Die griechische Staatsschuldenkrise liegt mittlerweile mehr als 10 Jahre zurück. Viele Beobachterinnen und Beobachter sahen dieses Ereignis als Startpunkt einer unendlichen Geschichte. Blickt man aber in die jüngste Vergangenheit, überzeugte Griechenland mit positiven Aspekten. Zuletzt endete im August 2022, nach zwölf Jahren, die „Enhanced Surveillance“ (früher bekannt als „Troika“) Griechenlands durch die EU, da die verlangten Reformen zum Großteil erfolgreich umgesetzt wurden. Im Fokus stehen nun die anstehenden Wahlen in Griechenland.
Letzte Hürde einer 13-jährigen Herausforderung
Die anstehenden griechischen Parlamentswahlen am 21. Mai sehen viele als letztes großes Hindernis zur Wiedererlangung des Investment-Grade-Ratings des Landes. Dies wäre eine Wende, nachdem Griechenland 2010 bei der größten Umstrukturierung eines Staates in der Geschichte auf „Ramsch“-Niveau (im Englischen „Sub- oder Non-Investment-Grade“) herabgestuft wurde. Zur Erreichung eines „Investment-Grade“ Rating hänge vieles davon ab, ob die nächste Regierung das Tempo und die Umsetzung der Strukturreformen und der Haushaltsdisziplin beibehält.
Politische Stabilität wird auf die Probe gestellt
Blickt man zurück, kann man zu dem Entschluss kommen, dass Versäumnisse der Politik die Staatsschuldenkrise verschärft hatten. Durch die Krise kollabierten immer wieder Regierungen in Athen, wodurch die Euro-Partner eingreifen mussten, um einen Kollaps des Landes zu verhindern. In den letzten Jahren hatte Griechenland es jedoch geschafft, stabile Regierungen zu bilden, welche zur Verbesserung des Schuldenprofils beigetragen haben.
Die politische Stabilität wird bei der kommenden Parlamentswahl im Mai nun auf die Probe gestellt, da neue Wahlregeln (in Form eines vollständig proportionalen Wahlsystems) es Parteien erschweren bzw. eine „Ein-Partei“ Regierung faktisch unmöglich machen. Eine zersplitterte Regierung könnte so zu einer „politischen Lähmung“ führen, welches ein Risiko-Szenario darstellt. Insofern ist die Wahrscheinlichkeit eines zweiten Wahlganges Anfang Juli als hoch einzustufen.
Momentan liegt die Partei „Neue Demokratie“ des aktuellen Premierminister Kyriakos Mitsotakis in allen Umfragen vor der „Syriza“ Partei des ehemaligen Premierministers Alexis Tsipras. Letzten Trends zufolge ist der Vorsprung jedoch kleiner geworden, was auf das Eisenbahnunglück im Februar und die dadurch größten Proteste im Land seit Jahrzehnten zurückzuführen sind.
Fiskalische Disziplin und Konsolidierung
Seit der Herabstufung auf „Sub-Investment-Grade“ hat Griechenland drei Rettungsprogramme erhalten, welche zum Teil an fiskalische „Disziplin“-Regeln gebunden waren. Dadurch verbesserte sich das Bild einige Jahre nach der Staatsschuldenkrise, jedoch trübten die jüngsten Ereignisse (Pandemie, Invasion der Ukraine durch Russland) wieder das Bild. Dennoch ist es Griechenland gelungen in einigen der vergangenen Jahren Haushaltsüberschüsse zu erzielen und seinen Finanzsektor umzugestalten.
Ein positiver Trend zeichnet sich ebenso in der Staatsverschuldung ab, welche rückläufig ist und zusätzlich Rückenwind von starkem Wachstum bekommt.
Auch wenn sich in jüngster Vergangenheit immer wieder positive Entwicklungen in Griechenland abzeichneten, ist trotzdem Grund zur Vorsicht geboten. Der „Debt Sustainability Monitor 2022“, veröffentlicht von der Europäischen Kommission Mitte April, gibt einen Überblick über kurz-, mittel- und langfristige Herausforderungen, denen sich die EU-Mitgliedsstaaten in Bezug auf die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen gegenüberstehen.
In Bezug auf Griechenland offenbart der Bericht ein gemischtes Bild. So sind langfristige Risiken als gering und unverändert zum Vorjahr eingeschätzt worden. Mittelfristig stellt die fiskalische Tragfähigkeit ein Risiko dar. Kurzfristige Risiken spielen eine untergeordnete Rolle und haben im Jahresabstand abgenommen, unterstützt von robustem Wachstum.
Freundlich gestimmte Kapitalmärkte
Zieht man diverse Indikatoren in Bezug auf Griechenland heran, kann man zu dem Entschluss kommen, dass die Kapitalmärkte Griechenland besonnen gegenüberstehen. Hierfür bietet sich zum Beispiel der Renditeaufschlag einer 10-jährigen griechischen Staatsanleihe zu einer 10-jährigen deutschen Staatsanleihe an.
Anhand der obigen Grafik lässt sich die freundliche Stimmung auf den Kapitalmärkten mit immer geringer werdenden Renditeaufschläge einer 10-jährigen griechischen Staatsanleihe im Vergleich zu einer 10-jährigen deutschen Staatsanleihe erklären.
Um ein Gefühl zu bekommen, was eine potenzielle Heraufstufung auf ein „Investment-Grade“ Rating für Griechenland bedeuten könnte, kann man Portugal als Vergleich heranziehen. Als Portugal 2017 auf Investment-Grade angehoben wurde, engte sich der Renditeaufschlag zu dem Nachbarland Spanien, welches ebenso ein „Investment-Grade“ Rating besitzt, in derselben Woche um 36 Basispunkte ein.
Dass der Appetit von Investorinnen und Investoren für Griechenland an die Kapitalmärkte zurückgekehrt ist, untermauert auch zuletzt die Neuemission einer 5-jährigen Staatsanleihe, welche fast siebenfach überzeichnet war.
Ausblick: Unsicheres restliches Jahr 2023
Obwohl zuletzt sowohl soziale, politische als auch wirtschaftliche Risiken angestiegen sind, stimmen die wirtschaftlichen Fundamentaldaten Griechenlands vorsichtig positiv. Das Risiko zweier Wahlgänge in kurzer Zeit könnte jedoch zu erhöhter Volatilität führen. Sofern die Parlamentswahlen im Mai ohne größere Turbulenzen über die Bühne gehen, die neue Regierung sowohl laufende Reformen fortsetzt als auch die Schuldentragfähigkeit Griechenlands im Auge behält, sollte Griechenland auf dem Weg zurück zum „Investment-Grade“ Rating jedoch nicht mehr viel im Weg stehen.
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