Péter Varga, Senior Professional Fondsmanager ist der Meinung, dass die von den Notenbanken angekündigten Zinserhöhungen viele schmerzhafte ungewünschte Nebenwirkungen zeigen werden. Im Interview erläutert er die Gründe für seine Skepsis.
Was ist der Grund für die hohe Inflation, die wir zurzeit erleben?
Inflation entsteht immer dann, wenn die Nachfrage größer ist als das Angebot. Aufgrund des Covid-bedingten Produktionsrückstaus arbeiten so gut wie alle Unternehmen an ihren Kapazitätsgrenzen – und doch gelingt es ihnen nicht, die Nachfrage zu befriedigen. Dazu fehlen entweder die Maschinen, die Rohstoffe oder die Zulieferteile. Vor allem die letzten beiden Punkte machen derzeit vielen Unternehmen zu schaffen – die Ursachen liegen sowohl in der Pandemie als auch im Krieg gegen die Ukraine.
Laut Aussage der US Notenbank San Francisco stammen mehr als 50% der US Inflation aus Angebotsproblemen und aus mehrdeutigen Effekten.
Was können die Notenbanken dagegen machen?
Weder die Bekämpfung der Pandemie noch die Beendigung des Kriegs liegt in den Händen der Notenbanken. So werden wir auch weiterhin mit hohen Energiepreisen leben müssen, die ein Haupttreiber der Inflation sind. Die Notenbanken können mit Gelddrucken oder höheren Zinsen auch nicht mehr Getreide oder Düngemittel aus dem Hut zaubern. Der einzige Hebel, den sie haben, ist, die Nachfrage nach unten zu korrigieren. Aus diesem Grund erhöhen die Notenbanken die Anschaffungskosten für Waren und Dienstleistungen.
Wie kann das gelingen?
Indem sie für höhere Kreditzinsen sorgen bzw. die Konsument:innen durch höhere Anlagezinsen zu mehr Sparen bewegen. Das hemmt die Nachfrage und reduziert den Preisauftrieb.
Wie wirkt sich dieses Szenario auf die Konsument:innen aus?
Die Konsument:innen spüren die Situation doppelt: Einerseits durch nach oben gehende Kreditraten, falls sie einen Kredit mit variabler Verzinsung bedienen müssen. Und andererseits durch die steigenden Preise für Waren und Dienstleistungen. Die Folge ist ein deutlicher Kaufkraftverlust bzw. ein Cash-Flow Problem.
„Die Konsument:innen spüren die Situation doppelt: Einerseits durch nach oben gehende Kreditraten und andererseits durch die steigenden Preise für Waren und Dienstleistungen.“
Péter Varga, Senior Professional Fondsmanager Erste AM
© Bild: Stephan Huger
Was heißt das konkret?
Wenn die Lohnerhöhungen diesen Effekten nicht spürbar entgegenwirken können, werden immer mehr Kreditnehmer:innen Probleme damit bekommen, ihre Raten termingerecht zu bezahlen und der Konsum wird auch leiden (der inflationsadjustierte Wert unseres Gehalts fällt). Bei den Firmen ist es ähnlich – sie werden in eine schwierige Situation geraten, wenn sie ihre Preise nicht erhöhen können und müssen mit einer rückläufigen Nachfrage rechnen.
Zusammengefasst: Mit welchem Zukunftsszenario rechnen Sie?
Das ist schwer zu beantworten – aus meiner Sicht gibt es mehrere Facetten, die die Zukunft beeinflussen werden.
Thema Lohnerhöhungen: Da der Arbeitsmarkt knapp ist, könnte es zu signifikanten Lohnerhöhungen kommen. Dadurch muss die Nachfrage nicht automatisch sinken, sprich, wir werden längerfristig mit Inflation und höheren Nominalrenditen leben, die sogenannte Lohn-Inflation-Spirale springt an. Ohne Lohnerhöhungen und ohne Zinserhöhungen der Notenbanken würde die hohe Inflation per se die Kaufkraft spürbar nach unten drücken.
Thema Zinserhöhung: Um die Inflation zu bekämpfen, haben bereits einige Notenbanken die Zinsen erhöht bzw. die Weichen in diese Richtung gestellt. Die Auswirkungen betreffen nicht nur Kreditnehmer:innen, sondern auch Anleger:innen. Denn durch die Korrektur ist mit sinkenden Assetpreisen zu rechnen – zum Beispiel bei Aktien, die sich in einem Bärenmarkt wiederfinden. Oder bei Immobilien, die eine geringere Nachfrage verzeichnen, weil sie aufgrund von Kaufkraftverlusten und gestiegenen Kreditzinsen für viele unerschwinglich werden. Man fühlt sich weniger vermögend und drosselt den Konsum.
Thema Ukraine-Krieg: Falls es zu einem Ende kommt und die Rohstoff-Lieferungen dadurch wieder fließender laufen, ist mit einer deutlichen Entspannung der Lage zu rechnen. Gerade in diesem Punkt zeigt sich, dass es in einer Welt mit Kontinenten übergreifenden Lieferketten und optimierten Produktionsprozessen unmöglich ist, eine imperialistische Politik ohne große Folgen für die Weltwirtschaft zu führen.
Das heißt, letztlich entscheidet die Politik, wie es weltwirtschaftlich weitergeht?
Exakt. Deshalb richte ich auch einen Appell an alle einflussreichen Politiker:innen: Die Bekämpfung der Inflation liegt hauptsächlich in Ihren Händen und nicht in jenen der Notenbanken!
Erläuterungen zu Fachausdrücken finden Sie in unserem Fonds ABC: Fonds-ABC | Erste Asset Management
Wichtige rechtliche Hinweise:
Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für künftige Wertentwicklungen.