Interview mit Clemens Klein, Fondsmanager des ERSTE WWF STOCK ENVIRONMENT
Siehst du eine Gefahr, dass angesichts der ökonomischen Verwerfungen der Corona-Krise der ökologische Umbau der Wirtschaft ins Stocken gerät?
Auch wenn es aufgrund der aktuellen Situation zu Verzögerungen bei Initiativen und Gesetzen kommen kann (z.B. die geplanten COP26-Klimaverhandlungen ins Jahr 2021 verschoben), sehen wir das differenzierter. Ich erwarte, dass Covid-19 Entwicklungen, die bereits vor der Krise vorhanden waren, beschleunigen wird.
Aus politischer Sicht gilt das vor allem für Europa, aber auch für China. Beide haben angekündigt, dass die geplanten Konjunkturpakete nicht nur an bestehenden Umweltmaßnahmen festhalten, sondern diese sogar verstärken werden. In der EU gibt es mehrere Initiativen um Klimamaßnahmen in das Konjunkturprogramm aufzunehmen. Innerhalb der EU wird diskutiert, von einer vorgeschlagenen Reduzierung der Emissionen um 40 Prozent im nächsten Jahrzehnt zu einer Reduzierung um 50 Prozent überzugehen.
Am 27.Mai hat die Europäische Kommission ihre Pläne für einen mit 750 Milliarden Euro dotierten „Recovery Fonds“ vorgestellt, der einen starken Fokus auf Klimainvestitionen legt. Die aus dem „EU-Green-Deal“ bekannten Schwerpunktthemen Gebäudesanierung, erneuerbare Energien, Wasserstoff sowie saubere Mobilität, die zum Ziel haben, Europa bis zum Jahr 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen, sollen mit zusätzlichen Investitionen noch weiter forciert werden. Die politische Situation in den USA ist bekanntlich sehr unterschiedlich, zumindest bis November 2020, aber möglicherweise noch weitere vier Jahre. Hier erwarte ich allerdings, dass der Unternehmenssektor aufgrund von Reputationsrisiken, aber auch unter Kostengesichtspunkten, die Führung bei Umweltinitiativen übernehmen wird.
Der Fonds schlägt sich auch in dieser herausfordernden Zeit gut. Was sind die wichtigsten Gründe dafür?
Im vergangenen Jahr konnten sich einige Themen im Fonds deutlich überdurchschnittlich entwickeln, wie beispielsweise Solarenergie aber auch die Bereiche Wasserstoff oder Abfallwirtschaft & Recycling. Diverse Übernahmen haben aber auch bei Aktien aus anderen Bereichen für größere Kursprünge und entsprechend positive Performancebeiträge gesorgt.
Diese Entwicklung hat sich zunächst auch im aktuellen Jahr fortgesetzt. So konnten einzelne Wasserstoffunternehmen alleine in den ersten Wochen des neuen Jahres um 50 Prozent bis 70 Prozent zulegen. Wir haben ab Ende Januar begonnen, Gewinne zu realisieren sowie qualitativ schwächere Werte zu verkaufen und die deutlichen Rückgänge im Februar und März dazu genutzt, unsere besten Ideen aufzustocken.
Der Schwerpunkt liegt auf Unternehmen aus den USA, dem Land mit den höchsten Pro-Kopf-Emissionen und aktuell einem beispiellosen Umweltstandard-Rollback. Paradox – oder?
Ich sehe hier überhaupt keinen Widerspruch. Die beiden größten „Klimasünder“, China und die USA, tragen gleichzeitig auch am meisten zur Problemlösung bei. Während es in China hauptsächlich die Politik ist, die diese Entwicklungen vorantreibt, sind es in den USA die Unternehmen, die durch Forschung und Innovationen Lösungen für eine Reihe von Umweltproblemen liefern.
Wir investieren in Produkte und Technologien, nicht in Länder. Unser Investmentprozess ist rein „bottom up“ orientiert, die Ländergewichtung somit das Ergebnis unserer besten Ideen.
Ändert sich durch Corona deine Einschätzung zur Attraktivität einzelner Technologien innerhalb der Umwelt-Branche? Welche Segmente findest du zukünftig besonders aussichtsreich?
Die Covid-19 Pandemie ändert wie erwähnt nichts an unserer positiven Einschätzung von Umwelttechnologien. Corona werden wir in nächster Zukunft hoffentlich überwinden, der Klimawandel und andere Umweltprobleme werden bleiben. Vor allem das Solarsegment bietet – trotz der starken Anstiege des Vorjahres – aufgrund weiter fallender Kosten bei gleichzeitig steigenden Wirkungsgraden weiter interessante Zukunftsaussichten. In vielen Teilen der Welt zählt Solarenergie mittlerweile zu den günstigsten Formen der Stromerzeugung, womit die Notwendigkeit von Subventionen wegfällt.
Die in den vergangenen Jahren deutlich gefallenen Preise für Batterien, alleine seit 2015 haben sich die Kosten für Batterien halbiert, verhelfen nicht nur der Elektromobilität zum Durchbruch. In absehbarer Zeit bedeutet es, dass Solar- bzw. Windenergie inklusive Speicherung die günstigste Form der Stromerzeugung darstellen, was unweigerlich zu einer weiteren Beschleunigung der Nachfrage führen wird.
Auch andere Bereiche des Fonds wie Recycling -Stichwort: Plastik oder Wasser – rücken immer stärker ins Bewusstsein von Bevölkerung und Politik und sollten daher auf Jahre deutlich überdurchschnittliche Wachstumsraten aufweisen.
Nachhaltiges Investieren reicht über die Auswahl nachhaltiger Unternehmen hinaus, etwa durch Stimmrechtsausübung, Dialog mit Unternehmen oder auch die Beachtung von ILO-Konventionen. Wie handhaben Sie diesen Impact-Aspekt der Nachhaltigkeit?
In gezielten Dialogen mit Unternehmen (Engagement) sowie in der Ausübung der Stimmrechte auf Hauptversammlungen (Voting) liegt hohes Potential nachhaltige Veränderung herbeizuführen. Neben der Integration von nachhaltigen Standards in Investmententscheidungen legen wir besonderes Augenmerk auf Engagement- und Voting Aktivitäten. Die größten Erfolge können dann erzielt werden konnten, wenn Dialoge über mehrere Jahre geführt und Unternehmenskontakte regelmäßig wahrgenommen werden.
Gerade in unserem Heimatmarkt in Österreich führen wir seit geraumer Zeit fortlaufende Engagements, um Klima- oder andere Umweltthemen über verschiedenste Strategien noch stärker zu berücksichtigen. 2019 fanden mehr als 80 Unternehmenskontakte statt, in denen ESG Themen adressiert wurden.
Unser Dossier zum Thema ESG: https://blog.de.erste-am.com/dossier-overview
INFO:
Der ERSTE WWF STOCK ENVIRONMENT investiert weltweit vor allem in Unternehmen aus dem Bereich Umwelttechnologie. Der Investmentprozess des Fonds basiert auf fundamentaler Unternehmensanalyse. Die Titelauswahl erfolgt mit Fokus auf Unternehmen welche vor allem in den Bereichen Wasseraufbereitung und -versorgung, Recycling und Abfallwirtschaft, Erneuerbare Energie, Energie-Effizienz und Mobilität tätig sind.
Wichtige rechtliche Hinweise:
Prognosen sind kein zuverlässiger Indikator für künftige Entwicklungen.