Wir leben in einem Zeitalter multipler Krisen. Menschen sehen und erfahren selbst die immer gravierenderen Folgen der Erderhitzung. Im selben Moment wächst die Erkenntnis, welche massiven Folgen der Verlust der biologischen Vielfalt hat.
Umso dringender ist es, diesen Krisen wirksam zu begegnen. Die Zeit drängt. Weltweit müssen wir unsere Treibhausgasemissionen bis 2030 mehr als halbieren. Zusätzlich ist es notwendig, die Fähigkeit der Natur zu nutzen, Kohlenstoff zu speichern und das Klima zu regulieren.
Nur so können wir im Einklang mit dem Pariser Abkommen die globale Erhitzung auf 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau begrenzen, die Folgen der Klimakrise minimieren und dadurch eine lebenswerte Zukunft für uns alle ermöglichen.
Intakte Natur verlangsamt die Erderhitzung
Die direkten Zusammenhänge zwischen dem Klimasystem und der Natur an Land, in Süßwassersystemen und in den Ozeanen werden immer deutlicher. Darauf verweist auch der Weltklimarat (IPCC), das UN-Gremium, das für politische Entscheidungsträger:innen weltweit den neuesten Stand der Klimaforschung zusammenfasst. Anfang dieser Woche veröffentlichte der Rat seinen aktuellen Synthesebericht.
Demnach haben in den vergangenen zehn Jahren die Ozeane, Pflanzen, Tiere und Böden 54 Prozent der vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen absorbiert und dadurch die Erderhitzung verlangsamt. Zugleich schützt uns die Natur vor den Folgen der Klimakrise. Indem zum Beispiel intakte Wälder überschüssiges Regenwasser aufnehmen, verhindern sie Erdrutsche und Schäden durch Überschwemmungen. All das macht die Natur zu unserer stillen Verbündeten zur Bewältigung der Klimakrise.
Darüber hinaus ist die Natur fast unbemerkt für uns tätig. Intakte Ökosysteme garantieren uns Nahrung, Wasser, Luft, schützen vor Krankheiten und versorgen uns mit Energie und Ressourcen. Wir halten viele dieser Leistungen für selbstverständlich. Dabei versäumen wir, das zu schützen, was letztlich uns selbst am Leben hält. Denn durch die anhaltende, menschengemachte Verschmutzung, Übernutzung und Zerstörung geraten immer mehr Ökosysteme an ihre Grenzen.
Unsere Zukunft hängt von der intakten biologischen Vielfalt und einem stabilen Klima ab. Daher ist rasches politisches, gesellschaftliches und wirtschaftliches Handeln notwendig. Um die Leistungsfähigkeit der Natur zu erhalten, müssen wir die vielfältigen Ökosysteme unseres Planeten – wie Wälder, Torfmoore, Grasländer, Mangroven, Salzwiesen, Seegraswiesen und viele andere bewahren und wiederherstellen. Global müssen dafür 30 bis 50 Prozent der Erdoberfläche wirksam geschützt und erhalten werden.
Natur schwindet schneller als je zuvor
Auch die Fähigkeiten der natürlichen Systeme selbst sind begrenzt und bedroht. Steigende Temperaturen und neue Niederschlagsmuster führen dazu, dass Tiere und Pflanzen ihre Lebensräume verlassen und versuchen, die von ihnen bevorzugten Klimabedingungen zu erreichen. Auf diese Weise verändern sich ihre Verbreitungsgebiete, was wiederum die Nahrungsnetze und Fortpflanzungsmuster stört. Extreme Wetterereignisse wie Dürren, Waldbrände oder Hitzewellen im Meer verfügen über das Potenzial, ganze Ökosysteme zu zerstören und Massensterben zu verursachen. Eine Million Arten sind akut vom Aussterben bedroht.
Politik muss handeln
Das bedeutet in weiterer Folge, dass die Natur allein die Auswirkungen der Klimakrise nicht abfedern kann. Allen voran muss die Politik ergänzend zum Schutz der Natur die notwendigen Maßnahmen für den Ausstieg aus fossilen Energien beschließen. Es bedarf einer sofortigen Dekarbonisierung aller Wirtschaftstätigkeiten, um Emissionen rasch, tiefgreifend und nachhaltig zu senken. Dafür sind groß angelegte Energiesparprogramme und der Ausbau Erneuerbarer Energien konsequent nach Maßgabe von Naturschutzkriterien notwendig.
Zusätzlich müssen zerstörte Ökosysteme systematisch wiederhergestellt und Naturjuwele geschützt werden. Begleitend sind wirksame Gesetze und Maßnahmen unerlässlich, die für eine Klimaneutralität 2040 sorgen, umwelt- und klimaschädliche Subventionen abbauen und naturverträgliche Investitionen fördern.
Wirtschaft braucht Transformation im Kerngeschäft
Unternehmen und Finanzinstitute stehen vor der großen Herausforderung wissenschaftsbasierten Klima- und Biodiversitätsschutz umfassend in ihr Kerngeschäft zu integrieren und gleichzeitig nachhaltiges Wachstum zu gewährleisten. Mit Hilfe der Minderungshierarchie kann hier effizient vorgegangen werden.
Klima- und biodiversitätsschädliche unternehmerische Aktivitäten werden vorrangig vermieden und wo nicht anders möglich bestmöglich verringert. Begleitend werden diese von Wiederaufbau- und Regenerationsmaßnahmen. Methodensets wie die der Science Based Targets Initiative, der WWF Net Zero Ansatz oder das WWF Biodiversity Stewardship bieten Unternehmen und Finanzinstituten praxisnahe Umsetzungsmöglichkeiten.
Es ist an der Zeit, die Natur in unser Denken und Handeln einzubeziehen und mit vereinten Kräften den Trend ins Gegenteil zu wenden. Die Natur ist uns eine Verbündete im Kampf gegen die Klimakrise – aber nur, wenn wir uns zunächst mit ihr verbünden.