Die Ankündigung neuer Zölle der US-Regierung gegen praktisch jedes Land rund um den Globus rüttelt die Finanzmärkte seit vergangener Woche kräftig durch. Nach den Turbulenzen an den Märkten, reagierten viele Länder mit Gegenmaßnahmen. Am Mittwochabend macht der US-Präsident schließlich einen Rückzieher und gibt auf der Social-Media-Plattform Truth Social bekannt, er habe eine 90-tägige Pause für den Großteil der neuen Zölle angeordnet. Diese Pause betreffe alle Länder die zu Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten bereit seien. In dieser Zeit gelte ein gesenkter Zollsatz in Höhe von zehn Prozent. Explizit davon ausgenommen: China. Vielmehr hob Trump den Zollsatz für chinesische Einfuhren sogar auf insgesamt 125 Prozent an. Mit der zweitgrößten Volkswirtschaft geht Trump also weiterhin auf Konfrontationskurs.
Die Märkte reagieren am Mittwochabend und am Donnerstag mit purer Erleichterung auf die Wende in Trumps Zollpoker und schossen deutlich nach oben. Am Donnerstag gingen die Börsen in den USA wiederum mit Verlusten aus dem Handel – die Situation bleibt also volatil.
Wir werfen einen Blick auf die Reaktionen der restlichen Welt auf Trumps Zollpläne und fragen bei Chief Investment Officer Gerold Permoser nach, mit welchen Folgen zu rechnen ist und wie wir als Asset Managerin in der aktuellen Situation handeln.
Welchen Hintergrund hat der Zollpoker?
Die von Trump bei der Ankündigung präsentierte Ländertafel zeigte erhöhte Zölle von 10 bis 50 Prozent für eine lange Liste wichtiger Handelspartner. Laut Trump hatten die USA überall dort ihre Zölle angehoben, wo sie derzeit weniger verlangen als ihre Partner.
Der US-Präsident will mit den Zöllen angebliche Handelsungleichgewichte korrigieren und die Produktion in die USA verlagern. Damit soll auch das Handelsdefizit mit vielen Ländern reduziert werden, welches Trump ein Dorn im Auge ist. Zugleich sollen die Zolleinnahmen dazu dienen, sein teures Wahlversprechen großer Steuersenkungen zu finanzieren. Das Motto sei „Was sie uns antun, tun wir ihnen an“, betonte Trump. Tatsächlich orientierte sich die Liste der neuen Zölle aber nicht nur an den von anderen Ländern eingehobenen Zöllen auf US-Produkte. Eingerechnet werden auch Mehrwertsteuern und andere Faktoren, die laut Trump zu einer unfairen Marktverzerrung führen.

Mit der Verkündung neuer Zölle gegen viele Länder durch US-Präsident Donald Trump vergangene Woche wurde es turbulent an den internationalen Börsen. Copyright: ANGELA WEISS / AFP / picturedesk.com
Expert:innen warnten umgehend vor den Folgen eines drohenden Handelskriegs für die Weltwirtschaft. So fürchtet die EZB-Präsidentin Christine Lagarde weltweit negative Auswirkungen. Der Schaden hänge davon ab, wie weit die Zölle reichten, wie lange sie andauerten und ob sie erfolgreiche Verhandlungen auslösten, sagte Lagarde unmittelbar nach Trumps Ankündigung. Kritisch äußerte sich auch Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni, die Trump eigentlich nahesteht. Sie nannte die neuen Zölle „falsch“.
Ökonom:innen erwarten auch für die USA selbst negative Auswirkungen. So warnte US-Notenbankchef Jerome Powell zuletzt vor steigender Inflation und einem verlangsamten Wirtschaftswachstum. „Obwohl die Zölle höchstwahrscheinlich zumindest einen vorübergehenden Anstieg der Inflation verursachen werden, ist es auch möglich, dass die Auswirkungen länger anhalten“, sagte Powell nach der Ankündigung der neuen Zölle.
EU schlägt Freihandelszone vor, beschließt aber auch Gegenzölle
Als Reaktion auf die bereits in Kraft gesetzten Sonderzölle auf Stahl und Aluminium hat die EU am Mittwoch Gegenzölle von 25 Prozent auf zahlreiche US-Produkte angekündigt, darunter Fleisch, Getreide, Wein, Holz und Kleidung sowie Kaugummi, Staubsauger und Toilettenpapier. Die EU-Kommission betonte in einer Mitteilung am Mittwoch, die Gegenmaßnahmen könnten jederzeit ausgesetzt werden, sollten die USA einem fairen und ausgewogenen Verhandlungsergebnis zustimmen. Ob nach der angekündigten Pause für die US-Zölle auch die EU ihre Gegenzölle wieder zurücknimmt steht bis dato noch nicht fest.
Die EU-Kommissionspräsident Ursula von der Leyen kündigte zudem an, den Ausbau der Handelsbeziehungen mit anderen Ländern voranzutreiben und nannte Indien, Thailand, Malaysia, Indonesien als Beispiele. Zudem verwies sie auf die bereits geplanten Abkommen mit dem südamerikanischen Staatenbündnis Mercosur sowie Mexiko und der Schweiz. 83 Prozent des globalen Handels gebe es jenseits der USA, sagte von der Leyen.

Das Niveau der US-Zölle würde mit den vergangene Woche verkündeten Maßnahmen ein seit langem nicht dagewesenes Niveau erreichen. Copyright: ANGELA WEISS / AFP / picturedesk.com
China reagiert mit massiven Gegenzöllen und signalisiert Konfrontation
China hat bereits mit Gegenzöllen reagiert und signalisiert einen Konfrontationskurs. Trump hatte auf Importe aus der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt Zölle in Höhe von 34 Prozent in Kraft gesetzt. Unter den Ländern, die Amerika „ausnutzen“ sei China der „größte Übeltäter“, schrieb der US-Präsident auf seiner Plattform Truth Social. Peking hat in Reaktion auf Trumps Zollentscheidungen umgehend Gegenzölle in der gleichen Höhe von 34 Prozent auf US-Importe angekündigt. Zusätzlich würden Exportkontrollen für sieben Seltene Erden eingeführt, erklärte das chinesische Handelsministerium. Zudem hat Peking elf US-Unternehmen auf eine schwarze Liste gesetzt, welche es den betroffenen Firmen de facto unmöglich macht, weiter Handel in China oder mit chinesischen Unternehmen zu betreiben.

Die chinesische Regierung geht im Handelsstreit auf Konfrontationskurs mit der US-Regierung. Mit China haben die USA derzeit das größte Handelsbilanzdefizit. Quelle: US Census Bureau, statista.com
Der US-Präsident hat in einer Gegenreaktion noch höhere Zölle von 50 Prozent auf chinesische Produkte angedroht, sollte China nicht einlenken. Trump gab der chinesischen Führung bis Dienstag Zeit, die von Peking verkündeten Gegenzölle in Höhe von 34 Prozent wieder zurückzunehmen. Die Antwort aus Peking folgte umgehend. Bestünden die USA weiterhin auf diesem Weg, werde „China sie definitiv bis zum Ende begleiten“, teilte das Pekinger Handelsministerium mit. Sollten die USA ihre Zollmaßnahmen weiter eskalieren, werde „China entschlossen Gegenmaßnahmen ergreifen, um seine eigenen Rechte und Interessen zu schützen“, so das Handelsministerium
Am Mittwoch machte die chinesische Regierung ihre Drohung wahr und hob die Zölle ihrerseits auf 84% an, worauf Trump wie eingangs erwähnt den Zoll auf chinesische Einfuhren auf 125 Prozent anhob. Die Zeichen stehen also klar auf Konfrontation zwischen den USA und China.
Wie geht es jetzt weiter?
Einmal hin, einmal her – das scheint in Sachen Zölle derzeit das Motto des US-Präsidenten. Doch ist der Handelskrieg mit weitreichenden Folgen für die Weltwirtschaft jetzt abgesagt? „Der Handelskonflikt auf globaler Ebene ist damit unserer Meinung nach noch nicht beendet und birgt nach wie vor die Möglichkeit für weitere Volatilität auf den Märkten“, kommentiert Alexander Lechner, Head of Multi Asset Management bei der Erste Asset Management. Vor allem die weitere Eskalation zwischen China und den USA bleibe ein großer Unsicherheitsfaktor.

FAQs zu den aktuellen Marktturbulenzen
Die internationalen Aktienmärkte erleben volatile Zeiten. Neue Zölle, geopolitische Spannungen und die Sorge um steigende Inflation und Zinsen verunsichern Anleger:innen weltweit. Viele fragen sich nun: Was bedeutet das für mein Portfolio? Sollte ich handeln – oder besser abwarten? In unserem FAQ gibt Gerold Permoser Antworten auf die wichtigsten Fragen und erklärt, wie wir als Erste Asset Management in dieser Situation agieren.
An den Börsen geht es turbulent her – was ist passiert?
Die Einführung neuer Zölle hat an den globalen Finanzmärkten für erhebliche Verunsicherung gesorgt. Zölle bremsen das Wirtschaftswachstum, schmälern Unternehmensgewinne und können zu einem vorübergehenden Anstieg der Inflation führen. Die Folge: breite Kursverluste an nahezu allen Märkten. Immerhin: Die gestern angekündigte Pause auf einen Großteil der Zölle hat gezeigt, dass die Märkte sehr rasch auf positive Nachrichten reagieren können. Trotzdem ist noch unklar, ob wir den Höhepunkt bereits gesehen haben oder ob es sich um den Beginn einer längeren volatilen Phase handelt. Trotz der 90-tägigen Pause, gilt es zu beachten, dass die Zölle für chinesische Importe sogar noch deutlich angehoben wurden. China ist einer der wichtigsten Handelspartner mit den USA – das hat also sehr weitreichende Auswirkungen.
Was bedeutet das für Inflation und Zinsen – und wie wirkt sich das auf mein angelegtes Geld aus?
Zölle können kurzfristig zu einem Preisanstieg führen – ein sogenannter Einmaleffekt. Das kann die Inflation steigen lassen. Ob und wie stark Zentralbanken darauf mit Zinserhöhungen reagieren, hängt davon ab, ob der Effekt nachhaltig ist. Steigende Zinsen belasten vor allem wachstumsstarke Technologieaktien, während das für Banken potenziell eine gute Situation ist. Wichtig ist, Ruhe zu bewahren und mit einem kühlen Kopf zu handeln. Panik ist selten ein guter Ratgeber.
Werden meine Aktien jetzt stark an Wert verlieren?
Die Märkte haben bereits empfindlich auf die Ankündigung neuer Zölle reagiert, besonders in betroffenen Branchen wie Konsumgüter. Aber: Handelskonflikte sind nichts Neues – erinnern wir uns an die erste Amtszeit von Präsident Trump. Oft zeigen die Märkte nach der ersten Schockreaktion wieder Stabilität, vor allem wenn Verhandlungen in Aussicht stehen – ein Muster, das wir auch jetzt nach der gestrigen Ankündigung Trumps sehen. Eine breit diversifizierte Anlagestrategie – etwa über Vermögensverwaltungen oder gemischte Fonds – kann solche Schwankungen zumindest ein wenig abfedern. Aber auch in solchen Fonds gibt es natürlich Risiken, die es zu beachten gilt.
Sollte ich mein Geld jetzt aus dem Markt nehmen und abwarten?
Emotionale Entscheidungen führen an den Kapitalmärkten fast immer zu suboptimalen Ergebnissen. Wer langfristige Ziele verfolgt, sollte an ihnen festhalten. Markt-Timing, also der Versuch, exakt den richtigen Ein- oder Ausstiegszeitpunkt zu treffen, gelingt selbst Profis selten zuverlässig.
Was hat die Erste AM als Vermögensverwalterin in den letzten Tagen unternommen?
Wir haben uns bereits im Vorfeld vorsichtig positioniert und unser Risiko reduziert – konkret über:
• ein Untergewicht in Aktien,
• ein Untergewicht in den USA und ein Übergewicht in Europa,
• sowie eine Positionierung in Gold.
Angesichts der aktuellen Lage haben wir weitere Maßnahmen ergriffen: Wir reduzieren das Risiko, indem wir Anleihen mit niedriger Bonität aus Europa und Asien verkaufen. Im Gegenzug bauen wir Positionen in europäischen Staatsanleihen auf – denn wir erwarten, dass die Zollthematik in Europa eher deflationär wirkt.
Warum reduziert die Erste AM die Aktienquote nicht weiter?
Weitere Reduktionen bei chancenreichen Anlagen nehmen wir derzeit bewusst nicht vor – aus folgenden Gründen:
• Viele negative Nachrichten sind bereits eingepreist. Häufig überreagieren Märkte zunächst, bevor sich eine realistischere Einschätzung durchsetzt.
• Die US-Regierung hat signalisiert, dass die angekündigten Zölle eine Obergrenze darstellen – das lässt auf Verhandlungsspielräume hoffen.
• In den USA wächst die Kritik an den Zöllen, auch innerhalb der Republikanischen Partei. Der Senat hat mit Unterstützung von vier republikanischen Stimmen ein Gesetz gegen neue Kanada-Zölle auf den Weg gebracht (eine Entscheidung im Repräsentantenhaus steht noch aus).
• Trotz der aktuellen Unsicherheit sind Aktienbewertungen mittlerweile wieder attraktiver als noch vor wenigen Wochen.
Welche Branchen oder Anlageklassen sind jetzt besonders gefährdet – und welche weniger?
Besonders gefährdet sind Unternehmen mit hoher Exportabhängigkeit – vor allem Hersteller aus China. Auch US-Firmen wären potenziell betroffen, wenn die Zölle nach der angekündigten Pause doch kommen und andere Länder mit weiteren Gegenmaßnahmen reagieren.
Positiv könnten die Entwicklungen sein für:
• Unternehmen mit Fokus auf den heimischen Markt und aktivem Lieferkettenmanagement,
• Energie- und Landwirtschaftssektoren – etwa bei steigenden Subventionen,
• sowie „sichere Häfen“ wie Gold oder europäische Staatsanleihen.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass eine Veranlagung in Wertpapiere neben Chancen auch Risiken beinhaltet.
Hat das Auswirkungen auf meinen Aktienfonds?
Ja – aber die Auswirkungen hängen stark vom Fonds ab. Breit gestreute Fonds mit globaler Ausrichtung und mehreren Branchen sind grundsätzlich robuster gegenüber kurzfristigen Schwankungen. Wenn Sie regelmäßig investieren – etwa per Sparplan – können Sie in schwächeren Marktphasen sogar günstiger zukaufen. Daher macht es Sinn, langfristig investiert zu bleiben und nicht auf kurzfristige Entwicklungen zu reagieren.
Bitte beachten Sie: Der Durchschnittskosteneffekt wird bei Sparplänen mit zunehmender Laufzeit kleiner. Das angesparte Geld verhält sich dann immer mehr so, als hätten Sie einmalig den Gesamtbetrag angelegt. Je nach Marktentwicklung kann eine einmalige Veranlagung auch günstiger sein. Eine Veranlagung in Wertpapiere hat neben Chancen auch Risiken.
US-Zölle sorgen für Turbulenzen
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