Die Rohölpreise sind zuletzt zwar das zweite Quartal in Folge gefallen – im laufenden Jahr beträgt das Minus beim Preis für die wichtige Referenzölsorte Brent aktuell fast 20% (Quelle: LSEG Datastream). Mit der neuerlichen Eskalation und angespannten Lage im Nahen Osten könnten die Preise jedoch wieder anziehen. Alleine in der laufenden Woche stieg der Brent-Preis wieder um über 3%, nachdem der Iran am vergangenen Dienstag einen Raketenangriff auf Israel startete. Ist die Talfahrt beim Ölpreis damit vorbei?
Niedrigere Ölpreise drücken Inflation
Bisher wurden die Ölpreise von teilweise schwach ausgefallenen Konjunkturdaten aus China und den USA und damit von der Angst vor einer schwächeren Öl-Nachfrage aus den beiden größten Volkswirtschaften der Welt belastet.
Der Preisverfall bei Rohöl wirkte sich logischerweise auch deutlich auf die Treibstoff- und Energiepreise aus und bewirkte damit wiederum einen weiteren Rückgang der Inflation. So lag in Österreich die Inflationsrate im September gemäß der Schnellschätzung der Statistik Austria bei 1,8 Prozent. In Deutschland lagen laut dem Statistischen Bundesamt die Verbraucherpreise 1,6 Prozent über dem Vorjahresniveau, womit die Inflation im Vormonat auf den niedrigsten Stand seit rund dreieinhalb Jahren fiel.
Konjunkturflaute in China belastet
Nach Einschätzung der Internationalen Energieagentur (IEA) leidet die Öl-Nachfrage auf dem Weltmarkt vor allem unter der Konjunkturflaute in China. Dies habe das Wachstum der Nachfrage „stark verlangsamt“, wie es in dem im September veröffentlichten Monatsbericht der IEA heißt. In der ersten Jahreshälfte sei die Nachfrage nach Rohöl im Schnitt um 0,8 Mio. Barrel pro Tag gestiegen und damit deutlich schwächer als ein Jahr zuvor. Für das Gesamtjahr erwartet die IEA nur mehr ein schwaches Wachstum der Nachfrage um 0,9 Mio. Barrel auf dann insgesamt fast 103 Millionen Barrel pro Tag.
Das Wachstum der Nachfrage in der ersten Jahreshälfte sei so schwach ausgefallen wie seit 2020 nicht mehr, so die IEA. Damals hatte die Corona-Krise die Öl-Nachfrage einbrechen lassen. „Das chinesische Wirtschaftswachstum verlangsamt sich und die Durchdringung des Verkehrssystems durch Elektroautos schreitet in sehr hohem Tempo voran“, sagte IEA-Chef Fatih Birol der Nachrichtenagentur Bloomberg.
Paket der chinesischen Notenbank soll Wirtschaft stützen
Hoffnung auf eine Erholung der China-Nachfrage machten aber zuletzt die von Chinas Notenbank und der Regierung in Peking angekündigten Maßnahmen zur Stützung der Konjunktur. Chinas Zentralbank will mit ihrem bisher umfassendsten Maßnahmenpaket seit der Pandemie der Wirtschaft der Volksrepublik zu neuem Schwung verhelfen. Der Reservesatz (RRR) für Banken soll um 0,5 Prozentpunkte gesenkt werden. Damit bekommen Geldhäuser umgerechnet rund eine Billion Yuan oder knapp 130 Mrd. Euro an zusätzlichem Spielraum für die Kreditvergabe.
Die Notenbank stellte zudem in Aussicht, dass der Satz im Jahresverlauf noch einmal um 0,25 bis 0,50 Prozentpunkte gesenkt werden könnte. Auch Hypothekenzinsen sollen sinken. An Chinas Börsen lösten die Ankündigungen zeitweise ein Kursfeuerwerk aus.
Regierung plant ebenso Konjunkturmaßnahmen
Auch Chinas Regierung hat entschiedene Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft in Aussicht gestellt. Die chinesische Führung will einen Abschwung in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt nicht zulassen. Sie verpflichtete sich am Donnerstag dazu das für dieses Jahr angestrebte Wirtschaftswachstum zu erreichen und die Krise auf dem Immobilienmarkt zu stoppen, wie staatliche Medien unter Berufung auf eine Politbüro-Sitzung berichteten. Finanziert werden sollen die Maßnahmen Insidern zufolge mit der Ausgabe von Staatsanleihen in Höhe von rund 2 Billionen Yuan oder rund 256 Mrd. Euro, wie mit den Plänen vertraute Personen zuletzt der Nachrichtenagentur Reuters sagten.
Die Ölpreise reagierten zeitweise mit Gewinnen auf die Ankündigungen in China, kamen danach aber wieder zurück. An den Märkten kamen teilweise Zweifel auf, ob die angekündigten Maßnahmen für eine Steigerung der Ölnachfrage ausreichen werden. Belastet werden die Preise auch durch Anzeichen einer Rückkehr libyschen Öls auf den Markt, nachdem sich Delegierte aus Ost- und West-Libyen auf Kriterien und Zeitpläne für die Ernennung eines Gouverneurs und eines Vorstands der Zentralbank des Landes geeinigt haben. Dieser Schritt könnte zur Lösung der Krise um die Kontrolle der Öleinnahmen beitragen, die zu drastischen Einbußen bei Libyens Ölproduktion und -exporten geführt hat.
OPEC-Politik und Lage in Nahen Osten weiter im Fokus
Am Markt wurden die fallenden Ölpreise auch mit einem Medienbericht über die künftige Förderpolitik im führenden OPEC-Staat Saudi-Arabien erklärt. Die „Financial Times“ berichtete, dass Saudi-Arabien bereit sei, das inoffizielle Ölpreisziel von 100 Dollar pro Barrel aufzugeben, um Marktanteile zurückzugewinnen. Die Zeitung berief sich dabei auf informierte Kreise. Anderen Medienberichten zufolge könnte die OPEC ihre Förderbeschränkungen zur Stabilisierung der Ölpreise anders als geplant vielleicht um 2 Monate verlängern. Nach Einschätzung der IEA ist aber 2025 auch dann mit einem Überschuss an Rohöl auf dem Weltmarkt zu rechnen, wenn der Ölverbund nicht seine derzeit gültige Förderbegrenzung aufgeben sollte. Die OPEC selbst hat ihre Prognosen für die weltweite Ölnachfrage im Jahr 2024 zuletzt kaum verändert und erwartet einen Anstieg des globalen Verbrauchs an Rohöl um 2 Mio. auf 104,2 Barrel pro Tag.
Ein entscheidender Faktor für die Ölpreisentwicklung bleibt jedoch weiter die Entwicklung im Nahen Osten. In den vergangenen Wochen hatte die Sorge vor einer geopolitischen Eskalation die Ölpreise mehrfach nach oben getrieben. Zeichen für eine mögliche diplomatische Lösung hatten hingegen zeitweise für Ölpreisrückgänge gesorgt. Zuletzt kündigte Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu Vergeltung nach dem iranischen Angriff auf sein Land an. Gleichzeitig wird auch die israelische Bodenoffensive im Libanon fortgesetzt. Es bleibt abzuwarten ob eine weitere Eskalation der Lage verhindert werden kann, die möglicherweise auch deutliche Auswirkungen auf den Ölpreis hätte.