Das Thema Rezession – in erster Linie in den USA, als bedeutendster Wirtschaftsraum – ist in den Medien derzeit wenig präsent. Der folgende Chart zeigt Google-Suchen nach diesem Begriff: das öffentliche Interesse (rote Linie) zeigt klare Höhepunkte 2020 und 2022, danach bleibt es gering. Vergleichsweise wird häufiger nach „Inflation“ gesucht (blaue Linie).
Google-Searches „Rezession“
Quelle: Bloomberg, Erste Asset Management Multi Asset Chartbook
Der Grund dafür, dass doch eine Rezession bevorstehen könnte, ist die zeitverzögerte Wirkung der massiven weltweiten Leitzinserhöhungen seit dem ersten Quartal 2022. Diese dämpfenden Maßnahmen sind in den USA auf eine unerwartet widerstandsfähige Wirtschaft gestoßen – ob diese Widerstandsfähigkeit bleibt, wird sich zeigen. Hilfreich hat gewirkt, dass Unternehmen und Private die „Nullzinsen“ bis 2022 bis zu einem gewissen Grad „einloggen“ konnten.
Sahm-Indikator
Eine zentrale Annahme ist, dass eine Rezession mit einem plötzlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit einhergeht – mit allen damit verbundenen negativen Folgen. Der Sahm-Indikator misst dies, über einen gleitenden Durchschnitt der Arbeitslosigkeit. Der Schwellwert ist derzeit nicht erreicht, allerdings zeigten die vergangenen drei Monatswerte einen Anstieg:
Quelle: Bloomberg, Erste Asset Management Multi Asset Chartbook
Wobei erst ein Rückgang der Unternehmensgewinne breitflächige Entlassungen auslösen würde, und dafür gibt es derzeit keine Anzeichen.
BCA-Indikator
Der ähnliche BCA-Indikator misst nicht die Arbeitslosigkeit insgesamt, sondern die Zahl derer, die dauerhaft aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden könnten, durch nicht länger hinreichende Fähigkeiten. Auch hier ist der Wert erhöht:
Quelle: Bloomberg, Erste Asset Management Multi Asset Chartbook
Historisch gab es für die USA eine gute Aussagekraft der Zinskurve, die gelegentlich über eine Umkehrung (Inversion) anzeigt, dass die Zinsen in einer kurzen Laufzeit höher sind als die Zinsen einer langen Veranlagung, was für ökonomische Unsicherheit spricht und die Zurückhaltung, auf „lange Sicht“ zu planen.
Die US-Notenbank setzt die Zinsstruktur als Inputfaktor für die Wahrscheinlichkeit einer Rezession ein – das Modell ist damit rein mechanistisch und nicht „qualitativ“, in der Vergangenheit war es aber durchaus aussagekräftig. Wobei es immer zu bedenken gilt, dass Rezessionen dankenswerterweise nicht sehr oft passiert sind, und sich dadurch einer statistischen Auswertung bis zu einem gewissen Grad entziehen. Der Chart zeigt das Resultat, das die seit 2022 vorliegende Inversion widerspiegelt:
Rezessionsprognose aus der US-Zinskurve
Quelle: Bloomberg, Erste Asset Management Multi Asset Chartbook; Hinweis: Prognosen sind kein zuverlässiger Indikator für künftige Wertentwicklungen.
Immigration als Rezessionsschutz
Interessanterweise spielt die Arbeitslosigkeit hier eine doppelte Rolle – als Indikator im Fall eines plötzlichen Anstieges, aber auch als Schutzmechanismus einer Wirtschaft vor Verwerfungen. Der Arbeitsmarkt in den USA war seit der Pandemie außergewöhnlich angespannt – besonders ältere Arbeitnehmer:innen haben ihn verlassen, was zu einem Arbeitskräftemangel führte. Ausgeglichen hat das die Immigration, d.h. ein Zuzug. Der Chart zeigt den steigenden Anteil von Arbeitnehmer:innen, die nicht in den USA geboren wurden:
Quelle: Bloomberg, Erste Asset Management Multi Asset Chartbook
Der Zuzug von Arbeitnehmer:innen, beispielsweise aus Mexiko, hat es der Wirtschaft der USA seit der Pandemie ermöglicht, ein Ungleichgewicht zu vermeiden, das andernfalls durch Arbeitskräftemangel aufgetreten wäre.
“Don’t fight the US Consumer” als Rezessionsschutz
Abschließend sind die Konsument:innen in den USA „notorisch“ kauffreudig, dabei aber nicht mehr so verschuldet, wie es vor der Finanzkrise 2008 der Fall war. Konsumausgaben fließen direkt ins BIP und bieten so einen Schutz vor dessen Reduktion bzw. Rezession. Der Chart zeigt, dass die Ausgaben im historischen Vergleich sportlich sind:
Quelle: Bloomberg, Erste Asset Management Multi Asset Chartbook
Fazit
Obwohl eine USA-Rezession aus der Wahrnehmung zurückgetreten ist, lohnt es sich, Indikatoren zu verfolgen, um als Investmentmanager im Fall des Auftretens rasch und taktisch reagieren zu können.