
Winzer der Woche
Der wöchentliche Marktkommentar von Chefvolkswirt Gerhard Winzer
Donald Trump hat am gestrigen 2. April umfangreiche Zollanhebungen angekündigt. Die dahinterliegende Motivation für diese Maßnahme ist laut ihm die Befreiung von einer jahrzehntelang anhaltenden unfairen Behandlung durch die Handelspartner der USA. Darum wurde der Tag auch mit „Liberation Day“ bezeichnet. Im großen Bild betrachtet wird dadurch die Tendenz zur Fragmentierung der Weltwirtschaft in einzelne Wirtschaftsblöcke, also die Deglobalisierung, verstärkt. Was bedeuten die umfangreichen Zollmaßnahmen?
Zollanhebungen
Die Begründung für die protektionistischen Maßnahmen ist tatsächlich bemerkenswert. Sie erinnert an eine merkantilistische Sichtweise, die zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert vorhanden war. Damals wollte man mit Staatseingriffen eine positive Handelsbilanz erzielen und die Staatseinnahmen erhöhen. Im aktuellen Fall wird behauptet, dass die Welt sehr hohe Zölle auf US-Produkte erhebt. Die von der US-Regierung veröffentlichten Zahlen verwundern auf den ersten Blick.
Die ebenso veröffentlichte Formel zur Berechnung der impliziten Tarife, die die Länder den USA auferlegen, gibt einen Aufschluss. Im Prinzip wird das Handelsbilanzdefizit mit einem bestimmten Land durch die Importe von diesem Land dividiert. Die USA antworten auf diese „unfaire“ Behandlung mit der Einhebung von Zöllen, die nur halb so hoch wie die berechneten impliziten Tarife sind. Im Fall der Europäischen Union bedeutet das: Handelsbilanzdefizit von 235,6 Milliarden US-Dollar dividiert durch Güterimporte von 608,8 Milliarden US-Dollar ergibt einen berechneten impliziten „Zoll“ der EU für die USA von 38,8%. Tatsächlich ist auf der veröffentlichten Liste für die Zolltarife ein Wert von 39% zu finden, den die EU einhebt. Als Antwort werden die USA nunmehr einen Zoll von 20% einheben.

Mehr im Detail: Zusätzlich gilt ein Basiszoll von 10% auf alle Importe (gültig ab dem 5. April) sowie ein Zoll von 25% Zölle auf im Ausland hergestellte Fahrzeuge. Die reziproken Zölle auf der Grundlage der von den einzelnen Ländern auferlegten Handelshemmnisse gelten ab dem 9. April. Kanada und Mexiko sind im Rahmen des Freihandelsabkommens USMCA ausgenommen. Insgesamt werden für China Importzölle im Gesamtausmaß von über 50%, für die EU von 20% und für Japan von 24% gelten.
Inkonsistent
Die Argumentation für die unfaire Behandlung der USA ist, sagen wir, ungewöhnlich. Zumindest entsprechen sie nicht der gängigen Meinung in der Wirtschaftslehre. Aber auch die Ziele, die mit den Maßnahmen verfolgt werden, passen nicht zusammen.
Erstens wird behauptet, dass die Zollanhebungen nicht zu höheren Preisen in den USA führen, weil die Exporteure in die USA die Kosten schlucken werden. Das würde den Anreiz erhöhen, die Produktion in die USA zu verlagern. Fallweise mag das zutreffen, aber das dauert und die Produktionskosten würden für viele Unternehmen ansteigen. Der Kostenunterschied zwischen den USA und Ländern wie Vietnam ist eben sehr groß. Der Effekt bleibt: Zunehmender Kosten- und Preisdruck in den USA.

Der US-Präsident bei der gestrigen Ankündigung der weitreichenden Zollerhöhungen im Rosengarten im Weißen Haus. Photocredit: BRENDAN SMIALOWSKI / AFP / picturedesk.com
Zweitens würden die Zölle die US-Nachfrage von Importgütern zu Inlandsprodukten verschieben. Drittens können die Staatseinnahmen gesteigert werden. Wenn aber die Importpreise nicht wie behauptet ansteigen, besteht auch kein Anreiz für einen Wechsel zu im Inland produzierten Gütern. Zudem: Wenn die Importpreise nicht ansteigen, und die Importe fallen, werden auch die Staatseinnahmen nicht ansteigen.
Unsicherheit
Für die Einschätzung der weiteren Entwicklung ist vor allem eine Frage zu beantworten. Wie werden die anderen Länder auf die US-Zollanhebungen reagieren – ebenso mit Zollanhebungen oder mit Verhandlungen? Aus der Erklärung ging nicht hervor, in welche Richtung sich die Länder bewegen sollten, damit die US-Zölle reduziert werden. Die Handelsbilanzdefizite vollkommen zu reduzieren, um die reziproken Zölle der USA zu eliminieren, ist schwierig. Tatsächlich steht die Welt am Rande eines Handelskrieges. Letzterer könnte zu fallenden Exporten und einer schrumpfenden Produktion auf globaler Ebene führen. Allein die Unsicherheit darüber ist negativ für die Stimmung und damit für die Investitionstätigkeit der Unternehmen und die Neueinstellungen. Tatsächlich bestehen auch Unsicherheiten auf weiteren Ebenen. Vor allem: Gibt es einen großen Plan für die Umstrukturierung des Welthandels und des globalen Finanzsystems zur Reindustrialisierung der USA? Das könnte unter anderem ein Einbüßen des Status des US-Dollar als wichtigste Reservewährung bedeuten (was negativ für den US-Dollar und US-Staatsanleihen wäre).
Auswirkungen
Zölle sind de facto eine Steuer. Höhere Zölle bedeuten also eine Steuererhöhung für die USA. Der drastische Anstieg der effektiven Zollrate von 2,3% auf geschätzte 20% bedeutet einen großen Schock für die USA und die Weltwirtschaft. Der unmittelbare Einfluss für die USA ist stagflationär. Annahme: Die Inflation wird in diesem Jahr ansteigen (3,5% bis 4% im Jahresabstand bis Ende 2025), das verfügbare Einkommen wird sinken und das Wirtschaftswachstum reduzieren (0% für das vierte Quartal 2025). Das Risiko für eine Rezession in den USA hat zugenommen. Der Rest der Welt kann sich von einer negativen Entwicklung in den USA nicht abkoppeln. Das Wachstum wird gedämpft werden, wahrscheinlich auch etwas die Inflation (Druck auf die Gewinnmargen der Unternehmen).
Portfolioausrichtung
Die Befreiung der Welt vom freien Handel und der USA von niedrigeren Importpreisen erzeugt viel Unsicherheit. Eine defensive Grundausrichtung in der Portfolioausrichtung ist empfehlenswert. In unserer monatlichen Asset Allocation behalten wir deshalb die Aktienquote auf Untergewichtung mit einer Neigung für eine weitere Reduktion. Die Quote für Unternehmensanleihen mit einer niedrigen Kreditqualität wird zugunsten von Staatsanleihen in der Eurozone reduziert.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass eine Veranlagung in Wertpapiere neben Chancen auch Risiken beinhaltet.