Die Aktienkurse steigen an, gleichzeitig fallen die Renditen von kreditsicheren Anleihen, die Renditeaufschläge für das Kreditrisiko und die antizyklische Währung US-Dollar. Die Märkte werden gestützt von den zunehmenden Hoffnungen für eine „weiche“ Landung der Wirtschaft.
In diesem Szenario würde die Inflation Richtung dem Zentralbankziel von rund 2% fallen, während die Arbeitslosenrate nur moderat ansteigt. Die fallende Inflation würde es den Zentralbanken erlauben, früher als gedacht die Leitzinsen zu senken. Eine Abkehr von der restriktiven Grundhaltung der Zentralbanken würde wiederum die Wachstumsrisiken reduzieren.
Abnehmende Neigung für Leitzinsanhebungen
In den vergangenen Wochen haben zahlreiche Zentralbanker in Reden auf eine Abschwächung der Neigung (Bias) für weitere Leitzinsanhebungen hingewiesen. Doch die Signale für ein anhaltend restriktives Leitzinsniveau blieben unverändert. Auch US-Zentralbankchef Jerome Powell hat in einer Rede am vergangenen Freitag gemeint, dass die Zentralbank vorsichtig vorgehen werde und die Risken von zu wenigen beziehungsweise zu vielen Leitzinsanhebungen zunehmend ausgeglichen seien.
Signale für Leitzinssenkungen
Der Fed-Governor Christopher Waller hat in der vergangenen Woche gewissermaßen den anderen Zentralbankern die Show gestohlen: „Wenn wir sehen, dass die Disinflation noch einige Monate anhält – ich weiß nicht, wie lange das sein könnte, drei Monate, vier Monate, fünf Monate…., dann könnten wir anfangen, den Leitzins zu senken, nur weil die Inflation niedriger ist.“ Diese Aussage steht im Widerspruch zur bisherigen Strategie der Zentralbanken, lieber später als früher zu senken, weil es nach wie vor Risiken für ein Verharren der Inflation auf einem zu hohen Niveau gibt.
Daraus erwächst die Kernfrage, ob die Zentralbanken in naher Zukunft eine Abkehr von der restriktiven Zinspolitik vornehmen werden. Die Märkte haben diese Frage bereits mit einem „Ja“ beantwortet. Sowohl für die USA als auch für die Eurozone werden für März 2024 Leitzinssenkungen mit einer Wahrscheinlichkeit von über 50 Prozent eingepreist.
Fallende Inflation
Sowohl in der Eurozone als auch in den USA deuten die Inflationsberichte auf eine Fortsetzung des fallenden Trends (Disinflation) hin. In den USA blieb der Deflator für die persönlichen Konsumausgaben im Oktober unverändert gegenüber dem Vormonat. Im Jahresabstand fiel die Inflation von 3,7% auf 3,2%. Besonders ermutigend ist der Rückgang der Kernrate (Gesamtzahl ohne Energie und Nahrungsmittel) – der Drei-Monatsdurchschnitt ist (auf das Jahr hochgerechnet) auf 2,2% gefallen.
In der Eurozone zeigte die Schnellschätzung der Konsumentenpreisinflation für den Monat November einen Rückgang von 2,9% auf 2,4%. Auch die Kernrate fiel deutlich von 4,2% auf 3,6%. Die Märkte preisen eine Fortsetzung der Disinflation ein. Im Dienstleistungssektor gibt es jedoch nach wie vor Anzeichen für ein Verharren der Inflation auf einem zu hohen Niveau.
Wachstumsabschwächung, aber keine Rezession
Die Wirtschaftsberichte deuten derzeit auf eine Abschwächung des globalen Wachstums, aber auf keine Rezession, hin. Die globale Fertigung stagniert seit rund einem Jahr. Die Hinweise für eine Verbesserung bleiben bis dato schwach. Im Oktober hatte der Rückgang des globalen Einkaufsmanagerindex für den Fertigungssektor (auf 48,8, unter die theoretische Marke von 50, die eine Stagnation bedeutet) auf abwärts gerichtete Risiken hingewiesen. Immerhin hat der Anstieg des Index im November (49,3) diese Risiken reduziert.
Auf der negativen Seite sticht nach wie vor das niedrige Verhältnis der Neuaufträge zu den Lagerbeständen hervor, welches auf eine Schrumpfung der Fertigung hindeutet. Auf der positiven Seite bedeutet das Niveau der Verkaufspreise von 51 einen niedrige Güterpreisinflation.
Der Wachstumstreiber in diesem Jahr war der Dienstleistungssektor. Zwar wiesen die Einkaufsmanagerindizes für den Dienstleistungssektor seit der Jahreshälfte einen fallenden Trend auf. Das letzte Update am Dienstag dieser Woche fiel jedoch besser aus als erwartet und zeigte einen Zuwachs.
Moderate Abschwächung am Arbeitsmarkt
Am Arbeitsmarkt gibt es Anzeichen für eine Abschwächung, die aber bis dato nur moderat ausfällt. Die Arbeitslosenrate in der Eurozone ist mit 6,5% im Oktober niedrig geblieben. Die Entwicklung in Deutschland sticht jedoch mit einem weiteren Anstieg der Arbeitslosenrate hervor. Wenig verwunderlich, denn das Bruttoinlandsprodukt ist im dritten Quartal geschrumpft.
In dieser Woche stehen damit die Arbeitsmarktberichte in den USA für den Monat November im Blickpunkt, die heute veröffentlicht werden. Die Arbeitslosenrate hat sich in diesem Jahr leicht nach oben entwickelt: 3,4% im Jänner, 3,9% im Oktober. Solange die Arbeitslosenrate nur leicht ansteigt, wird das Szenario „weiche“ Landung unterstützt. Die bekannte Sahm-Rule, die auf eine Rezession hinweist, sobald der Drei-Monatsdurchschnitt um mindestens 0,5 Prozentpunkte ansteigt, könnte zwar bald anschlagen, aber die Pandemie hat viele historische Beziehungen verzerrt und die Signalgüte abgeschwächt.
Frühe Leitzinssenkungen keine ausgemachte Sache
Es ist nicht so klar, dass die Leitzinssenkungen ohne Rezession bereits im Frühjahr beginnen werden. Denn die Zentralbanken wollen die Fehler, die in den 1970ern gemacht wurden, nicht wiederholen. Auch damals wurden die Leitzinsen in der Mitte des Jahrzehnts gesenkt, als die Inflation fiel. Im Nachhinein betrachtet hat sich das als Fehler herausgestellt. Solange die Wirtschaftsberichte nicht im Widerspruch zum Szenario „weiche Landung“ stehen, könnte die positive Stimmung an den Märkten anhalten. Allerdings sind die Märkte anfällig für eine Korrektur, weil bereits frühe Leitzinssenkungen eingepreist sind.
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