Am 5. November ist es soweit – neben der Neuwahl des Repräsentantenhauses und von ca. 1/3 des Senats wird in den USA ein neuer Präsident oder Präsidentin bestimmt. Seit der Entscheidung des Amtsinhabers, nicht zur Wahl anzutreten, hat die Demokratin Kamala Harris eine eindrucksvolle Aufholjagd gegenüber dem Republikaner Trump gezeigt.
Es gibt viele Umfragen und Wettbörsen, an denen man seine Meinung kundtun kann. Das vor dem Hintergrund, dass „klassische“ telefonische Umfragen im Internet-Zeitalter nicht mehr eine ähnliche Prognosegüte aufweisen wie früher. Eine der Umfragen wollen wir hier heranziehen, sie zeigt einen unterschiedlich ausgeprägten, aber seit zwei Monaten konstanten Vorsprung für Harris:
Umfragetrend Präsident:innenwahl
Quelle: Bloomberg, PredictIt; Stand 30.09.2024
Zugleich ist für die Wahl nicht das Gesamtergebnis („popular vote“) entscheidend, sondern das Abstimmungsergebnis der Wahlpersonen („electoral college“), die jeweils pro Bundesstaat bestimmt und entsandt werden. Hier ist von Bedeutung, dass es Bundesstaaten gibt, die historisch selten das Wahlverhalten ändern, und wiederum solche, bei denen traditionell eine knappe und wechselnde Entscheidung vorliegt. Auf diese sogenannten „Swing States“ konzentriert sich die Wahlaktivität der Kandidaten.
Aktuell gelten 157 der Wahlpersonen als aus „Swing States“ stammend, von 538 Stimmen insgesamt. Hier zeigt sich, dass die Situation letztlich anders aussehen kann – nämlich genießt Trump in Umfragen einen gewissen Vorsprung:
Detailergebnisse „Swing States“ US-Präsident:innenwahl
Quelle: Bloomberg, RealClearPolitics; Stand 30.09.2024
Insgesamt lässt sich sagen, dass die beiden Lager – Republikaner und Demokraten – in den USA durchaus als etwa gleichstark angesehen werden können. Ein „taktisches“ Wahlverhalten – in der Präsident:innenwahl so, und in den parlamentarischen „Häusern“ so – ist nichts ungewöhnliches, und die wirtschaftliche Stimmung ist sehr wichtig: Wächst die Wirtschaft oder schrumpft sie, steigen oder fallen die verfügbaren Einkommen, wie steht der Benzinpreis? Ergänzend spielt die geopolitische Lage eine Rolle, traditionell aber weniger als die wirtschaftliche, indem lokale Fragen entscheiden.
Die „Temperatur“ der Wirtschaft in den USA lässt sich nicht nur in absoluten Werten, sondern auch relativ messen: Treffen neue Daten über oder unter den Erwartungen der Analysten ein? Hier zeigt sich, dass die Lage nach einer negativen Situation Juni-August im September auf positiv gedreht hat:
Wirtschaftliche „Überraschungs“-Indizes
Quelle: Bloomberg, PredictIt; Stand 30.09.2024
Es begünstigt eine positive wirtschaftliche Grundstimmung in den USA den Amtsinhaber – das dürfte auch für die Vize-Präsidentin Harris gelten.
Ein Thema, das für die Zukunft adressiert werden müsste, ist das vergleichsweise hohe Budgetdefizit – im Vergleich mit Europa, wo 3% Defizit einen gedanklichen Ausgangspunkt bilden (der innerhalb der EU mal besser, mal weniger gut getroffen wird). In den USA liegt das Defizit zuletzt bei 7,2%, wie der folgende Chart zeigt. Andererseits ist die Staatsverschuldung relativ konstant – bemessen an der Wirtschaftsleistung, hervorgerufen durch stetig hohes Wachstum.
Budget und Staatsverschuldung
Quelle: Bloomberg; Stand 30.09.2024
Abschließend ist es interessant, einen Blick auf große Wirtschaftsräume zu werfen. Noch vor wenigen Jahren war die Prognose, dass China die USA in absehbarer Zeit überrunden würde, aufgrund noch höherer Wachstumsraten als die USA, die selbst wiederum dauerhaft stärker wächst als Europa (was mehr und mehr Grund zur Sorge gibt: das schwächelnde Wachstum und die geringe Innovationskraft in Europa). Nun zeichnet sich eine Reduktion des Wachstums in China ab, und so scheint die globale Pole Position der USA weiterhin abgesichert.
Leistung großer Wirtschaftsräume (in Billionen US-Dollar)
Quelle: Bloomberg; Stand 30.09.2024
Fazit
Momentan ist das Rennen um die Präsidentschaft in den USA offen: In den landesweiten Umfragen weist Harris einen Vorsprung auf, und bei den spezifischen „Swing State“-Umfragen Trump. Am 5. November mag die wirtschaftliche Stimmung den letzten Ausschlag geben – hier hat sich die Datenlage nach zuvor unangenehmen Werten seit Oktober verbessert.