Das Thema ESG, die englische Abkürzung für „ökologisch“ (E), „sozial“ (S) und „gute Unternehmensführung“ (G) ist stärker in unserem Bewusstsein als je zuvor. Als Indiz dafür kann man die Verzehnfachung der Google Suchanfragen zu diesem Thema in den letzten fünf Jahren ansehen (Quelle: Google Trends). Als führende österreichische Fondsgesellschaft im Bereich nachhaltiger Investments zählt es seit mehr als zwei Jahrzehnten zu unseren Aufgaben, Unternehmen nicht nur anhand finanzmathematischer Kennzahlen, sondern auch anhand ihrer Übernahme von Verantwortung für die Auswirkungen ihrer Aktivitäten auf die Gesellschaft und die Umwelt zu bewerten.
Im Gegensatz zu den Bereichen S und G, sind in den letzten Jahren für das E, die Umwelt, viele messbare Indikatoren entstanden. So erscheint es plausibel, anhand von CO2-Emissionen oder anhand des Wasserverbrauchs auf die Umwelteinwirkung eines Unternehmens zu schließen. Beispiele für Indikatoren zur Bewertung guter Unternehmensführung, sind zum Beispiel Richtlinien zur Arbeitsweise von Vorstand und Aufsichtsrat, Vergütungspolitik, Informationen zu Mitgliedschaften in nationalen und internationalen Interessenverbänden, etc. Deren Umsetzung und Effektivität lässt sich jedoch oftmals selbst mit aufwendigem Research nicht quantifizieren. Vergleichbare Bewertungen zu erhalten, ist sehr herausfordernd. Gleiches gilt für das S, das soziale Engagement, das in diesem Beitrag besonders beleuchtet wird. Beispiele dafür sind die Achtung der Menschenrechte, Lieferkettenmanagement oder Produktverantwortung. Mangelnde Transparenz oder eine uneinheitliche Datenerhebung seitens der Unternehmen erschweren die Erfassung dieser Indikatoren. Sind diese also überhaupt soweit erfass- und messbar, dass eine sinnvolle Bewertung möglich ist? Wir haben uns rund um das Thema soziale Faktoren in der Nachhaltigkeitsbewertung von Unternehmen umgehört und spannende Antworten auf brisante Fragen erhalten.
Wie misst man soziale Faktoren?
In diesem Bereich ist es besonders herausfordernd, Indikatoren zu identifizieren, die eine einheitliche Bewertung von Unternehmen zulassen. Ebenso wichtig ist es, wie man mit fehlenden oder nicht vorhandenen Daten umgeht. Unsere Partner im Bereich ESG-Research sind davon überzeugt, mit ihren Methodologien die entsprechenden Risiken, den Umgang mit Ihnen und die Berichterstattung darüber gut darstellen zu können. Im Zuge unserer Gespräche stellte sich heraus, dass dabei sehr unterschiedliche Herangehensweisen zum Einsatz kommen.
Einer unserer Partner verfolgt dabei einen ganz klar akademisch orientierten Ansatz. Dafür wird eine Vielzahl an qualitativen und quantitativen Indikatoren erhoben und auf deren Relevanz für das jeweilige Geschäftsmodell sowie deren Umsetzung und Überwachung durch das Unternehmen evaluiert. Grundlage dafür ist der aktuelle Stand der Wissenschaft nach dem Indikatoren dynamisch aktualisiert werden. Jeder Indikator wird nach dessen zugemessener Bedeutung unterschiedlich bewertet und gewichtet. Dies spielt vor allem dann eine Rolle, wenn keine Daten für einen gewissen Anhaltspunkt zur Verfügung stehen. So kann zum Beispiel bei fehlender Information hinsichtlich eines Indikators dieser auf null gesetzt werden. Je nach Qualität der Information werden dem Indikator positive oder negative Werte zugeordnet und durch die Erhebung etwaiger Kontroversen in diesem Bereich korrigiert. Etwas herausfordernder ist der Umgang mit kulturellen Unterschieden. Dabei kommt eine global einheitliche Methodologie zum Einsatz, wodurch kulturelle Diskrepanzen nur geringen Einfluss auf die Bewertung haben. Dies kann in Regionen, wo immenser Leistungsdruck gesellschaftlich akzeptiert ist dazu führen, dass Unternehmen einen Best-in-Class Status in der Personalsteuerung erhalten, obwohl deren Mitarbeiter einem immensen Leistungsdruck durch Vorgesetzte ausgesetzt werden. Zieht dies extreme körperliche bzw. psychische Ermüdung mit unerwünschten Folgen nach sich, wird das durch die Erfassung und Bewertung etwaiger Verstöße und Kontroversen in diesem Bereich in der Bewertung des Unternehmens berücksichtigt. Wie stark das S zum gesamten ESG Score beiträgt, ist von Unternehmen zu Unternehmen verschieden.
Ein weiterer Partner setzt bei der Unternehmensbewertung auf einen ganzheitlichen, holistischen Ansatz. Für jeden Sektor werden die wichtigsten Schlüsselthemen ermittelt und so gewichtet, dass diese mit mindestens 50 Prozent in die Gesamtbewertung aufgenommen werden. Dabei fließen Nachhaltigkeitsfaktoren, die laut Sustainability Accounting Standards Board (SASB, Quelle: Value Reporting Foundation) finanziell materielle Auswirkungen auf das typische Unternehmen einer Branche haben, als auch global gültige Richtlinien ein. Dazu zählen zum Beispiel UN Global Compact (Quelle: UN Global Compact), die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen (Quelle: OECD Guidelines for Multinational Enterprises) oder die Sustainable Development Goals (SDGs, Quelle: UN Department of Economic and Social Affair Sustainable Development). Das Ausmaß der branchenspezifischen Risiken definiert die jeweiligen Leistungsanforderungen und die Gewichtung der unterschiedlichen Ratingbereiche (E,S und G). Sektoren mit der höchsten Gewichtung von bis zu 80 Prozent im Bereich S sind unter anderem Pharmaunternehmen und Bildungseinrichtungen. Daneben gibt es Indikatoren, die in allen Sektoren Berücksichtigung finden, wie zum Beispiel Personal- und Lieferkettenmanagement. Nicht vorhandene Daten wirken sich negativ auf den ESG Score aus. Auch bei diesem Ansatz führen Verstöße und Kontroversen zu einer Punktereduzierung in der Gesamtbewertung. Die Bewertung der Nachhaltigkeitsleistung wird den Unternehmen zur Verfügung gestellt und bietet Möglichkeit zur Stellungnahme.
EU Sozialtaxonomie – Chance auf globale Wirkung?
Der mögliche Einfluss der erst vor kurzem veröffentlichten ersten Fassung einer EU Sozialtaxonomie (Quelle: Europäische Kommission) ist noch unklar. Der Entwurf plädiert, wie die EU-Umwelttaxonomie, für Kriterien, die einen wesentlichen Beitrag leisten und keinen nennenswerten Schaden anrichten. Die mit der Sozialtaxonomie verbundenen Ziele könnten von Unternehmen mehr Transparenz in den Bereichen Gesundheit, Menschenrechte, Gleichstellung und Nichtdiskriminierung einfordern. Der Beitrag von Produkten und Dienstleistungen zu angemessenen Lebensbedingungen ist von immenser Bedeutung, da sie nicht nur soziale Mindestgarantien definieren sollen, sondern vor allem einen positiven Beitrag zur Verbesserung sozioökonomischer Umstände und/oder der Erfüllung sozialer Bedürfnisse beitragen sollen. Unsere Datenprovider wollten zum Zeitpunkt der Interviews noch keine verbindliche Aussage zur Sozialtaxonomie treffen, betonten aber, dass die eigenen Metriken mit dieser im Einklang stehen. Man sollte nicht erwarten, dass diese kurzfristig weltweite Wirkung entfalten werden und die Messung sozialen Impacts erleichtern bzw. ermöglichen werden. Es wird aber davon ausgegangen, dass auch Länder außerhalb Europas mit diversen Taxonomien nachziehen werden. Es ist definitiv ein Schritt in die richtige Richtung, aber die Messung der sozialen Auswirkung wird nach wie vor eine Herausforderung bleiben.
Der ESGenius Score
Als Grundlage für hochwertige Nachhaltigkeitsanalysen zieht die Erste Asset Management die Informationen mehrerer Provider heran. Darüber hinaus werden auch Informationen internationaler Institutionen und NGOs genutzt, um das Bild abzurunden. Die Berücksichtigung unterschiedlicher Methodologien, Faktoren und Gewichtungen im hauseigenen Nachhaltigkeitsscore, dem ESGenius-Score, ermöglicht es uns, ein schärferes Bild der Nachhaltigkeitsanstrengungen und -leistungen von Unternehmen und Staaten zu gewinnen.
Wichtige rechtliche Hinweise:
Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für künftige Wertentwicklungen.