 0,5 Prozentpunkte. Seit Dezember 2021 hat die BoE bereits fünfmal den Leitzinssatz von 0,1% auf mittlerweile insgesamt 1,25% angehoben.
EZB beendet Negativzinspolitik
Spät aber doch hat auch die Europäische Zentralbank (EZB) mit dem Ausstieg aus der ultra-expansiven geldpolitischen Haltung begonnen. Am vergangenen Donnerstag hat die EZB ihre drei Leitzinsen um jeweils einen halben Prozentpunkt angehoben. Hervorzuheben ist die Anhebung des Diskontsatzes von -0,5% auf 0%. Die seit dem Jahr 2014 andauernde Negativzinspolitik ist damit beendet, wobei die Anhebung stärker war als noch im Juni signalisiert. Für die Zukunft stellte die EZB zwar weitere Anhebungen in Aussicht, die Forward Guidance wurde jedoch aufgeweicht. Es gibt keine Indikation über das Ausmaß der Zinsanhebung für eine bestimmte EZB-Sitzung. Die Zinsentscheidungen werden künftig von der Datenlage abhängig sein.
Transmission Protection Instrument
Gleichzeitig wurde von der EZB ein neues Instrument vorgestellt: das Transmission Protection Instrument (TPI). Das TPI kann laut EZB aktiviert werden, um einer ungerechtfertigten, ungeordneten Marktdynamik entgegenzuwirken, die eine ernsthafte Bedrohung für die Übertragung der Geldpolitik im gesamten Euro-Währungsgebiet darstellt. Es gibt keine Einschränkungen über die Höhe oder die Dauer der Ankäufe. Zwar wurden einige Eignungskriterien für das TPI genannt, im Wesentlichen basierend auf der fiskalischen Gesamtlage eines Landes, jedoch ist die operationale Umsetzung unklar. Wann ein Anstieg des Renditeaufschlags für das Länder-Kreditrisiko ungerechtfertigt ist, also nicht mit einer Verschlechterung des volkswirtschaftlichen Umfeldes im Einklang steht, ist letztendlich subjektiv. Am ehesten würde das zutreffen, wenn in einem Land (zum Beispiel Spanien) die Renditeaufschläge stark ansteigen, weil es in einem anderen Land (zum Beispiel Italien) eine Verschlechterung gibt – als von sogenannten Überwälzungseffekten gesprochen werden kann.
Fed-Zinsanhebung
Für die Zinsentscheidung der Fed am morgigen Mittwoch wird eine Anhebung um weitere 0,75 Prozentpunkte auf 2,5% (oberes Band) erwartet. Besonderes Augenmerk wird darauf gerichtet sein, ob die Fed die zugenommenen Wachstumsrisiken in das Argumentarium für die Zinspolitik aufnimmt.
Inflationserwartungen
Ob es sich bei der hohen Inflation um eine kurzfristige oder langfristige Entwicklung handelt, hängt entscheidend von der Entwicklung der Inflationserwartungen ab. Es gibt immer mehr wissenschaftliche Untersuchungen, die vorschlagen, dass die Inflationserwartungen maßgeblich von der Entwicklung der Inflation in der Vergangenheit beeinflusst werden. Wenn die Inflation für längere Zeit niedrig ist, kümmert die Leute diese wenig. Wenn sie jedoch für einige Zeit auf einem erhöhen Niveau liegt, wird die Inflation zu einem wichtigen Thema. Die Inflationserwartungen können dann deshalb permanent ansteigen, weil die Inflation an sich angestiegen ist. Man spricht hierbei von einer adaptiven Erwartungsbildung, also einer Erwartung, die aus Vergangenheitswerten gebildet wird.
Das aktuelle Risiko liegt damit in einer Inflationsspirale. In diesem Zusammenhang steht der US-Arbeitskostenindex für das 2. Quartal in dieser Woche im Fokus. Im ersten Quartal stiegen die Arbeitskosten bereits um 4,5% an.
Geldpolitik und Wirtschaftswachstum
Die Zentralbanken versuchen mit Leitzinsanhebungen eine Inflationsspirale zu verhindern. Mit höheren Zinsen soll das Wirtschaftswachstum, also die Nachfrage, so weit abgeschwächt werden, dass der Inflationsdruck fällt. Die Zentralbanken wollen eine weiche Landung bewerkstelligen. In der Vergangenheit wurde mit Leitzinsanhebungen jedoch oftmals eine Rezession ausgelöst.
Geldpolitik und Inflation
Das Problem mit einer restriktiven Geldpolitik ist, dass es in der Beziehung zwischen Zinsen und Inflation viele Unsicherheiten gibt. Unter anderem könnte es sein, dass strukturelle Faktoren wie Demografie und (De-)Globalisierung sowie externe Schocks (Pandemie, Energie- und Nahrungsmittelpreise) die Inflationsentwicklung maßgeblich beeinflussen und die Geldpolitik überraschend wenig Einfluss auf die Inflationsentwicklung hat.
Politische Unsicherheit in Italien
In Italien ist Premierminister Mario Draghi zurückgetreten. Für den 25. September sind vorgezogene Neuwahlen angesetzt worden. Die angestiegene politische Unsicherheit ist in der aktuellen Situation besonders schädlich. Der Pfad für die Entwicklung der Staatsschulden ist damit unsicherer geworden (Konsolidierung, Stabilisierung oder weiterer Anstieg). Auf der geopolitischen Ebene könnte der Zusammenhalt in Europa gegenüber Russland schwächer werden.
Geopolitik und Energiesicherheit
Auf der Ebene der Energiesicherheit bedeutet die Wiederaufnahme von Gaslieferungen aus Russland via Nord Stream 1, dass es zu keinen unmittelbaren Rationierungen kommt. Unmittelbar kommt es damit zu keinem zusätzlichen Ereignis, dass die wirtschaftliche Aktivität dämpft. Für das zweite Halbjahr bleibt das Risiko dafür jedoch bestehen.
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Wichtige rechtliche Hinweise:
Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für künftige Wertentwicklungen.