Die Rohölpreise haben in der abgelaufenen Woche ihren Höhenflug fortgesetzt. Der Preis für die als wichtige Referenzsorte geltende Nordsee-Ölsorte Brent stieg am Terminmarkt zeitweise über 86 Dollar je Barrel (159 Liter) und damit auf den höchsten Stand seit 4 Jahren. Der Preis für die US-Ölsorte WTI erreichte mit Kursen über 84 Dollar je Fass sogar ein Siebenjahreshoch. Die Ölpreise kamen zwar zeitweise wieder leicht zurück, liegen aber immer noch knapp unter diesen Mehrjahreshochs.
Hintergrund der Ölpreisanstiege sind die mit der laufenden Konjunkturerholung steigende Ölnachfrage im Zusammenspiel mit Ängsten vor einem knappen Angebot. Auslöser des Preisschubs der vergangenen Tage war ein von der US-Regierung am Mittwoch gemeldeter Rückgang der Ölreserven. Laut den Daten waren die Lagerbestände an Rohöl um 0,4 Millionen auf 426,5 Millionen Fass geschrumpft. Dar Markt wurde damit überrascht, da zuvor der Interessensverband American Petroleum Institute (API) einen Zuwachs der Lagerbestände gemeldet hatte.
Davor waren die Ölpreise bereits vom Ausgang der OPEC-Verhandlungen Anfang Oktober nach oben getrieben worden. Die Mitgliedsstaaten der OPEC+ hatten sich darauf geeinigt, ihre Tagesproduktion trotz der Knappheit am Weltmarkt im November nur um die bereits geplanten 400.000 Fass anzuheben. Die zuvor von Medienberichten geschürten Hoffnungen auf eine stärkere Ausweitung der Ölproduktion wurden damit enttäuscht.
Gaspreise weiter auf Rekordhochs
Auch die für die Strombranche wichtigen Gaspreise liegen weiter auf sehr hohem Niveau. Mangels ausreichender Reserven ist Erdgas derzeit in Europa knapp. Viele Stromerzeuger weichen damit auf Kohle und Öl als Energiequellen aus, was die Ölpreise zusätzlich antreibt. Russland steht zwar nach eigenen Worten für eine Erhöhung der Erdgaslieferungen nach Europa bereit, macht dieser aber von einer Genehmigung der geplanten Pipeline Nord Stream 2 durch Deutschland abhängig.
Die hohen Preise bringen die Stromversorger in Europa teilweise schon deutlich in Bedrängnis. So hat es in Deutschland bereits Pleiten kleinerer Stromanbieter gegeben. In Großbritannien steht die Branche besonders stark unter Druck: Das Land hält nur kleine Gasreserven, die Hersteller können die Gaspreisanstiege aber nicht direkt weitergeben, da Privathaushalte durch eine staatliche Preisdeckelung geschützt sind.
Bereits im kommenden Monat könnten mindestens 20 weitere Unternehmen der Strombranche in Bankrott gehen, sagt der Chef des Energiekonzerns Scottish Power am Donnerstag in einem Interview mit dem TV-Sender Sky. Auch die Unternehmen anderer energieintensiver Branchen wie etwa der Stahlherstellung kommen britischen Medienberichten zufolge schon stark unter Druck.
Energiepreise hieven Inflation in Europa auf Mehrjahreshochs
In den Verbraucher- und Erzeugerpreisdaten schlagen sich die Energiepreisanstiege schon merklich nieder. So stiegen die Erzeugerpreise in Deutschland im September im Jahresvergleich um 14,2 Prozent. Das ist der stärkste Anstieg seit Oktober 1974. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) geht davon aus, dass die starke Inflation nicht von Dauer sein wird, allein die Angst vor Preissteigerungen aber zu einer selbst erfüllenden Prophezeiung werden können.
Gehen Verbraucher und Unternehmen davon aus, dass die Preise weiter steigen, „werden die Menschen Käufe vorziehen und höhere Löhne fordern. Die Unternehmen wiederum werden auf ihre Preise aufschlagen, wenn sie damit rechnen, höhere Löhne und höhere Erzeugerpreise zahlen zu müssen“, erklärt die DIW-Wirtschaftsforscherin Kerstin Bernoth. Dies könne nach Einschätzung der Ökonomin eine Lohn-Preis-Spirale in Gang setzen.
In Deutschland ist die Inflationsrate im September auf 4,1 Prozent und damit erstmals seit knapp 28 Jahren wieder über die Vier-Prozent-Marke gesprungen. Im gesamten Euroraum stieg die Inflationsrate auf 3,4 Prozent und damit auf den höchsten Stand seit 13 Jahren. Der steigende Inflationsdruck könnte damit die laufende Erholung von der Corona-Krise ausbremsen, wird befürchtet. Die Inflationsdaten schüren an den Märkten auch Ängste vor gegensteuernden Maßnahmen der Notenbanken und einem Abrücken von ihrer konjunkturstützenden, lockeren Geldpolitik. Bisher haben viele Notenbanker die Inflationsanstiege allerdings als nur temporäre Sondereffekte eingestuft.
Japan und China besonders stark von Energiepreishöhenflug betroffen
Auch in anderen Regionen der Welt werden die Energiepreisanstiege zunehmend zu einem Problem. So haben sich die Erdgaspreise in Asien heuer mehr als verfünffacht. Japan ist besonders stark betroffen, da es bis auf einen kleinen Teil seinen gesamten Energiebedarf importieren muss. Noch schlagen sich die Energiepreise in dem Land nicht in den Inflationsdaten nieder, da viele Unternehmen sich scheuen die Preise an ihre Kunden weiterzugeben, um die Erholung des ohnedies schwachen Konsums nicht zu gefährden. Doch Japans Ministerpräsident Fumio Kishida hat sein Kabinett bereits angewiesen Schritte gegen die hohen Energiekosten einzuleiten.
In China kommen zu den hohen Energiepreisen auch die zuletzt häufig aufgetretenen Stromausfälle, die die Versorgungssicherheit des Landes gefährden. Medienberichten zufolge sollen einige große chinesische Konzerne bereits mit US-Exporteuren über einen milliardenschweren Vertrag zur Lieferung von Flüssiggas verhandeln. Mindestens fünf große Konzerne sollen laut mit der Sache vertrauten Personen bereits verhandeln.
IEA und Weltbank erwarten vorerst kein Ende der Engpässe
Ein Ende der starken Energiepreisnachfrage ist dabei nicht in Sicht. Laut jüngsten Prognosen der Internationalen Energieagentur (IEA) dürfte sich die weltweite Ölnachfrage im kommenden Jahr auf das Niveau von vor der Corona-Pandemie erholen. Die IEA erwartet, dass die globale Energiekrise die Ölnachfrage um eine halbe Million Fass pro Tag ankurbeln wird. Auch die Weltbank erwartet laut einer aktuellen Prognose vorerst ein Verharren der Energiepreise auf hohem Niveau. Erst in der zweiten Jahreshälfte 2022 dürften sich die Engpässe auf Angebotsseite auflösen, und damit eine Entspannung der Lage kommen, erwarten die Weltbank-Ökonomen.
Damit sind auch Gegenmaßnahmen von Seiten der EU gefragt. Die Energiepreise waren entsprechend auch ein bestimmendes Thema des am Freitag ausgelaufenen EU-Gipfels. Die 27 EU-Staats- und Regierungschefs haben sich aber wie erwartet nicht auf ein einheitliches Vorgehen gegen die hohen Energiepreise einigen können. Bei den Beratungen forderten Ländern wie Spanien, Italien und Griechenland am Donnerstag in Brüssel gemeinsame Gaseinkäufe der EU-Staaten. Das hatte etwa Deutschland jedoch schon zuvor abgelehnt. In der Gipfelerklärung wird auf das vorgeschlagene Maßnahmenpaket der EU-Kommission verwiesen sowie auf die Beratungen der EU-Energieminister am 26. Oktober.
FAZIT:
Die hohen Notierungen für Erdöl und Erdgas sind Folge der Konjunkturerholung aber auch der politischen Differenzen rund um die Inbetriebnahme der Pipeline Nord Stream 2. Mit dem Aktienfonds ERSTE STOCK COMMODITIES kann man indirekt am aktuellen Preisniveau für Energie und Rohstoffe partizipieren.
Wichtige rechtliche Hinweise:
Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für künftige Wertentwicklungen.