Eine Frage, die wir als Fondsmanager oft gestellt bekommen ist, wie wir abschätzen, welche Aktien attraktiv sind und wo wir lieber die Finger davonlassen. Hier hat jeder Manager naturgemäß seine eigene Methode. Bei den Österreich-Fonds der Erste AM verwenden wir einen stark fundamental geprägten Ansatz. Wir verlassen uns dabei aber nicht nur auf klassische Unternehmensanalyse, sondern erweitern diese um eine nachhaltige Betrachtungsweise.
Integrierte Nachhaltigkeitsanalyse bringt breitere Sichtweise
ESG hat oftmals noch ein bisschen den Ruf ein „Feel good process“ zu sein. Man schließt Dinge aus, die gar nicht gehen (Waffen, Tabak, Alkohol etc.), vielleicht auch ein paar Energiefirmen und streut noch ein wenig „Best in class“ (also die besten Unternehmen im jeweiligen Sektor nach ESG-Gesichtspunkten) ein, dann wird schon ein tolles Portfolio rauskommen.
Wir verfolgen hier einen anderen Ansatz. Bei uns sind Nachhaltigkeitsthemen direkt in der Analyse inkludiert. Damit vermeiden wir eine einseitige Betrachtung (z.B Firmen, die im Umweltbereich hervorragend sind, aber deren Governance weit weg von internationalen Standards ist) und hoffen, Fehler zu vermeiden, welche sich bei einer zu engen Sichtweise ergeben. Klingt ja schön und gut, aber was heißt das konkret? Um ein bisschen Fleisch auf den Knochen zu bringen, würde ich das Ganze gerne an einem Beispiel durchgehen. Hierfür habe ich Andritz, den Hersteller von Maschinen u.a. für die Papierindustrie, Pressen und Turbinen ausgewählt.
Hinweis: Das hier angeführte Unternehmen wurde beispielhaft ausgewählt und stellt keine Anlageempfehlung dar.
Mit wem habe ich es überhaupt zu tun?
Zu Beginn jeder Analyse stehen immer die Fragen: „Was macht die Firma eigentlich, wie sieht das Geschäftsmodell aus? Welche Megatrends adressiert die Firma mit ihren Produkten/Leistungen?“.
Andritz ist ein Hersteller von Maschinen für die Papier- und Zellstoffindustrie (ca. 47% des Umsatzes im Jahr 2023), Pressen und Maschinen für die Autoindustrie (21%) und Turbinen für Wasserkraftwerke (18%). Diese Aufstellung wird den einen oder anderen überraschen, der die Firma vor allem noch als Turbinenhersteller kennt. In den letzten Jahren hat sich Andritz jedoch zunehmend zu einem Maschinenbauer für eine Vielzahl von unterschiedlichen Industrien entwickelt, teilweise durch organisches Wachstum, aber auch durch diverse Zukäufe.
Von welchen langfristigen Entwicklungen kann das Unternehmen profitieren?
Bleibt noch die Frage der Megatrends. Hierbei sprechen wir von langfristigen Entwicklungen, die uns die nächsten Jahre und Jahrzehnte begleiten werden und daher tendenziell unabhängiger von kurzfristigen Wirtschaftszyklen sind. Für ein langfristiges Investment wollen wir hier eine gute Abdeckung haben. Im Vergleich zur „klassischen“ Analyse nehmen wir hier dezidiert Nachhaltigkeitsthemen mit auf und verfolgen einen längerfristigen Ansatz (ggü. einem „klassischen“ 3-5 Jahre Betrachtungszeitraum).
Andritz adressiert hier gleich mehrere wichtige Trends. Was das Thema Dekarbonisierung angeht, hat Andritz neben Anlagen für Kohlenstoffspeicherung (Carbon Capture & Storage, CCS) auch eigene Wasserstoffelektrolysen. Als einer der größten Anbieter von Turbinen für Wasserkraftwerke leistet die Firma ebenfalls einen wesentlichen Beitrag in dieser nachhaltigen Energieform. Auch im Bereich der Batterietechnologie ist Andritz vertreten, die Firma baut hier gesamte Anlagen für Kunden, vor allem im Autobereich.
Andritz stellt unter anderem Anlagen zur Kohlenstoffspeicherung her. © pexels
Der nächste Megatrend ist Ressourcenschonung und Recycling. Naturgemäß sind neue Maschinen deutlich effizienter und helfen so den Kunden energiesparen, das ist jedoch kein „Andritz Spezifikum“. Vielmehr designt das Unternehmen seine Maschinen in den letzten Jahren verstärkt in Richtung Kreislaufwirtschaft. Vor allem im Papier und Zellstoffbereich wurden hier deutliche Fortschritte gemacht. Neben der Nutzung von Nebenprodukten für die Energieerzeugung spielt Recycling eine zentrale Rolle in den neuesten Produktserien wie „CircelToZero“.
Insgesamt können wir festhalten, dass Andritz in diesem Bereich gut aufgestellt ist und insbesondere in den letzten Jahren die richtigen Schwerpunkte gesetzt hat. In der Tat könnte man einen Dartpfeil auf eine Scheibe mit wichtigen Zukunftsthemen werfen, man würde ziemlich sicher ein Andritz Produkt treffen.
Wer sind die Konkurrenten?
Der nächste Punkt der Unternehmensanalyse ist die Marktstruktur. Hier gibt es eigentlich kaum Unterschiede zur klassischen Analyse, deswegen gehen wir hier schnell drüber. In praktisch allen Unternehmensbereichen gibt es 2-3 wesentliche Mitbewerber, auch wenn diese je nach Geschäftsfeld unterschiedlich sind. Wir befinden uns also in einer oligopolistischen Struktur, die es Unternehmen im Regelfall erlaubt, schöne Margen zu erwirtschaften. Gleichzeitig ist der Wettbewerb oft geprägt von temporären „Angriffen“ der Mitbewerber, sodass die Firma hier weiter intensiv in ihre Produkte investieren muss.
Wer trifft die Entscheidungen im Unternehmen?
Die nächste Frage, die wir uns stellen ist „Wer sind die wesentlichen Entscheidungsträger? Denken sie in Quartalen, Jahren oder Generationen?“. Hier haben wir am heimischen Markt einen klaren Vorteil ggü. internationalen Mitbewerbern. Aufgrund unserer Nähe zum Markt können wir direkt mit dem Management kommunizieren und uns selbst eine Meinung bilden. Das Ganze ist natürlich deutlich einfacher, wenn man das Management persönlich trifft, anstatt sich auf Nachhaltigkeitsberichte etc. zu verlassen, die teilweise ein anderes Bild zeichnen als die Realität.
Die wichtigsten Entscheidungsträger sind fast immer der „Chef“ (CEO) und der Finanzchef (CFO). Andritz stellt hier ein bisschen eine Ausnahme dar, denn um die aktuelle Ausrichtung und Strategie zu verstehen muss man auch in die Vergangenheit blicken. „Architekt“ der Firma ist der ehemalige CEO Dr. Leitner, der selbst auch größter Aktionär der Firma ist. Unter seiner Riege wurde die aktuelle Wachstumsstrategie eingeschlagen und der Fokus verstärkt auf die Verbreiterung der Produktpalette gelegt. Er ist mittlerweile neben seiner Aktionärstätigkeit auch Chef des Aufsichtsrats, sodass das Unternehmen hier einem Familienbetrieb recht ähnlich ist.
Der aktuelle CEO ist bereits lange Jahre im Unternehmen, hat also dieselbe „DNA“. Den CFO und wichtige Abteilungsleiter konnten wir im Rahmen diverser Kapitalmarkttage und Veranstaltungen näher kennen lernen, die Firma ist also auch in dieser Hinsicht recht transparent.
In welchem Zeitrahmen denken diese Entscheidungsträger? Hier treffen wir wiederum auf wesentliche Nachhaltigkeitsthemen, da diese oftmals langfristiger Natur sind. Als „Familien-nahes“ Unternehmen denkt das Management in der Regel in längeren Zeiträumen. Die Wichtigkeit von Nachhaltigkeitsthemen in der „Unternehmensdenke“ war auch im letzten Kapitalmarkttag zu sehen, als in jeder einzelnen Segments Präsentation nachhaltige Produkte einen prominenten Platz einnahmen.
Welche Probleme gab es in der Vergangenheit?
Zu diesem Zeitpunkt der Analyse sehen wir uns auch Kontroversen und Probleme der Vergangenheit an. Früher oder später treten in jedem Unternehmen Herausforderungen auf. Wie damit umgegangen wird, ist jedoch stark unterschiedlich und ein wesentlicher Indikator für Managementqualität. Im Fall von Andritz betrifft dies vor allem die Lieferung von Maschinen für Projekte mit zweifelhaftem Charakter. Vor allem im Turbinenbereich gab es einzelne Fälle von Lieferungen für Staudämme, bei denen die Kraftwerksbetreiber wenig Rücksicht auf die indigene Bevölkerung nahmen. In solchen Fällen suchen wir einen aktiven Dialog mit der Firma. Andritz hat hier in den letzten Jahren die Auswahlkriterien für Projekte nochmals deutlich nachgeschärft, wenngleich man sagen muss, dass sie als Zulieferer oftmals nur begrenzten Einfluss auf die eigentliche Projektgestaltung haben.
Andritz ist einer der größten Anbieter von Turbinen für Wasserkraftwerke © pexels
Governance: Wie wird das Unternehmen geführt?
Last but not least sehen wir uns noch weitere Governance–Themen an. Wie unabhängig ist der Aufsichtsrat? Wie siehts mit der Diversität aus (vor allem im Hinblick auf unterschiedliche Kompetenzen. Ein Aufsichtsrat, der aus 50% Frauen und 50% Männern besteht, wird in der Regel Probleme bekommen, wenn es sich nur um gelernte Rechtsanwälte handelt)? Und wie ist die Vergütungspolitik gestaltet (Wo werden Schwerpunkte gesetzt? Ist das Thema Nachhaltigkeit explizit in der Vergütung abgedeckt? Wie stark überlappen sich die Interessen des Managements und der Aktionäre?).
Bei all diesen Themen verfolgen wir auch eine aktive Engagement- und Abstimmungspolitik. Wir haben ca. 100 Management-Meetings im Jahr, sehen also die meisten Firmen im Schnitt alle 4-8 Wochen. Um hier nicht in die Versuchung zu kommen, selektiv zu sein, veröffentlichen wir unser Abstimmungsverhalten und unsere Policy auf unserer Homepage, wo sie für jeden einsehbar ist. Nicht immer sind die Konversationen mit Management einfach, aber diese Transparenz hilft uns, Erwartungen richtig zu gestalten. Die Firmen wissen, was wir von ihnen erwarten und was sie auch von uns erwarten können. Aufgrund der Größe unserer AT-Fonds sind wir in vielen Unternehmen ein Top-5 Aktionär, weswegen unsere Stimme hier durchaus Gewicht hat.
Wie fließen diese Faktoren in die Bewertung ein?
Wir nähern uns dem Ende der Analyse, denn es ist Zeit ein Urteil zu fällen. Im Fall von Andritz fällt dies überwiegend positiv aus. Die Produkte des Unternehmens sind stark auf zukünftige Megatrends ausgerichtet, wodurch wir uns solides Wachstum für die mittlere Sicht erwarten. Im Bereich Governance gibt es sicherlich die eine oder andere Verbesserungsmöglichkeit, aber da ist Andritz in der Peer Group keine Ausnahme.
Nach diesem doch recht intensiven Prozess bleibt noch die Frage: wie gieße ich das Ganze in eine Bewertung? Wir verwenden hier in den meisten Fällen klassische Discounted Cashflow Modelle, wie sie auch die meisten Analysten benutzen. Diese erlauben es uns, Szenarien zu rechnen, um unterschiedliche Schätzungen abbilden zu können. Neben dem klassischen „Basisszenario“ ist dies in vielen Fällen ein „ESG-Szenario“ und ein „dreckiges Szenario“ (die Kreativität verwenden wir Großteils für die Ausgestaltung der Szenarien, da bleibt dann für die Namengebung nicht mehr allzu viel über 😉 ). Wichtigster Punkt dabei: der Grundsatz der Modellierung „Garbage in – Garbage out“ gilt natürlich auch für nachhaltige Szenarien. Die „Story“ muss konsistent sein, um Fehler und Biases zu vermeiden.
Fazit: Intensive Betrachtung der Unternehmen von allen Seiten
Im Fall von Andritz gehen wir im ESG-Szenario von höherer Nachfrage nach nachhaltigen Produkten aus. Das bedeutet zwar mehr Umsatz für die Firma, aber auch höhere Investitionen (um die Produktion auszubauen) und teilweise höhere Risikoaufschläge aufgrund der vergangenen Kontroversen. Das Gegenteil ist im „dreckigen Szenario“ der Fall, wo das Unternehmen Research-Kosten abschreiben muss, da die nachhaltigen Produkte floppen. Es kommt zu Sparprogrammen und einem starken Kostenfokus. Diese unterschiedlichen Szenarien erlauben uns nicht nur eine Einschätzung der Potentiale der Firma, man kann hiermit auch recht schön ein Chance/Risiko-Verhältnis errechnen.
Laut unserer Analyse sollte Andritz vor allem im nachhaltigen Szenario deutlich profitieren. Der echte Wert dieser Analyse liegt jedoch weniger in den Szenarien oder dem Chance/Risiko-Verhältnis selbst, sondern in der Tatsache, dass man sich intensiv mit einer Firma beschäftigt und sie aus allen möglichen Winkeln betrachtet. Damit kann man besser einschätzen, wie sich diverse Schocks auf die Firma auswirken. Denn eines ist in unsere Branche sicher: die Zukunft kommt fast nie so, wie man sich das alles modelliert hat.
Investieren in österreichische Unternehmen
Weitere Informationen zu unserem Österreich-Aktienfonds ERSTE STOCK VIENNA finden Sie auf unserer Website. Der Fonds investiert in Unternehmen mit Erstnotiz an der Wiener Börse. Bei der Titelauswahl wird auf qualitativ hochwertige und wachstumsstarke Unternehmen gesetzt. Nachhaltigkeitskriterien werden dabei berücksichtigt.
Dieser Artikel ist Teil der Ausgabe unseres ESGenius Letters vom Juli 2024. Alle weiteren Beiträge dieser Ausgabe, sowie frühere Versionen unserer Nachhaltigkeitspublikation ESGenius Letter, finden Sie auf unserer Website.
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Hinweise ERSTE STOCK VIENNA
Der Fonds verfolgt eine aktive Veranlagungspolitik und orientiert sich nicht an einem Vergleichsindex. Die Vermögenswerte werden diskretionär ausgewählt und der Ermessensspielraum der Verwaltungsgesellschaft ist nicht eingeschränkt. Bitte beachten Sie, dass die Veranlagung in Wertpapiere neben den geschilderten Chancen auch Risiken birgt.
Weitere Ausführungen zur nachhaltigen Ausrichtung des ERSTE STOCK VIENNA sowie zu den Angaben gemäß Offenlegungs-Verordnung (Verordnung (EU) 2019/2088) und Taxonomie-Verordnung (Verordnung (EU) 2020/852) sind dem aktuellen Prospekt, Punkt 12 und Anhang „Nachhaltigkeitsgrundsätze“ zu entnehmen. Bei der Entscheidung, in den ERSTE STOCK VIENNA zu investieren, sollten alle Eigenschaften oder Ziele des ERSTE STOCK VIENNA berücksichtigt werden, wie sie in den Fondsdokumenten beschrieben sind.
Detaillierte Angaben zum Feeder-Fonds sowie Masters-Fonds finden sich im jeweiligen Prospekt, Abschnitt II, Punkt 1, abrufbar unter www.erste-am.at.
Vorteile für Anlegerinnen und Anleger
- Breite Streuung in österreichische Unternehmen schon mit geringem Kapitaleinsatz.
- Der Fonds kann als Anlageinstrument im Rahmen der prämienbegünstigten Zukunftsvorsorge gem. § 108 h (1) EStG herangezogen werden.
- Chancen auf attraktive Wertsteigerung.
Zu beachtende Risiken
- Der Fondspreis kann stark schwanken (hohe Volatilität).
- Kapitalverlust ist möglich.
- Da der Feeder-Fonds den Großteil seines Vermögens in den Master investiert, hängt die Kursentwicklung des Feeder-Fonds maßgeblich von der Kursentwicklung des Master-Fonds ab. Weitere Risiken, die für den Feeder-Fonds von Bedeutung sein können, sind insb.: Kredit- und Kontrahenten-, Liquiditäts-, Verwahr-, Derivatrisiko sowie operationelle Risiken. Umfassende Informationen zu den Risiken des Feeder-Fonds sind dem Prospekt bzw. den Informationen für Anleger gem. § 21 AIFMG, Abschnitt II, Kapitel „Risikohinweise“ zu entnehmen.
Warnhinweise gemäß InvFG 2011
Für den Investmentfonds werden dauerhaft mindestens zu 85 % des Fondsvermögens Anteile des RT Österreich Aktienfonds (Master-Fonds) erworben.