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Sustainable-Finance-Initiativen – Buchstabensalat oder wirkungsvolle Multistakeholder-Ansätze?

Sustainable-Finance-Initiativen – Buchstabensalat oder wirkungsvolle Multistakeholder-Ansätze?
(c) ViennaShots

Gastbeitrag von Michael Schmidt, Mitglied des Sustainable Finance Beirats der deutschen Bundesregierung und Geschäftsführer des Green and Sustainable Finance Cluster Germany

Sustainable Finance ist kein Zustand, sondern ein dynamischer Prozess. Es ist ein Weg mit dem Ziel, das Finanzsystem als Ganzes nachhaltig aufzustellen und gleichzeitig die Finanzierung der sozial-ökologischen Transformation zu ermöglichen.

Wie fing Sustainable Finance an? Welche Rolle spielen die verschiedenen Initiativen mit den vielen Akronymen? Was haben die Initiativen erreicht? Wie sollte sich Sustainable Finance weiterentwickeln?  

Klimaschutzabkommen als Startschuss

Die Sustainable Finance Journey begann im Jahr 2015. Klar, Nachhaltigkeit im Finanzsektor gab es schon viel früher. Aber die Auslöser für die Nutzung des Begriffs „Sustainable Finance“, die Regulierung und das Entstehen von Marktinitiativen waren die beiden großen globalen Vereinbarungen der Weltgemeinschaft damals: Die nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) und das Klimaschutzabkommen von Paris.

Diese beiden Zielwerke zeigen die Bedeutung von Sustainable Finance in einem größeren Kontext globaler Herausforderungen. Dazu gehört natürlich der Klimawandel, das gleichzeitig ungebremste Bevölkerungswachstum bei begrenzten Ressourcen (Stichwort planetare Grenzen) und nicht zuletzt umwälzende technologische Veränderungen (Stichwort Digitalisierung).

Herausforderungen, die komplex sind und gleichzeitig dringliches Handeln erfordern, eine schwierige Kombination. Denn Komplexität zu adressieren, erfordert das lösungsorientierte Zusammenwirken möglichst vieler Perspektiven. Multi-Stakeholder-Ansätze sind hierfür das Mittel der Wahl. Sie sind jedoch mühsam und brauchen Zeit. Diese Zeit haben wir beim Klimaschutz nach Meinung vieler Klimaforscher jedoch nicht. Entschlossenes und schnelles Handeln scheint angezeigt, um die Erderwärmung mit ihren verheerenden Folgen für die Menschen zu begrenzen. Schnelle Ergebnisse erzielt man allerdings am besten, wenn ein kleines, gut eingespieltes Team fokussiert an Lösungen arbeitet. Hier liegt das Dilemma zwischen Komplexität und Geschwindigkeit, auch für die verschiedenen Initiativen.

Eine Vielfalt an Initiativen entsteht

In der Folge von 2015 entstehen viele Initiativen, um an der Erreichung der SDGs und Klimaziele zu arbeiten. Es ist die Entstehungszeit der TCFD, der Task Force on Climate-related Financial Disclosures, und einiger globaler Netzwerke zu Sustainable Finance, vielfach angestoßen durch schon jahrzehntelang etablierte Einrichtungen der Vereinten Nationen wie UNDP, UNEP FI und die schon älteren Nachhaltigkeitsinitiativen wie PRI und UN Global Compact. Zu neuen Initiativen gehören vor allem die verschiedenen „Net-Zero“-Allianzen, 2021 bei der COP 26 unter dem Dach der GFANZ (Glasgow Financial Alliance for Net Zero) zusammengefasst. Ferner entsteht mit dem NGFS, dem Network for Greening the Financial System, eine einflussreiche internationale Plattform von Zentralbanken und Aufsichtsbehörden, deren Analysen, insbesondere zu Klimaszenarien, als Best Practice in die konkrete Aufsichtsarbeit einfließen und so auf Strategie und Risikomanagement der Finanzinstitute wirken.

Und die EU-Kommission begann, mit der Einsetzung der „High Level Expert Group on Sustainable Finance“ Anfang 2017, den Finanzsektor ins Auge zu fassen, um ihn über regulatorische Maßnahmen als Hebel für die Erreichung der Klimaziele und der SDGs zu nutzen, in Erkenntnis seiner Allokations- und Multiplikatorfunktion.

Die Empfehlungen des Schlussberichts der HLEG wurden zu großen Teilen von der EU Kommission in ihren zehn Punkte umfassenden „Aktionsplan: Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ übernommen, der auch heute noch den Ausgangspunkt für die Regulierungswerke in Sustainable Finance bildet, darunter insbesondere die Taxonomieverordnung, die Offenlegungsverordnung und die Richtlinien CSRD und CSDDD. Die EU-Regulierungsinitiative findet weltweit Beachtung und Nachahmung, die Idee der Taxonomie ist geradezu ein Exportschlager geworden.

Fortschritte, aber auch Verbesserungsbedarf

Was haben die Regulierung und die verschiedenen Marktinitiativen gebracht? Als einen wesentlichen Erfolg halte ich fest, dass Nachhaltigkeit im Mainstream angekommen ist. Nachhaltigkeitsfragestellungen liegen heute bei jedem und jeder auf dem Tisch, in fast allen, sehr verschiedenen Funktionen in Unternehmen der Finanzindustrie ebenso wie in der Realwirtschaft. Darin liegt eine große Chance: Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Fachrichtungen beschäftigen sich konkret in ihrem Aufgabengebiet nicht nur mit der Umsetzung von regulatorischen Anforderungen, sondern auch mit der Nutzbarmachung von Nachhaltigkeit für die Weiterentwicklung von Strategie, Produkten und Prozessen.

Verbesserungswürdig ist allerdings die Regulierung selbst – und dazu können die unterschiedlichen Perspektiven der Praktikerinnen und Praktiker einen Beitrag leisten. Das Vorgehen der EU-Kommission erscheint kompliziert, wenig kohärent und bislang recht begrenzt in der intendierten Wirkung. Mehrere Regulierungswerke wurden mit wenig Experimentierspielraum und unterschiedlichen Regulierungsinstrumenten lanciert, die zeitlich und inhaltlich nicht immer kohärent waren und sind, Fragestellungen der Umsetzung offenlassen und – vor dem Hintergrund von Greenwashing-Sorgen – für Verunsicherung sorgen.

Bei den Marktakteuren des Finanzsektors sehe ich ebenfalls noch Herausforderungen, vor allem im„Front Office“ – es fehlt noch an der echten Durchdringung der klassischen Funktionen, in der Firmenkundenbetreuung bei Banken, bei der Finanzberatung im Wertpapiergeschäft, in der Finanzanalyse am Kapitalmarkt oder im Portfoliomanagement.

Drei zentrale Punkte für den Erfolg von Sustainable Finance

Wie sollte sich Sustainable Finance weiterentwickeln, um Erfolg zu haben? Ich proklamiere drei Maximen für Politik, Regulierung und Aufsicht sowie Marktakteure gleichermaßen:

  1. Fokus auf das Gesamtziel, nämlich den Erhalt von Wohlstand in einer lebenswerten Umwelt und Gesellschaft. Das bedeutet Fokus auf die Klimaziele und die SDGs. Dabei gilt es, den Weg zu diesen Zielen zu betonen, sprich Transformation zu fördern und sichtbar zu machen. Ambitionierte Transitionspläne mit hoher Transparenz sind hierfür essentiell. Maßnahmen müssen eine entsprechende Wirkung entfalten auf reale Produkte und Produktionsprozesse. „Impact“ sollte zur übergeordneten Philosophie werden und in wesentlichen Kenngrößen gemessen werden. Entscheidende Grundlage in der Politik ist dabei eine positive Vision mit klarer und verlässlicher Rahmensetzung als Orientierung, die Marktkräfte entfalten lässt. Regulierung und Aufsicht müssen die Regeln vereinfachen und Kohärenz herstellen. Hierfür sollten sie vielmehr als bisher auch von einer Standardsetzung durch Marktakteure für praktische Details (z.B. ISO) Gebrauch machen.
  2. Mut zur Veränderung: Im Strukturwandel kann man nicht erfolgreich sein, wenn Veränderung nur als Risiko betrachtet wird oder als lästige Compliance-Übung umgesetzt wird. Die Voraussetzung für den Mut zur Veränderung ist neben dem Bewusstsein für ein lohnenswertes Zielbild anwendbares Wissen. Die Qualifizierung von Mitarbeitenden, aber auch Management und Aufsichtsgremien, ist daher ganz wesentlich. Ferner sollten Unternehmen und Finanzindustrie Nachhaltigkeitsziele in ihrer Geschäftsstrategie und wesentlichen Funktionen verankern und in Produkt- und Prozessinnovation investieren. Der Strukturwandel sollte als Anlass genutzt werden, „ouside the box“ zu denken, für Differenzierung oder einfach nur das Überleben.
  3. Fehlertoleranz: Unternehmen und Finanzinstitute sollten eine Vertrauensbasis schaffen, die auch Fehler verzeiht. Denn bei unbekannten Wegen entstehen unweigerlich Fehler, eine Erkenntnis, die sich auch die Aufsichtsbehörden zu Herzen nehmen sollten. Diese Vertrauensbasis wird durch Transparenz und Dialog gelegt, d.h. eine ehrliche Transparenz und Kommunikation über die eigenen Ziele und Maßnahmen, die Messung und Darlegung von eigenen Nachhaltigkeitsbeiträgen sowie den Austausch mit Stakeholdern darüber, was funktioniert und was nicht. Das sollte auch die Greenwashing-Debatte versachlichen.

Fazit

Zusammenfassend bin ich überzeugt, dass es sich lohnt – gerade auch in den verschiedenen Sustainable-Finance-Initiativen – für ein Finanzsystem zu arbeiten, das es als seinen „Purpose“ verinnerlicht und umgesetzt hat, Unternehmen und Verbraucher im geschilderten Strukturwandel mit Rat, Finanzierungs- und Anlagelösungen verantwortungsvoll zu begleiten.

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