Die Zahlungsschwierigkeiten des chinesischen Immobilienentwicklers Evergrande könnten das Ende des Immobilien-Booms in China einläuten.
Der wirtschaftliche Aufschwung Chinas war in den letzten Jahrzehnten auch von einem beispiellosen Aufschwung der chinesischen Immobilien-Branche begleitet.
Der Boom hat aber auch Schattenseiten und in den letzten Jahren zu einem Überangebot geführt: laut einem Bericht der Financial Times würde der aktuelle Wohnungs-Leerstand in China Platz für über 90 Millionen Menschen bieten. Aus chinesischer Sicht vermutlich eine kleine Zahl – aber aus europäischer Perspektive durchaus bemerkenswert: würden die leerstehenden Wohnungen doch ausreichen, um sämtliche Einwohner eines der fünf G7-Staaten (nämlich Frankreich, Deutschland, Italien, Großbritannien oder Kanada) zu beherbergen.
„Immobilienpreise in China zeigen ein stabiles Bild.“
Wilhelm Spitaler, Vermögensverwaltung Erste AM
Evergrande-Kollaps – hausgemacht
Die chinesische Regierung hat auf den Immobilien-Boom und damit verbundene Risiken wie Überangebot und Spekulation reagiert und durch Regulierungsmaß-nahmen gegengesteuert: Peking formulierte – so der Financial-Times-Bericht – drei „rote Linien“, um die Finanzierungs-Levels zu reduzieren: Das Verhältnis Fremdkapital zu Vermögenswerten muss unter 70 Prozent, das Verhältnis Nettoschulden zu Eigenkapital unter 100 Prozent und das Verhältnis Barmittel zu kurzfristigen Verbindlichkeiten mindestens bei 100 Prozent liegen. Evergrande überschritt alle drei „roten Linien“, was zu einem Verbot weiterer Aufnahme von Schulden führte und damit Zahlungsschwierigkeiten und die aktuelle Krise ausgelöst hatte, die nun zunehmend zu einer politischen Krise mutieren dürfte.
Der Immobilienmarkt ist ein wichtiger Teil der chinesischen Erfolgsstory und damit auch wichtig für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung des Landes, das unter dem Motto „common prosperity“ – gemeinsamer Wohlstand – steht. Steigende Immobilienpreise und Wohlstand stehen in engem Zusammenhang mit einer prosperierenden Volkswirtschaft – dies muss die Regierung in Peking sicherstellen. Wohlstand kann auch durch Innovation oder Entwicklung „grüner“ Technologien erreicht werden – hier befindet sich China in einem Übergangsprozess, der durch die aktuellen Probleme eines großen Immobilienunternehmens bedroht erscheint.
Ein „Auffangen“ des Unternehmens könnte Marktteilnehmer dazu verführen, ebenfalls staatliche Hilfen in Anspruch nehmen zu wollen. Etwas, das die Regierung in Peking sicherlich nicht unterstützen will und darf.
Ein Konkurs könnte aber im Gegenzug – wie die volatile Marktentwicklung der letzten Tage gezeigt hatte – negative Auswirkungen auf die gesamte wirtschaftliche Entwicklung Chinas haben und das politische Ziel der „common prosperity“ gefährden.
Nächste Tage zeigen, ob das Problem gelöst wird
Die nächsten Tage und Wochen werden daher wohl zeigen, wie das Problem gelöst wird – am wahrscheinlichsten vermutlich in Form einer Art von „geordneter Abwicklung“, die den Investoren Verluste bescheren wird, aber ein „spill-over“ auf andere Wirtschaftsbereiche verhindern soll.
Evergrande ist das erste Opfer der staatlichen chinesischen Regulierungsmaßnahmen – und unglücklicherweise eines der größten Unternehmen in der chinesischen Immobilien-Branche.
Daher sind die Auswirkungen auch an den amerikanischen und europäischen Börsen spürbar.
Das Unternehmen verfügte aber nie über eine besonders gute Bonität, war niemals im Bereich „investment grade“ geratet und wurde von den internationalen Rating-Agenturen schon seit Jahren im Hochrisiko-Bereich beurteilt. Eine wirtschaftliche Verschlechterung, wie durch die Corona-Pandemie und die regulatorischen Verschärfungen induziert, resultiert nun in Zahlungsschwierigkeiten. Ein Umstand, der so nicht verwundern darf.
FAZIT:
Was ein bisschen verwundert: die Auswirkungen auf die Entwicklung der Immobilienpreise in ausgewählten chinesischen Städten hält sich, wie auf obenstehender Grafik ersichtlich ist, in Grenzen. Wir nehmen das als positives Zeichen, dass sich negative Effekte einer möglichen Evergrande-Pleite in Grenzen halten.
Wichtige rechtliche Hinweise:
Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für künftige Wertentwicklungen.