Wer freut sich da nicht? Ein neuer kuschliger Pullover in der neuen Herbst-/Wintertrendfarbe 2023, „Buttergelb“! Schnell wird das neue Trend-Kleidungsstück aus dem Regal gezogen und nach dem gedankenverlorenen Stecken der Bankomatkarte an der Kassa ist man auch schon offizieller Eigentümer eines neuen Pullovers.
Kurz nachdem man das klimatisierte Geschäft dann verlassen hat, ist man für einen kurzen Augenblick schockiert, dass es Anfang Oktober immer noch 27 Grad Außentemperatur hat und man kann nicht anders, als an den Klimawandel zu denken. Sofort wird man von „Brauche ich diesen Pullover wirklich?“- Gedanken geplagt. Das nachhaltigste Kleidungsstück ist bekanntlich dann doch das, das nicht produziert wurde…
Die Umweltauswirkungen der Textilindustrie
Einerseits ist die Textilindustrie auf verschiedene natürliche Ressourcen angewiesen, andererseits ergeben sich gerade durch diese Abhängigkeiten diverse Auswirkungen auf die Umwelt. Neben Wasser (kurzes Beispiel: für die Herstellung eines Baumwoll-T-Shirts werden durchschnittlich 2.700 Liter Wasser eingesetzt) wird für den Anbau von Baumwolle auch Land benötigt. Allein die Färbung und Veredelung von Textilprodukten mit Chemikalien sind Schätzungen zufolge für etwa 20% der globalen Abwässer verantwortlich.
Darüber hinaus gehen ungefähr 10% der weltweiten CO2 Emissionen auf die Kappe der Modeindustrie. Mit etwa 4-5 Milliarden Tonnen CO2 Emissionen entspricht dies ca. so viel wie sämtliche internationale Flüge und die weltweite Seeschifffahrt zusammen. Diese Zahlen katapultieren die Textilbranche fast an die Spitze der wesentlichen Treiber der weltweiten Wasserverschmutzung und des globalen Flächenverbrauchs (im Jahr 2020 war der Textilsektor die drittgrößte Quelle für Wasserverschmutzung und Flächenverbrauch). [1]
Im Jahr 2020 wurden durchschnittlich 400 m2 Land, 9m3 Wasser und 391 kg Rohmaterialien benötigt, um den Textilbedürfnissen eines/einer EU-Bürgers/-in nachkommen zu können. Das entspricht ungefähr einem CO2-Fußabdruck von 270 kg. [2]
Titel: Die Umweltauswirkungen von Textilien: Im Jahr 2020 hat der Textilverbrauch pro Person in der EU im Durchschnitt 400m² Land, 9m³ Wasser und 391kg an Rohstoffen verbraucht und verursachte einen CO2-Fußabdruck von etwa 270kg. Bildquelle: European Environment Agency
Ein Klimarisiko: Was ist das eigentlich?
Doch auch die boomende Modeindustrie sieht sich durch den Klimawandel mit unterschiedlichsten Herausforderungen, die die gesamte Branche zum Umdenken bewegen könnten, konfrontiert. Diese „neuen“, umfangreichen Risiken, die sich erst anlässlich der Klimakrise auftun, nennt man Klimarisiken und umfassen sämtliche Unsicherheiten, die sich im Zusammenhang mit dem Klimawandel ergeben können.
Mark Carney, ehemaliger Gouverneur der Bank of England und Mitbegründer der Task Force on Climate-Related Financial Disclosure (TCFD), sagte bereits vor über acht Jahren in einer Rede: „Climate change is the tragedy of the horizon“.[3] Der berühmte Satz sowie die gesamte Rede wurde von vielen als Wendepunkt in der globalen Diskussion über die Herausforderungen des Klimawandelns in der Finanzbranche angesehen.
Die TCFD wurde ursprünglich ins Leben gerufen, um Investoren, Kreditgebern und anderen Finanzmarktteilnehmern bessere klimabezogene Informationen zur Verfügung stellen zu können.[4] Die Idee war, dass dadurch fundiertere Entscheidungen in Bezug auf klimabezogene Risiken (und auch Möglichkeiten!) getroffen werden können. In ihrem Empfehlungsbericht unterteilt die TCFD die Risikofaktoren für den Klimawandel und die „carbon-transition“ in zwei Kategorien: physische Risiken und Übergangsrisiken.[5]
Die Häufigkeit von Hitzewellen und Wetterextremen hat gegenüber der vorindustriellen Zeit zugenommen. Die Kosten, die mit diesen tatsächlich spürbaren, physischen Auswirkungen des Klimawandels verbunden sind, werden als physische Risiken bezeichnet. Physische Risiken können in akute und chronische Risiken unterteilt werden. Extreme Wetterereignisse (z.B. Überschwemmungen) sind Beispiele für ein akutes physikalisches Risiko. Längerfristige Veränderungen von Klimamustern, die zu einer wärmeren Umwelt oder einem Anstieg des Meeresspiegels führen könnten, stellen dagegen chronische physikalische Gefahren dar.[6]
Die Risiken, die mit dem Übergang zu einer „low-carbon“ Wirtschaft verbunden sind, werden als Übergangsrisiken bezeichnet. Diese Risiken können in vier Unterkategorien eingeteilt werden:
- Reputationsrisiko: z.B. die zunehmende Stigmatisierung von CO2-intensiven Wirtschaftssektoren
- Marktrisiko: z.B. die Veränderung von Kundenverhalten, die steigenden Preise für Rohstoffe
- Technologierisiko: z.B. die Entwicklung von neuen, weniger CO2-ausstoßenden Technologien bzw. die Substituierung von derzeitigen Technologien
- Rechtliches und politisches Risiko: z.B. die stärkere Bepreisung von Treibhausgasemissionen, die vermehrte Berichterstattung von Treibhausgasemissionen, die erhöhte Anfälligkeit für Rechtsstreitigkeiten
Klimarisiken in der Textilbranche
Wie bereits zu Beginn geschildert, werden für die Erzeugung neuer Kleidungsstücke allerhand Rohstoffe und natürliche Ressourcen benötigt. Neben Baumwolle gehören vor allem auch Leder und Holz zu den bedeutendsten Gütern in der Textilwelt. Daraus lassen sich einige Risiken ableiten, die in der Zukunft von großer Bedeutung für die Branche sein können. Sobald gewisse Risiken für die Textilbranche evaluiert wurden, muss auch beurteilt werden, wie stark man den identifizierten Risiken ausgesetzt ist und wie diese Risiken gemanagt werden können.
Biodiversität, Landnutzung und Wasserverbrauch:
Der Anbau von Baumwolle geht Hand in Hand mit einer enormen Landnutzung und einer schwindenden Biodiversität in den Anbaugebieten. Auf der einen Seite können Hitzewellen, Dürreperioden (oder auch das Gegenteil: Kälteperioden), und Überschwemmungen Auswirkungen auf die Ernte der Baumwollpflanze haben. Mit einer konstanten Änderung des Klimas könnten die derzeitigen Anbaugebiete in der Zukunft nicht mehr den Anbaubedingungen der Pflanze entsprechen. Hierbei handelt es sich klassisch um physische Risiken, da der Textilsektor direkt von Extremwetterphänomenen und einer langfristigen Klimaveränderung abhängig ist. Auf der anderen Seite spielen auch regulatorische Risiken im Zusammenhang mit der Landnutzung und der Biodiversität eine Rolle. Darüber hinaus könnten Produktionsstädten in wasserärmeren Gebieten in Zukunft vermehrt mit Reputationsrisiken konfrontiert werden.
Die Textilbranche weist also eine hohe Abhängigkeit von diversen natürlichen Ressourcen auf, weswegen der Verlust von Biodiversität und ausreichend Wasser eines der Hauptrisiken darstellt. Einige der Lösungsansätze von Unternehmen aus der Textilindustrie im Zusammenhang mit Wasserknappheit sind zum Beispiel Wasseroptimierungsprogramme (oftmals in Zusammenarbeit mit lokalen Gemeinschaften), Wasserreduzierungsprogramme zusammen mit den landwirtschaftlichen Lieferanten oder auch die Messung der „Wassereffizienz“.
CO2-Fußabdruck des Produkts:
Die Textil-, Bekleidungs- und Luxusgüterindustrie ist mit regulatorischen Risiken hinsichtlich des CO2-Fußabdrucks und der Umweltkennzeichnung von Produkten konfrontiert. Höhere und volatilere Energiepreise vorgelagert in der Wertschöpfungskette (die sich auf Rohstoffe, Input- und Vertriebskosten auswirken) könnten zu höheren Kosten führen. Unternehmen sind umso anfälliger, je höher die CO2-Intensität des Geschäftsbereiches, deren Geschäftstätigkeiten in Ländern mit strenger werdenden Vorschriften liegen. Um die Risiken besser steuern zu können, könnten Messungen des CO2-Fußabdrucks über eine Produktlebenszyklusanalyse angestellt werden. Weiters sollten die Emissionen der Lieferanten (bzw. der gesamten Wertschöpfungskette) erhoben und Reduktionsziele festgelegt werden.
Rohstoffbeschaffung:
Die Unternehmen sind auf Rohstoffe wie Baumwolle, Leder und Holz angewiesen. Die Produktion dieser Rohstoffe kann schwerwiegende Auswirkungen auf die Umwelt haben: z. B. Abholzung, Wasser- und Pestizidverbrauch sowie die Freisetzung gefährlicher Chemikalien. Baumwollfelder stellen oft Monokulturen dar, weswegen Pestizide vermehr Anwendung finden. Da aber der Einsatz von bestimmten Pestiziden sowohl für Mensch als auch für die Umwelt nicht ganz unbedenklich ist, kann es künftig zu neuen Regulierungen auf diesem Gebiet kommen. Ein schlechtes Impact-Management könnte zudem zu Reputations- und Markenschäden führen.
Risikomanagement in der Lieferkette von Modeunternehmen umfasst zum Beispiel die Beschaffung von durch Dritte umweltzertifizierten Rohmaterialien (Baumwolle, Leder, …). Zusätzlich sollte der Umgang mit umstrittenen Rohstoffen evaluiert und gegebenenfalls Richtlinien erarbeitet werden. Zu beachten ist auch, dass die Zusammenarbeit mit Lieferanten bei der Rohstoffbeschaffung immer wichtiger wird.
Fazit
Welche zusätzlichen Herausforderungen und Risiken der Klimawandel genau mit sich bringen wird, bleibt weiterhin unklar. Klar ist jedoch, dass die Beziehung zwischen der Umwelt und Unternehmen in der Mode- und Textilindustrie stark von Interdependenzen geprägt ist. Genauso wie die Branche gravierende Auswirkungen auf die Umwelt und den Klimawandel hat, hat der Klimawandel auch erhebliche Auswirkungen für die Unternehmen der Branche, insbesondere wenn sie von Naturkatastrophen betroffen sind, die durch den Klimawandel verursacht oder verstärkt werden. Auch können extreme Wetterbedingungen die Lieferketten und betrieblichen Abläufe beeinträchtigen.
Um die Risikolage besser einschätzen zu können, gehört die Entwicklung von Resilienzplänen und die Implementierung umweltfreundlicher Praktiken vorangetrieben, um die Auswirkungen auf die Umwelt zu reduzieren. Zudem ist es wichtig, dass Unternehmen ihre Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen reduzieren und erneuerbare Energien nutzen, um ihre Emissionen zu senken und ihren CO2-Fußabdruck zu minimieren.
Weitere Beiträge aus dem ESGenius-Letter zum Thema „Klimarisiken“ lesen Sie hier!
[1] The impact of textile production and waste on the environment (infographics) | News | European Parliament (europa.eu)
[2] 20230613PHT98335_original.png (1200×1700) (europa.eu)
[3] Breaking the tragedy of the horizon – climate change and financial stability – speech by Mark Carney | Bank of England
[4] Climate change task force – press release (bbhub.io)
[5] FINAL-2017-TCFD-Report.pdf (bbhub.io)
[6] FINAL-2017-TCFD-Report.pdf (bbhub.io)
Erläuterungen zu Fachausdrücken finden Sie in unserem Fonds-ABC.
Wichtige rechtliche Hinweise:
Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für künftige Wertentwicklungen.