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Rezessionsgefahr in Europa? Arbeitsmarktdaten unter der Lupe

Rezessionsgefahr in Europa? Arbeitsmarktdaten unter der Lupe
Rezessionsgefahr in Europa? Arbeitsmarktdaten unter der Lupe
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In meinem letzten Blogbeitrag haben wir die Hintergründe der Sahm-Rule geklärt und uns damit befasst, wie sicher eine kommende Rezession in den USA ist, nachdem die Sahm-Rule mit dem US-Arbeitsmarktbericht im August ausgelöst wurde. Für die Erfinderin der Sahm-Rule ist das diesmal nicht so sicher und außerdem zeigt eine genauere Analyse der Daten, dass die Sahm-Rule technisch gar nicht ausgelöst wurde.

Abgesehen von dieser technischen Nuance bezieht sich die Sahm-Regel in erster Linie auf den US-Arbeitsmarkt. Leider gibt es keinen entsprechenden Indikator für Europa oder die Eurozone. In diesem Artikel schlage ich jedoch einen Ansatz zur Analyse des vielfältigen europäischen Arbeitsmarktes vor, indem die Eurozone in zwei unterschiedliche Regionen unterteilt wird: den Kern und die Peripherie.

Zwei Regionen mit vielen Unterschieden

Dabei zeigt die folgende Abbildung, was ich mit heterogen meine. Die Kernländer repräsentieren die stärkeren Produktionsmitglieder der Eurozone, wie Deutschland, die Niederlande, Österreich und Finnland (unter anderem). Diese 4 Länder repräsentieren zum Beispiel auch die geldpolitischen Falken – treten also eher für eine restriktive Geldpolitik ein.

Auf der anderen Seite stehen die Mitglieder der Peripherie, wie Italien, Spanien, Griechenland und andere osteuropäische Länder. Diese Länder sind eher dienstleistungs- (Tourismus) oder agrarlastig. Darüber hinaus zählen sie in Bezug auf die Geldpolitik eher zum „dovish camp“ (für eine lockere Geldpolitik)

Oben im Diagramm sehen wir den BIP-gewichteten Durchschnitt der Arbeitslosigkeit für beide Regionen. Nach der Großen Finanzkrise erlebten die Länder der Peripherie einen schweren Wirtschaftsabschwung, während der Arbeitsmarkt in den Kernländern relativ stabil blieb (mit einer vorübergehenden Schwäche in den Jahren 2009 und 2013). Dieser globale Schock, gefolgt von der Eurokrise, hatte nachhaltige Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt in den peripheren Regionen.

Darüber hinaus gibt es selbst innerhalb der beiden Regionen erhebliche Unterschiede zwischen den Ländern, insbesondere in der Peripherie. Im Jahr 2013 verzeichneten Griechenland (mit einer Arbeitslosenquote von 28,2 %) und Spanien (26,4 %) die höchsten Arbeitslosenquoten, was mit dem Höhepunkt der Eurokrise zusammenfiel. Im Gegensatz dazu wiesen von höherer Arbeitslosigkeit betroffenen Kernländer niedrigere Quoten auf: Frankreich mit 10,5 % und Finnland mit 8,9 %. Interessanterweise verzeichnete die Kernzone ihre höchste Arbeitslosenquote im Frühjahr 2005, als die Quote in Deutschland 11,2 % erreichte, was dem Land den Beinamen „der kranke Mann Europas“ einbrachte.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Eurozone unterschiedliche wirtschaftliche Merkmale aufweist. In den Kernländern liegt der Schwerpunkt auf dem verarbeitenden Gewerbe, während die Peripherie landwirtschaftlich oder touristisch geprägte Regionen (vor allem im Süden) und wirtschaftlich weniger entwickelte Gebiete (z. B. im Osten) umfasst. Größere Länder in der Peripherie sind aufgrund von Leistungsbilanzdefiziten gegenüber den Kernländern, insbesondere Deutschland, höher verschuldet. Das macht es für die EZB schwer, eine einheitliche, effiziente Zinspolitik zu implementieren. Interessanterweise haben sich Faktoren wie Inflation (vor allem aus dem Energiebereich), Arbeitsmarktdemografie, Anpassungen der Lieferketten und Reisenachfrage nach der Covid-Krise für die Peripherie günstiger entwickelt.

Ob dies weiterhin der Fall sein wird und die europäische Integration beziehungsweise Konvergenz voranschreitet, bleibt abzuwarten. Beim diesjährigen Forum Alpbach hat Andreas Teichl auf die Wichtigkeit von europäischer Entschlossenheit und Einheit hingewiesen, da wir wirtschaftlich und politisch immer weiter zurückfallen, und niemand auf Europa warte.

Eurozone aktuell klar unter Schwellenwert

Angesichts all dieser Probleme stellt sich jedoch die Frage, ob die schwächelnde Wirtschaft in Europa auch zu einer signifikanten Abschwächung des Arbeitsmarktes führt, und somit die Eurozone vor wirtschaftlichen Turbulenzen stehen wird. Anhand der verfügbaren Arbeitslosendaten (die erste vollständige Stichprobe ist für Januar 2000) können wir die Sahm-Regel für die Eurozone berechnen. Wie bereits in meinem letzten Beitrag erläutert, wird dazu der gleitende 3-Monats-Durchschnitt berechnet und das 12-Monats-Minimum abgezogen. Wenn dieser Wert 0,5 % übersteigt, deutet dies auf eine Rezession hin, zumindest nach den Kriterien der USA.

Die Ergebnisse sind in der nachstehenden Grafik dargestellt. Bei Verwendung desselben Schwellenwerts wie in den USA (0,5 %) sind beide Gebiete der Eurozone derzeit nicht in der Nähe des Niveaus, das eine Rezession anzeigt.

Es gibt jedoch einige interessante Muster, die die man aus den historischen Daten ziehen kann. Traditionell gingen wirtschaftliche Schocks innerhalb der Eurozone bei Ereignissen wie der großen Finanzkrise, der Eurokrise und der Covid-Pandemie von der Peripherie aus. Die aktuelle Situation weicht jedoch von diesem Muster ab: Die Peripherie erfährt derzeit keine „Aufwärtsdynamik“ bei der durchschnittlichen Arbeitslosenquote (0,048 %), während der Kern bei 0,269 % liegt. Der untere linke Teil des Diagramms zeigt, dass die Spanne relativ zur eigenen Historie in den Kernländern größer ist als in der Peripherie. Im Juni weist Finnland mit 1,067 % den höchsten Wert im Kerngebiet auf. Jedoch haben schon einige Länder die Arbeitslosenraten für Juli veröffentlicht, wobei die Arbeitslosigkeit in Finnland wieder auf 7,9 % gefallen ist (von 8,3 %). Eine solche Verschiebung von wirtschaftlicher Schwäche in Richtung Kernländer gab es zuletzt zwischen 2003 und 2006 aufgrund der wirtschaftlichen Schwäche in Deutschland. In Anbetracht der Sahm-Regel erscheint es unwahrscheinlich, dass die Eurozone in eine wirtschaftliche Rezession gerät, welche durch höhere Arbeitslosigkeit und deren Sekundäreffekten ausgelöst wird.

Betrachtet man die jüngsten Arbeitslosenzahlen vom Juni, so liegen einerseits drei Länder deutlich über der rezessionsauslösenden Schwelle und zwei leicht darüber. Diese drei Länder sind Litauen, Estland und Finnland, welche stark vom Konflikt in der Ukraine betroffen sind. Andererseits gibt es 8 Länder mit einer Zahl von Null, was bedeutet, dass die durchschnittliche Quote auf dem Minimum der letzten 12 Monate liegt, was darauf hindeutet, dass die Arbeitslosenquote gleichbleibend oder sogar rückläufig ist. Wie wir in der nächsten Grafik sehen werden, ist dies aus historischer Sicht ein gutes Zeichen.

Eine weitere wichtige Erkenntnis ist die Betrachtung des Anteils der Länder, die an der Schwelle von 0,5 % oder darüber liegen.  Im bisherigen Jahresverlauf lag der Anteil der Länder über dem Schwellenwert bei 25 % (außer im Mai mit 20 %). Ein Blick auf das nachstehende Schaubild zeigt, dass die letzte kleine Spitze im September 2023 mit 30 % zu verzeichnen war. Im Allgemeinen liegt nicht mehr als ein Viertel der Länder der Eurozone über der Rezessionsschwelle, Finnland scheint sich zu erholen, und die beiden Länder, die knapp über 0,5 % liegen (Belgien und Luxemburg), könnten ebenfalls unter die Schwelle von 0,5 % kommen. Somit könnte der jüngste Anstieg der Arbeitslosigkeit eher als Normalisierung denn als wirtschaftliche Schwäche angesehen werden. Damit würde der Gesamtanteil der Mitglieder der Eurozone über der Rezessionsschwelle auf 15 % sinken.

Fazit

Letztlich deutet die aktuelle Arbeitsmarktsituation in Europa nicht unbedingt auf eine bevorstehende Rezession hin, zumindest nicht nach der Sahm-Regel. Auch wenn das verarbeitende Gewerbe in Deutschland vor Herausforderungen steht und globale Unsicherheiten fortbestehen, deuten die Daten der Eurozone insgesamt auf eine Veränderung des wirtschaftlichen Umfelds hin, welche die Effekte einer Anpassung der europäischen Wirtschaft an die veränderten globalen Gegebenheiten darstellt. In Anbetracht der Sahm-Regel erscheint es unwahrscheinlich, dass die Eurozone in einen Wirtschaftsabschwung eintritt, der durch höhere Arbeitslosigkeit verursacht wird.

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