Anfang November fand die 26. UN-Klimagipfel in Glasgow mit 40.000 Teilnehmern statt. Fast 200 Staaten haben dem Glasgow-Klimapakt zugestimmt, unzählige Side Deals wurden geschmiedet, neue Net-Zero-Ziele verlautbart.
Aber was steckt hinter all diesen Ankündigungen? War COP26 ein voller Erfolg oder doch eher – um es in den Worten von Klimaaktivisten Greta Thunberg zu sagen – nur „Blahblahblah“?
Zum ersten Mal
Rund 200 Staaten haben sich im Glasgow-Klimapakt unter anderem dazu verpflichtet, schrittweise aus Kohle auszusteigen, ineffiziente Subventionen für Kohle, Öl und Gas zu streichen, und ihre unzureichenden nationalen Klimaziele bis Ende nächsten Jahres zu verschärfen.
Das mag jetzt vielleicht nicht sonderlich neu oder radikal klingen, jedoch wird es viele überraschen zu hören, dass der Glasgow-Klimapakt die erste COP-Abschlusserklärung in 25 Jahren ist, die einen direkten Bezug auf Kohle oder andere fossile Brennstoffe nimmt.
Zwar konnten Indien und China in einer dramatischen Last-Minute-Aktion noch das Wort „schrittweise“ (engl. „phase down“ statt „phase out) einfügen und es gibt auch keine Definition für „ineffiziente Subventionen“ oder gar einen Zeitplan, doch fest steht: Nahezu alle Staaten dieser Welt haben sich dazu bekannt, Kohle – dem Nr. 1 Klimaverschmutzer – zumindest schrittweise den Rücken zu kehren.
Und das spiegelte sich bereits in zwei Side Deals wider, die am Klimagipfel beschlossen wurden – wenn auch nicht so erfolgreich wie erhofft. Zum einen haben sich 39 Staaten, inklusive der USA, dem Vereinigten Königreich, und Kanada, darauf verständigt, ab 2023 keine ausländischen Kohle-, Öl- und Gasprojekte mit öffentlichen Mitteln zu finanzieren.
Die größten Finanzierer von fossilen Brennstoffen – China, Japan und Südkorea – sind dem Deal jedoch nicht beigetreten. Zum anderen haben sich 45 Staaten dazu bekannt, in den 2030ern als Industrieland und in den 2040ern als Entwicklungsland keinen Strom mehr aus Kohle zu produzieren, sowie keine neuen Kohlekraftwerke zuzulassen und zu bauen.
Große Kohlenationen wie Polen, Indonesien oder die Philippinnen stimmten jedoch nur teilweise zu, während sich andere wie China und die USA komplett raushielten.
Positiv anzumerken ist Vietnam – das südostasiatische Land, das derzeit mehr als 50% seines Stroms aus Kohle bezieht, hat nicht dem kompletten Deal zugestimmt, sondern sich auch gleich ein Net-Zero bis 2050 Ziel gesetzt.
Deals, deals, deals
Erfolgreicher waren da andere Side Deals, wie zum Beispiel der Global Methane Pledge und der Deforestation Pledge. Beim Global Methane Pledge, haben sich 110 Staaten, inklusive der USA und der EU, zum kollektiven Ziel bekannt, globale Methanemissionen bis 2030 um 30% zu reduzierten (verglichen zu 2020).
Methan ist von großer Bedeutung für den Klimawandel, da es eine größere Treibhauswirkung als CO2 hat (d.h. es speichert mehr Hitze), jedoch nur eine viel kürzere Lebenszeit in der Atmosphäre. Die Reduktion von Methanemissionen könnte daher sogar eine kühlende Wirkung auf den Planenten haben.
Methanemissionen können beispielsweise durch das Reparieren von undichten Stellen in der Öl- und Gasproduktion gesenkt werden. Es bedarf daher im Vergleich zu anderen Klimaproblemen keiner neuen oder teuren Technologien, um Methanemissionen zu einem großen Teil zu reduzieren.
Trotzdem sind einige der weltweit größten Methanemittenten, inklusive Russland, China und Indien, die gemeinsam für ein Drittel der weltweiten Methanemissionen verantwortlich sind, dem Pledge nicht beigetreten. Außerdem handelt es sich bei dem Pledge nur um ein kollektives Ziel, d.h. nicht alle Staaten müssen ihre Emissionen um 30% verringern.
Dies könnte vielen Staaten erlauben, den Pledge zu unterzeichnen, jedoch nichts zu ändern – ein typischer Fall von Greenwashing.
Beim Deforestation Pledge, haben sich 141 Staaten darauf verständigt, die Abholzung von Wäldern bis 2030 zu stoppen und rückgängig zu machen.
Zu den unterzeichnenden Staaten, gehören neben den USA, der EU, und China, auch Länder mit den weltweit größten Wäldern, zum Beispiel Brasilien, Russland und Kanada.
Insgesamt sind 91% der weltweiten Waldflächen von dem Pledge betroffen – ein voller Erfolg. Jedoch bleibt abzuwarten, ob dem Deforestation Pledge Taten folgen werden, da ein ähnlicher Deal, die New York Declaration of Forests 2014, an der Umsetzung scheiterte.
Überraschungen und Durchbrüche
Zu den größten Überraschungen bei der diesjährigen COP zählten sicherlich die Kehrtwende in der Klimapolitik von Brasilien und die neuen Klimaziele von Indien. So ist Brasilien sowohl dem Deforestation als auch dem Global Methane Pledge beigetreten.
Gleichzeitig hat das südamerikanische Land angekündigt, bereits 2030 eine Halbierung von Treibhausgasemissionen und bereits 2050 Net-Zero Emissionen erreichen zu wollen. Indien hat sich zum ersten Mal ein Net-Zero-Ziel gesetzt, und zwar bis 2070.
Bis zum Ende dieses Jahrzehnts, möchte Indien bereits die Hälfte seines Stroms aus erneuerbaren Quellen beziehen. Diese Pläne kommen jedoch nicht ohne Preis. So fordert Indien von Industriestaaten eine Billionen US-Dollar an finanziellen Mitteln bis 2030 – gleich viel, wie Industriestaaten allen Entwicklungsstaaten zusammen über das Jahrzehnt versprochen haben (100 Milliarden US-Dollar pro Jahr) und bereits 2020 nicht einhalten konnten.
Woher das Geld also kommen soll, bleibt unklar.
Eine neue Geldquelle für Entwicklungsstaaten – sowie der wohl größte Durchbruch von COP26 – könnte der globale Markt für CO2-Zertifikate sein. Dieser Markt erlaubt es Staaten ihre Klimaziele teilweise durch den Ankauf von CO2-Zertifikaten (Emissionsreduktionen durch andere Staaten) zu erfüllen.
Nachdem der letzte Klimagipfel in Madrid aufgrund dieses Themas scheiterte, konnten sich rund 200 Staaten in Glasgow auf ein Regelwerk für einen solchen Markt einigen. Der Global Carbon Market wird aus zwei separaten Systemen bestehen: zum einen, ein bilaterales System, in dem nur Staaten CO2-Zertifikate handeln dürfen, und zum anderen, ein zentralisiertes System für den privaten Sektor.
Bei letzterem, müssen 5% der Erlöse aus dem Handel mit CO2-Zertifikaten an einen Fonds für Entwicklungsstaaten abgegeben werden. Außerdem werden automatisch 2% der CO2-Zertifikate annulliert, um so eine größere Reduktion von CO2-Emissionen zu erzielen.
Es wurden auch Regeln festgelegt, um Doublecounting zu verhindern und den Umgang mit CO2-Zertifikaten aus dem veralteten Kyoto Protocol-System zu regeln. Während das Regelwerk für den Global Carbon Market von allen Seiten als großer Erfolg gewertet wird, befürchten Kritiker, dass zu viele CO2-Zertifikate aus dem alten System zugelassen wurden, die den Markt mit günstigen Zertifikaten schwemmen könnten, und so Preise drücken könnten.
Es bleibt also – wie immer – abzuwarten.
Fazit
Was bedeutet das nun alles fürs Klima? 89% der globalen Treibhausgasemissionen sich nun von Net-Zero-Zielen betroffen. Wenn all diese Ziele erreicht werden, könnte die Erderwärmung auf 1.8°C begrenzt werden.
Aber das ist ein großes „wenn“. Die nationalen Klimapläne bis 2030, die von Staaten vor oder während COP26 eingereicht wurden, deuten bereits auf 2.4°C Erderwärmung hin.
Der große Temperaturunterschied zwischen langfristigen Net-Zero-Zielen und kurzfristig geplanten Maßnahmen verdeutlicht, dass wir noch nicht genug tun, um unser langfristiges Ziel, die Erderwärmung auf 1.5°C zu beschränken, zu erreichen.
Während COP21 in Paris die richtigen Ziele gesetzt hat und COP26 in Glasgow die richtigen Themen angesprochen hat, liegt es jetzt an COP27 in Kairo an der Umsetzung und der Finanzierung dieser Pläne zu arbeiten.
Wichtige rechtliche Hinweise:
Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für künftige Wertentwicklungen.