Bei der französischen Präsidentschaftswahl am Sonntag qualifizierten sich wie erwartet der Amtsinhaber Emmanuel Macron und die rechte Kandidatin Marine Le Pen für eine Stichwahl. Nach Auszählung von 97 Prozent der zur Wahl registrierten Wähler:innen kam Macron auf 27,6 Prozent vor Le Pen mit 23,4 Prozent.
Die Kandidatinnen der früheren Volksparteien, der Sozialisten und Konservativen, erlitten hingegen schwere Niederlagen: Der Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon kam mit knapp 22 Prozent auf Platz drei. Der Rechtsextreme Éric Zemmour zog nach den Daten des Innenministeriums vom Montagvormittag mit 7 Prozent an der Konservativen Valérie Pécresse mit 4,8 Prozent vorbei. Der Grüne Yannick Jadot kam auf 3,4 Prozent. Die sozialistische Kandidatin Anne Hidalgo blieb abgeschlagen bei 1,3 Prozent.
In Brüssel und Berlin blickt man mit Spannung und Sorge auf den Ausgang der Stichwahl. Ein Sieg der Populistin Le Pen wäre für viele Politiker:innen ein Schock. Frankreich ist politisch und wirtschaftlich einer der wichtigsten Partner Deutschlands, die Achse Paris-Berlin ist eine treibende Kraft in der EU. In Brüssel versuchte Macron zuletzt verstärkt, sich als Reformer der EU zu inszenieren. Die Euroskeptikerin Le Pen droht hingegen mit einer grundsätzlichen Neuausrichtung des französischen Kurses, in der Europa nur noch eine nachgeordnete Rolle spielen würde. Konfrontationen mit Brüssel wären programmiert, sollte Le Pen einige ihrer Wahlversprechen umsetzen.
Finanzmärkte hoffen auf Macron-Sieg
Auch an den Finanzmärkten wird jetzt die in zwei Wochen angesetzte Stichwahl mit Spannung erwartet. Eine Wiederwahl Macrons würde für Stabilität stehen und dürfte an den Kapitalmärkten positiv aufgenommen werden. Ein etwaiger Sieg von Le Pen könnte allerdings zu Unruhe an den Märkten führen. „Würde Le Pen gewinnen, hätte dies Turbulenzen auf den Finanzmärkten zur Folge“, sagte der persönliche Wirtschaftsberater von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und frühere Chef der Wirtschaftsweisen, Lars Feld, der Nachrichtenagentur Reuters. „Es ist nicht abzusehen, was dies für die Stabilität im Euroraum zur Folge hätte.“
Unsicherheit dürfte vor allem Le Pens kritische Haltung gegenüber der EU und der NATO bringen, aber auch ihre wirtschaftspolitischen Pläne. Bei einem Sieg der rechten Kandidatin könnte dies zu Abgaben am französischen Aktienmarkt, Renditeanstiegen französischer Staatsanleihen führen und auch den Euro unter Druck bringen. Bereits im Vorfeld der Wahl nahm der Anleihenmarkt das höhere Risiko vorweg: Französische Anleihen kamen etwas zurück, ihre Renditen stiegen im Gegenzug an.
Meinungsforscher:innen sehen Macron knapp vor Le Pen
Umfragen sehen Macron bei der Stichwahl zwar weiter vor Le Pen, diesmal dürfte es aber nach Einschätzung von Meinungsforscher:innen deutlich knapper werden als bei der Stichwahl zwischen den beiden im Jahr 2017, als Macron mit 66,1 Prozent gewonnen hatte. Entscheidend ist jetzt, wie gut es den beiden Kontrahent:innen gelingt, Wähler:innen außerhalb ihres Lagers zu mobilisieren.
Auch die wirtschaftspolitischen Pläne der beiden Spitzenkandidat:innen werden bei der Wahl eine wichtige Rolle spielen. Umfragen zufolge sind die Franzosen nicht zufrieden mit der bisherigen Wirtschaftspolitik von Macron, obwohl die Arbeitslosenquote deutlich zurückgegangen ist.
Im Schlussquartal 2021 fiel die Arbeitslosenrate in Frankreich auf 7,4 Prozent. Wenn man von einem statistischen Ausreißer zu Beginn der Coronapandemie absieht, ist das der tiefste Stand seit 13 Jahren. Macrons Steuersenkungen und Maßnahmen zur Flexibilisierung des Arbeitsmarkts während seiner ersten Amtszeit hatten zwar Frankreichs Unternehmen wettbewerbsfähiger gemacht, ihm aber auch den Vorwurf der Opposition eingebracht, ein „Präsident der Reichen“ zu sein.
Energie und Kaufkraft bestimmende Wahlkampfthemen
Ein bestimmendes Thema im Wahlkampf sind auch die Inflation und insbesondere die rasant steigenden Energiepreise. Im März waren die Verbraucherpreise in Frankreich um 5,1 Prozent angezogen, vor allem Energie und Lebensmittel waren dabei die großen Preistreiber. Le Pen verspricht ihren Wähler:innen, die Kaufkraft der Franzosen mit einer kräftigen Mehrwertsteuersenkung auf Benzin stärken zu wollen. Von ihrer geplanten Reduktion von 20 auf 5,5 Prozent erwartet sie für jeden Haushalt Einsparungen von 340 bis 350 Euro pro Jahr. In Frankreich gibt es abseits von Paris zahlreiche mittelgroße Städte, in denen die Abhängigkeit vom eigenen Auto groß ist.
Macron hatte in seinem Wahlkampf zunächst auf eher unpopuläre Themen wie eine Anhebung des Pensionsalters und schärfere Auflagen für Sozialleistungen gesetzt. Die 42 unterschiedlichen Pensionssysteme belasten das französische Sozialsystem stark. In Macrons erster Amtszeit hatte es massive Proteste gegeben, als er die Pensionsreform eingeläutet hatte. Wegen der Pandemie hatte er die Pläne dann nicht mehr weiterverfolgt. Macron plädiert nun für eine Mindestpension von 1.100 Euro und argumentiert, dass Franzosen „mehr arbeiten“ müssen, um das Sozialsystem zu finanzieren. Die Arbeitslosigkeit will der Präsident weiter zurückdrängen und eine Vollbeschäftigung anstreben.
Macron setzt auf Kernkraft und erneuerbare Energien
Doch auch Macron hat zuletzt den Erhalt der Kaufkraft in seinem Wahlkampf stärker betont. So will er die Pensionshöhe ab Sommer an die Inflationsrate koppeln. Zudem will der Präsident die Erdgas- und Strompreise weiter deckeln. Mit dem Ukraine-Krieg sind die ohnedies hohen Energiepreise naturgemäß noch stärker in den Fokus getreten. Um Frankreich bei seiner Energieversorgung noch unabhängiger zu machen, setzt Macron sowohl auf einen Ausbau der Atomkraft als auch auf einen höheren Anteil erneuerbarer Energien.
Frankreich setzt stark auf Atomenergie, auch weil sie im Hinblick auf die Erderwärmung weitgehend emissionsfrei ist und dem Land eine vergleichsweise gute CO2-Bilanz verschafft. Derzeit bezieht Frankreich rund 70 Prozent des Stroms aus Kernkraftwerken, das ist der höchste Anteil weltweit. Allerdings werden die bestehenden Reaktoren immer anfälliger und der Bau neuer Reaktoren gilt als teuer und langwierig. Bereits im November hatte Macron den Bau einer neuen Generation von Atomkraftwerken angekündigt. Vor diesem Hintergrund hat der französische Energiekonzern EDF zuletzt den Rückkauf des Turbinengeschäfts vom US-Konzern GE angekündigt. Dampfturbinen spielen eine wichtige Rolle in Atomkraftwerken.
FAZIT: Bei der Stichwahl für die französische Präsidentschaft in zwei Wochen zeichnet sich ein knappes Rennen ab. Was beide Bewerber:innen beschäftigt, ist der Erhalt der Kaufkraft und die hohen Preise für Erdöl und Erdgas. Die Finanzmärkte reagierten vorerst gelassen auf das Wahlergebnis.
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