Trotz der jüngsten Grenzöffnungen lastet die Corona-Pandemie weiter auf der Luftfahrtbranche. Der Branchenverband IATA hat zwar zuletzt für Juni wieder anziehende Kennzahlen und damit erste Effekte der Corona-Lockerungen gemeldet, die positiven Effekte beschränken sich derzeit aber vor allem auf Binnenflüge. Auch die Zahl der Flugbuchungen lag weltweit Ende Juni immer noch rund 80 Prozent unter dem Vorjahr, teilte die IATA mit.
Davon betroffen sind neben den Airlines auch die beiden größten Flugzeugbauer und Erzrivalen Airbus und Boeing. So will Airbus wegen der Luftfahrt-Krise weltweit rund 15.000 Stellen streichen. Allein in Deutschland sollen etwa 5.100 Stellen betroffen sein, teilte der Flugzeugbauer zuletzt mit. Außerdem will Airbus 5.000 Stellen in Frankreich, 900 in Spanien, 1.700 in Großbritannien und über tausend an weiteren weltweiten Standorten streichen.
„Die Branche befindet sich in einer beispiellosen Krise“, teilte Airbus mit. Es werde erwartet, dass sich der Luftverkehr nicht vor 2023 erholen werde und möglicherweise erst 2025 wieder auf dem Niveau von vor Corona sein werde. Der Airbus-Arbeitsdirektor Marco Wagner sprach laut NDR von der schwersten Krise der Luftfahrtgeschichte. Kein Bereich bei Airbus werde verschont, so der Arbeitsdirektor. Nach der Krise werde Airbus wahrscheinlich insgesamt ein kleineres Unternehmen sein.
Der Airbus-Chef Guillaume Faury hatte die Beschäftigten des Konzerns bereits mehrmals auf harte Zeiten eingestimmt und von einer existenzbedrohenden Lage gesprochen, zumal sich durch eine zweite Corona-Welle die erhoffte Belebung wieder verschlimmern könnte.
Airbus hat im Juni angesichts der Corona-Krise wie schon im Mai keine neuen Flugzeug-Bestellungen eingesammelt. Derzeit sind viele fertige Flugzeuge geparkt. Die Airlines nehmen sie wegen des Einbruchs im Markt durch die Corona-Krise zunächst nicht ab. Die Produktion soll zwar weiterlaufen, aber vorerst in gedrosseltem Tempo. So sollen von der meistverkauften Baureihe A320 nur noch 40 Maschinen pro Monat gefertigt werden.
Flugverbot für 737 Max belastet Boeing zusätzlich
Auch der US-Flugzeugbauer Boeing hat bereits ein massives Sparprogramm auf den Weg gebracht, um seine Finanzlage zu stabilisieren. Ende April kündigte der Konzern an, weltweit zehn Prozent seiner Stellen zu streichen, das sind etwa 16.000 Jobs.
Boeing leidet nicht nur unter der Corona-Krise, sondern auch weiter unter dem Flugverbot für seine Boeing 737 Max. Nach zwei Abstürzen in Indonesien und Äthiopien mit insgesamt 346 Todesopfern gilt für Boeings meistverkauften Flugzeugtyp seit März 2019 ein weltweites Flugverbot. Als Hauptursache der Unglücke gilt ein fehlerhaftes Steuerungsprogramm.
Zuletzt hat die Boeing 737 Max erste Testflüge für eine Neuzertifizierung durch die Flugaufsichtsbehörde FAA absolviert. Damit ist ein wichtiger Meilenstein erreicht, allerdings bleibt noch eine Reihe weiterer Hürden, wie etwa die Auswertung der Flugdaten. Das Startverbot wird nur aufgehoben, wenn die Sicherheitsexperten der FAA überzeugt sind, dass die Maschine alle Standards erfüllt. Wenn alles glatt geht, könnte die 737 Max in den kommenden Monaten wieder zugelassen werden.
Mit der Corona-Krise hat sich die Lage zuletzt für Boeing verschärft. Auch der US-Flugzeugbauer leidet unter der Bestellflaute der Branche. Im Mai hat Boeing lediglich vier Verkehrsflugzeuge ausgeliefert. Vor einem Jahr waren es im Mai noch 30 gewesen, obwohl die 737 Max damals schon mit Startverboten belegt war. Auch die Auftragslage bleibt kritisch. Im Mai kamen lediglich neun neue Bestellungen rein und die Stornierungswelle dauert an: Im bisherigen Jahresverlauf gingen bis Ende Mai unterm Strich insgesamt 602 Aufträge verloren.
Airlines setzen weiter auf gigantische Staatshilfen
Die von der Krise schwer getroffenen Airlines setzen unterdessen weiter auf Kosteneinsparungen und Staatshilfen im großen Stil. So hat etwa die AUA-Mutter Lufthansa zuletzt weitere Einsparungen beschlossen. Die Anzahl der Führungsposten soll um 20 Prozent reduziert werden, in der Verwaltung werden zudem 1.000 Stellen gestrichen.
Die Lufthansa musste wegen des Geschäftseinbruchs infolge der Pandemie mit einem neun Milliarden Euro schweren staatlichen Finanzpaket vor der Pleite bewahrt werden. Die Airline-Gruppe hat dem Vorstand zufolge langfristig 22.000 Vollzeitstellen Personalüberhang, weil das Management von einer dauerhaft kleineren Flotte ausgeht. Vereinbarungen mit Gewerkschaften zu Kostensenkungen sollen verhindern, dass die betroffenen Beschäftigten gekündigt werden müssen.
Die Krise hat auch zu einer Rückkehr des Staats geführt. Durch das Rettungspaket ist der deutsche Staat nun mit 20,5 Prozent der größte Einzelaktionär der Lufthansa. Die umstrittene Staatsbeteiligung hatte die Lufthansa-Rettung kurzfristig zu einer Zitterpartie gemacht, letztlich stimmten die Aktionäre aber für das Rettungspaket inklusive Staatseinstieg.
Auch die Lufthansa-Tochter AUA wurde mit teils staatlichen Geldern gerettet. Je 150 Mio. Euro schießen die Republik Österreich und die Eigentümerin Lufthansa zu. Darüber hinaus gibt es einen 300 Mio. Euro schweren staatlich garantierten Bankkredit.
Die niederländische KLM Royal Dutch Airlines hat sich Ende Juni zur Überwindung der Krise einen staatlichen Kredit in Höhe von 3,4 Milliarden Euro gesichert. Damit kann der Luftfahrtkonzern Air France-KLM in der Coronakrise mit Finanzhilfen von über 10 Milliarden Euro rechnen, die direkt vom Staat kommen oder staatlich abgesichert werden. Frankreich stützt die Schwestergesellschaft Air France mit 7 Milliarden Euro.
Nun setzt die Branche auf die positiven Effekte der Grenzöffnungen. Die IATA erwartet auf Basis ihrer Prognosemodelle, dass die Nachfrage nach Flügen sich im dritten Quartal weiter erholen werde, vor allem Binnenflüge dürften diese Erholung anführen, Die Niveaus von 2019 dürften aber nach IATA-Schätzungen erst im Jahr 2023 wieder erreicht werden. Das große Fragezeichen bleibt dabei, ob eine etwaige zweite Corona-Welle die anlaufende Erholung wieder ausbremsen könnte.
Wichtige rechtliche Hinweise:
Prognosen sind kein zuverlässiger Indikator für künftige Entwicklungen.