Der Ausfall des US-Hedgefonds Archegos Capital zieht immer weitere Kreise und dürfte mehrere Großbanken teuer zu stehen kommen. Zuletzt hat die Credit Suisse vor hohen Verlusten gewarnt, da ein Hedgefonds ihren Nachschusspflichten nicht nachgekommen war. Insidern zufolge handelt es sich um Archegos. Das Bankhaus erwartet nun im Zusammenhang mit dem Ausfall Belastungen im Ausmaß von 4,4 Mrd. Schweizer Franken und fürchtet einen Verlust von rund 900 Mio. Franken im ersten Quartal. An den Börsen waren die Aktien zahlreicher Bankaktien vor dem Hintergrund der Schieflage zuletzt zeitweise massiv unter die Räder geraten.
Der Hedgefonds Archegos Capital des Investors Bill Hwang hatte in großem Umfang auf US-Aktien und teilweise dubiose chinesische Technologieaktien gesetzt. Der Fonds war Kunde bei zahlreichen renommierten Investmentbanken und kaufte über sie mit teilweise geliehenem Geld in Milliardenhöhe die entsprechenden Aktien. Die Aktien wurden dabei als Sicherheit für die Kreditlinien bei den Banken hinterlegt. Mit den Käufen auf Pump trieb der Fonds auch die Kurse „seiner“ Aktien teilweise kräftig nach oben. So war ViacomCBS zeitweise eine der erfolgreichsten US-Aktien.
Nach einer Kapitalerhöhung des US-Medienkonzerns fielen die Viacom-Aktien allerdings wieder, und die Banken forderten von Archegos Capital zusätzliche Sicherheiten für die Kreditlinien. Archegos konnte diesen Nachschussforderungen, sogenannten Margin Calls, allerdings nicht nachkommen. Hwang strebte laut Medienberichten eine Lösung mit den Banken an, scheiterte aber. Der Fonds geriet in Folge ins Straucheln und brach zusammen.
Medien zufolge konnten sich die kreditgebenden Banken nicht auf eine geordnete Abwicklung des Fonds einigen. Einige der Banken begannen die als Sicherheit hinterlegten Aktien zu verkaufen. So konnte laut Medien die Deutsche Bank ein Aktienpaket im Umfang von 4 Mrd. Dollar abstoßen. Die Bank kam nach eigenen Angaben ohne Verluste aus dem Deal mit Archegos heraus. Auch Goldman Sachs, Morgan Stanley und die Credit Suisse sollen Aktienpakete verkauft haben. Mit den Verkäufen wurden teilweise in einer Kettenreaktion weitere Kursverluste ausgelöst, einige Banken dürften dabei das Nachsehen gehabt haben.
Zahlungsausfall des Fonds beschert Investmentbanken Milliardenverluste
Laut Medienberichten soll sich das Ausmaß der von Archegos gehaltenen Aktienpakete auf 20 bis 30 Mrd. Dollar belaufen haben. Analysten schätzen, dass sich die Verluste branchenweit auf bis zu fünf Mrd. Dollar oder sogar mehr belaufen. Finanzkreisen zufolge dürften Goldman Sachs, Morgan Stanley, UBS und die Deutsche Bank nur minimale Schäden erlitten haben. Stark betroffen seien dürften aber Credit Suisse und der japanische Finanzkonzern Nomura. Zuletzt hatte Nomura vor möglichen Belastungen in Höhe von etwa 2 Mrd. Dollar gewarnt.
Bei der Credit Suisse wurden bereits Konsequenzen gezogen. Das Hedgefonds-Debakel ist für die zweitgrößte Bank der Schweiz bereits der zweite Fehlschlag in diesem Jahr. Zuvor hatte die Pleite des britisch-australischen Finanzkonglomerats Greensill Capital die Credit Suisse getroffen. Investmentbank-Chef Brian Chin und Risikochefin Lara Warner verlieren nun ihre Jobs. Die Konzernleitung verzichtet auf Boni. Zudem setzt die Bank den Rückkauf eigener Aktien aus und will die Dividende kappen. Auch die Ratingagentur Standard & Poors hat bereits reagiert und ihren Ratingausblick für die Credit Suisse von „stabil“ auf „negativ“ gesenkt.
Finanzmarktregulierer diskutieren derzeit eifrig, wie derartige Pleiten in Zukunft verhindert werden könnten. Auch US-Finanzministerin Janet Yellen will die Risiken für das Finanzsystem durch Hedgefonds stärker untersuchen lassen. Dazu soll eine eigens dafür geschaffene Expertengruppe wiederbelebt werden. Archegos Capital wurde als „Family Office“ geführt, also eine Art exklusiver privater Verwalter nur für das eigene Vermögen. Da Hwang theoretisch nur sein eigenes Geld investierte hatte, galten für ihn weniger strikte Richtlinien als für andere Hedgefonds, die Kundengeld investieren. Möglicherweise wird die US-Börsenaufsicht SEC ihre Regeln hier nun nachschärfen. Sollte sich zudem herausstellen, dass Hwang doch auch mit fremdem Geld agiert hatte, bekäme er ohnedies Probleme mit den Aufsehern.
Große Hedgefondspleiten gab es schon in der Vergangenheit
Archegos Capital ist dabei kein Einzelfall, schon in der Vergangenheit hatten einzelne spektakuläre Hedgefonds-Pleiten große Wellen geschlagen. So führte die Russlandkrise 1998 und der Ausfall russischer Staatsanleihen zum Beinahe-Konkurs des Hedgefonds Long-Term Capital Management (LTCM). Da die umfangreichen Investitionen des Fonds weitere Gefahren für die Finanzmärkte darstellten, hatte die US-Notenbank damals mit Hilfe eines Bankenkonsortiums eine Kapitalspritze in Höhe von über 3 Milliarden Dollar organisiert und den Hedgefonds damit gerettet. Für Schlagzeilen sorgte auch der Hedgefonds des einstigen Starinvestors Bernard Madoff, der über eine Art Pyramidensystem seinen prominenten Anlegern hohe Renditen vorgegaukelt hatte.
Hedgefonds sind in der Vergangenheit oft ins Gerede gekommen, da ein Misslingen ihrer teilweise riskanten Anlagestrategien Kettenreaktionen in der Finanzbranche und den Märkten auslösen können. Dabei erfüllen Hedgefonds durchaus wirtschaftliche Funktionen. Hedgefonds können über eine breite Palette von alternativen Finanzinstrumenten und Investments teilweise größere Risiken eingehen als traditionelle Fonds, da sie die Risiken innerhalb des Fonds gegeneinander absichern, also „hedgen“ können.
Hedgefonds übernehmen mit ihren alternativen Anlagestrategien oft eine wichtige Rolle
So setzen Hedgefonds oft auf steigende Kurse in einem Marktsegment, wetten aber gleichzeitig über derivative Instrumente oder Leerverkäufe auf fallende Kurse in einem anderen. Dafür verkaufen Hedgefonds etwa geliehene Aktien, die sie erst später bei einem niedrigeren Kurs kaufen und zurückgeben wollen. Hedgefonds verwenden zudem oft Hebeltechniken um bei kleinem Einsatz durch zusätzlich geliehenes Geld große Renditen erzielen zu können.
Ihren Anlegern können sie damit bei höherem Risiko auch hohe Erträge bieten. Die alternativen Strategien der Hedgefonds ermöglichen zudem, dass sie auch in Börsenflauten Erträge erzielen können. Auch einige Pensionsfonds investieren daher aus Diversifikationsmotiven einen kleinen Teil ihres Anlageportfolios in Hedgefonds, quasi als Gegengewicht für traditionellere Anlagepositionen.
Am Markt übernehmen Hedgefonds mit ihren Investments auch quasi das Risiko für andere, die sich gegen Risiken absichern wollen. Sie stellen Liquidität zur Verfügung damit Risiko wie eine Ware gehandelt werden kann. Einige Vermögensverwalter wie etwa BlackRock sind mit dem Milliarden-Dollar-Vermögen ihrer Kunden auch in großem Stil direkt an zahlreichen börsenotierten Unternehmen beteiligt.
Wichtige rechtliche Hinweise:
Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für künftige Wertentwicklungen.