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Schaden macht klug – Herdenpanik und die Lehren daraus

Schaden macht klug – Herdenpanik und die Lehren daraus
(c) unsplash

Am vergangenen Wochenende geriet zum dritten Mal innerhalb von zwei Monaten eine US-Bank in Turbulenzen. Nachdem im März bereits die Signature Bank und die Silicon Valley Bank (SVB) in die Krise schlitterten, nachdem Kund:innen Gelder in Milliardenhöhe abgezogen hatten, traf es nun die First Republic Bank. Am vergangenen Wochenende wurde die Bank im Rahmen einer Notrettung von der US-amerikanischen Großbank JP Morgan Chase übernommen.

Die negativen Auswirkungen der Leitzinsanhebungen

Bis in den vergangenen März hatten die Leitzinsanhebungen kaum negative Auswirkungen auf die Realwirtschaft. Jedoch änderte sich das schlagartig als die ersten Finanzinstitute ins Wanken gerieten und sich Herdenpanik an den Finanzmärkten ausbreitete. Gar ein Déjà-vu der Großen Finanzkrise wurde hochbeschworen, was die Panik nur zusätzlich befeuerte.

Man gewinnt nun fast den Eindruck, als ob es seit Beginn des Millenniums eine Häufung an Bankenkrisen und Bank Runs aufgrund von Missmanagement und unzureichender Risikohandhabung gibt. Zu Recht wird die Frage gestellt, ob die Finanzmarktstabilität gefährdet ist und ob Lehren aus vergangenen Krisen womöglich zu kurz greifen.

SVB-Pleite bereitet starkem Jahresstart ein Ende

Der Jahresstart 2023 war für Banken bzw. Finanztitel durchaus ein fulminanter an den internationalen Märkte. In Europa stand per 08.03.2023 eine YtD-Performance von 7% im Financial Service Sektor zu Buche. Als die Silicon Valley Bank (SVB) jedoch einen Tag später bekannt gab, dass Kund:innen im großen Stil Einlagen abziehen, wurde der Party ein jähes Ende gesetzt. Die Bank musste Staats- und Hypothekaranleihen mit massiven Buchwertverlusten verkaufen um die Abflüsse zu bedienen.

Obwohl die US-Bankenaufsichtsbehörde (FDIC) einschritt, die SVB für insolvent erklärte und die Kontrolle übernahm, zogen Kund:innen an einem einzigen Tag knapp ein Viertel der Gesamteinlagen ab. Beruhigung kehrte erst ein als gemeinsam mit der Federal Reserve ein neues Liquiditätshilfeprogramm auf die Beine gestellt wurde. Im Nachhinein stellte sich das jedoch als die buchstäbliche Ruhe vor dem Sturm heraus.

Wenige Tage später kam die altehrwürdige Crédit Suisse massiv unter Druck. In eine Reihe von Skandalen reihte sich eine salopp formulierte Bemerkung des saudischen Großaktionärs, der klarstellte keine weiteren Investitionen in die Bank zu tätigen. Das führte zu einem regelrechten Ausverkauf der Aktie.

Quelle: Refinitiv Datastream; Hinweis: Die Entwicklung in der Vergangenheit ist kein zuverlässiger Indikator für künftige Wertentwicklungen.

Die Schweizer Nationalbank pumpte daraufhin großzügige Liquiditätshilfen in die strauchelnde Bank, was kurzfristig den Aktienkurs stabilisierte. Orchestriert von der Schweizer Nationalbank, wurde jedoch an einer Fusion mit der Rivalin UBS gearbeitet inklusive bundesbesicherter Liquiditätsdarlehen. Raschem Agieren der Zentralbanken sei Dank, dass Ansteckungsrisiken auf andere Institute und ein Vertrauensverlust eingedämmt wurden.

Das Gefährliche an Bank Runs

Ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt, dass Bankenkrisen und Bank Runs keineswegs ein Novum des 21. Jahrhunderts sind und gleichzeitig etwas Bittersüßes verkörpern. Zwar beschneiden sie seit jeher die volkswirtschaftliche Stabilität. Sie fungieren aber auch als Katalysatoren großer Innovationen und Errungenschaften. Vor allem aber tragen sie dazu bei, das System sukzessive robuster zu machen, da ohne solidem Banksystem eine Volkswirtschaft nicht überlebensfähig wäre und Banken einen beachtlichen Teil zu einem nachhaltigen volkswirtschaftlichen Wachstum beisteuern.

Bereits 1841 erkannte Charles Mackay, dass Adam Smiths Konstrukt eines rationalen „homo oeconomicus“ ein Trugschluss war und Menschen während wirtschaftlicher Blasen und Paniken sich in irrationalen Herden bewegen. Es ist dieses ökonomische Charakteristikum, das Bank Runs so gefährlich macht, da das Fundament eines Bank Runs typischerweise Herdenpanik und weniger eine imminente Insolvenz ist.

Treten nun Umstände ein, die das Vertrauen in die Sicherheit der Einlagen bei Finanzinstituten schwinden lassen, dann ist es für jeden Einzelnen rational, die Einlagen rasch abzuziehen. Je schneller man abzieht, desto mehr vom eingesetzten Kapital erhält man, die letzten erhalten nichts mehr – diese Herdenpanik führt zu einem Bank Run. Wenn allerdings alle Einlagen zur selben Zeit zurückgefordert werden, kommt es zur Insolvenz, weil nicht alle Kredite rasch und ohne Verluste liquidiert werden können.

Man muss schon etwas weiter in den Geschichtsbüchern blättern, um die erste tatsächliche Bankenkrise zu finden – Schweden in den 1660er Jahren. Die Bank von Stockholm verstand es bereits, die von Kund:innen eingezahlten Gelder zur Finanzierung von Krediten zu verwenden. Um die Fristigkeitsunterschiede zu reduzieren und um mehr Kredite vergeben zu können, bediente man sich an handelbaren Wechselpapieren. Dies führte jedoch dazu, dass die Bank zu viele ungesicherte Banknoten druckte, was schlussendlich zum Kollaps der Bank führte. Die Bank wurde vom Staat übernommen und als Nachfolgerin die Sveriges Riksbank (Schwedische Nationalbank) gegründet.

Living la vida loca – die erste Emerging-Markets-Bankenkrise

Ein Sprung über die Nordsee ins Vereinigte Königreich der 1820er Jahre, wo sich London als internationaler Finanzplatz gerade etablierte. Auf der Suche nach attraktiveren realen Renditen, liebäugelte man mit Anleihen der kürzlich von Spanien unabhängig gewordenen Länder Lateinamerikas. Wie so oft, ging das jedoch zu Lasten einer adäquaten Risikoprüfung. Als Spanien kurz vor dem Zahlungsausfall stand, machte sich Panik breit und die Anleihen verloren massiv in ihren Nennwerten.

Ein Überschwappen auf britische Banken war unausweichlich und ein Bank Run nahm seinen Lauf. Insolvenzen waren die Folge und die Bank of England (BoE) bereitete ein Bail-out-Paket für wankende Finanzinstitute sowie Unternehmen vor – ein absoluter Meilenstein in der Bekämpfung von Bankenkrisen. Als Antwort auf den Kollaps modellierte die BoE das gesamte Bankensystem komplett um und „joint stock lenders“ (Aktiengesellschaften) entstanden, die Vorfahren der heutigen Mega-Banken.

Die Geburtsstunde des Federal Reserve Systems

Auch die Federal Reserve (FED) hat ihren Ursprung in einer Bankenkrise. Anno 1907 New York, wo zwei hiesige Geschäftsmänner und Eigentümer einer Reihe von Banken, ihre Mehrheitsanteile am Unternehmen United Copper Company aggressiv ausbauen wollten. Gier gepaart mit falscher Markteinschätzung und einem fallenden Aktienkurs, veranlassten die beiden, finanzielle Ressourcen aus ihren Bankenkonglomerat anzuzapfen.

Ein Überschwappen auf andere Institute war unausweichlich und Panik verbreitete sich rapide unter den Anleger:innen. Zinssätze schossen auf 125% und in Abwesenheit eines Lender of Last Resort, konzipierte J.P. Morgan ein Bail-out für die restlichen New Yorker Banken. Jedoch nahm die Herdenpanik bereits landesweit ihren Lauf, was zu einer massiven Verknappung der sich in Umlauf befindenden Geldmenge führte. Finanzstabilität wurde durch, zur damaligen Zeit, kreative Substitute für Bargeld wiedererlangt. Resultierend aus der Krise wurde 1913 das Federal Reserve System gegründet.

The Big Bang

Die Große Finanzkrise 2007-09 hat „Bankenkrisen“ bzw. „Bank Runs“ vollends salonfähig gemacht. Die Liste von insolventen Instituten in jener Periode ist lang. Das erste große Opfer war damals spannenderweise kein amerikanisches Institut, sondern Northern Rock aus dem Vereinigten Königreich. Dort konnte die Vertrauenskrise, ausgelöst durch kurzfristige Liquiditätsprobleme, durch eine Notkreditfazilität der BoE nicht mehr gelöst werden und die Bank wurde schlussendlich verstaatlicht.

Bear Stearns, wo man sich über den Verkauf von Asset Backed Commercial Papers refinanzierte, musste binnen zwei Tage Insolvenz anmelden, da die Bilanzsumme von 17 auf 2 Mrd. US-Dollar ausblutete. Für Stabilität konnte hier nur eine Übernahme durch JP Morgan Chase sorgen.

Als Antwort auf die Große Finanzkrise, wurde das globale Bankensystem durch umfangreiche Regularien stabiler gemacht. Beispielsweise wurde die Grenze für das nötige Eigenkapital angehoben, um Verluste bei schneller Liquidierung abzufedern. Hauptaugenmerk wurde auf die 30 größten Banken gelegt, die für das globale Finanzsystem systemrelevant sind.

Fazit

Die Turbulenzen der vergangenen Wochen und Monate sind keineswegs mit jenen aus 2007-09 zu vergleichen. Zum einen konnte rasches Agieren seitens der Zentralbanken ein Ansteckungsrisiko minimieren. Zum anderen sind Banken seither wesentlich besser kapitalisiert und die Kreditqualität um ein Vielfaches höher. Demzufolge sind die Konsequenzen auf die Realwirtschaft eher moderat.

Umfangreiche Maßnahmen und staatliche Einflussnahmen haben durchaus ihre Berechtigungen, um in einer Bankenkrise die Abwärtsspirale einzudämmen. Das untermauern sowohl historische als auch aktuelle Beispiele.

Bankenkrisen und Bank Runs werden auch in Zukunft auftreten, obgleich in variierenden Härtegraden. Wie bereits in der Vergangenheit, wird man auch aus dieser Krise Lehren für die Zukunft ziehen, damit das Finanzsystem noch robuster und stabiler wird, um den gesellschaftlichen Schaden im Falle künftiger Krisen noch weiter zu reduzieren.

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