Seit Anfang November verzeichnen sowohl die risikobehafteten Wertpapierklassen wie Aktien als auch die kreditsicheren Staatsanleihen Kursanstiege. Der US-Dollar, der als antizyklische Währung gilt und der Ölpreis, weisen unterdessen Kursrückgänge auf.
Der Markt scheint in einem zunehmenden Ausmaß eine sogenannte „weiche“ Landung der Wirtschaft einzupreisen. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist im Laufe des Jahres tatsächlich angestiegen. Die in den vergangenen Wochen und Monaten veröffentlichten Wirtschaftsdaten widersprechen jedoch auch nicht dem Szenario „harte“ Landung.
Fallender Inflationsdruck
In der vergangenen Woche stand besonders die Konsumentenpreisinflation für den Monat Oktober in den USA im Fokus. Gegenüber dem Vormonat blieben die Preise unverändert, vor allem deshalb, weil die Energiepreise fielen (-2,5% p.m.). Im Jahresabstand fiel die Inflation von 3,7% auf 3,2%.
Wichtig ist vor allem, dass die verschiedenen Maßzahlen für die zugrundeliegende Inflation einen Rückgang der Teuerung im Monatsabstand zeigten. Die traditionelle Kernrate, das ist die Gesamtzahl ohne die volatilen Komponenten Nahrungsmittel und Energie, betrug 0,2% p.m. nach 0,3% p.m. im Vormonat. Im Jahresabstand ging der Preisauftrieb von 4,1% auf 4,0% zurück.
Hinweis: Die Entwicklung in der Vergangenheit ist kein zuverlässiger Indikator für künftige Wertentwicklungen.
Die langsam fallende Inflation, auch Disinflation genannt, ist auch in zahlreichen anderen Ländern erkennbar. In der Eurozone ist die Konsumentenpreisinflation von 4,3% im September auf 2,9% im Oktober gefallen, die Kernrate von 4,5% auf 4,2%. Im gesamten OECD-Raum ist die Inflation vom Hoch im Oktober 2022 (10,7%) auf mittlerweile 6,2% (im September 2023) gefallen. Insgesamt weisen die Inflationsraten einen fallenden Trend auf, die Niveaus sind jedoch nach wie vor zu hoch.
Hinweis: Die Entwicklung in der Vergangenheit ist kein zuverlässiger Indikator für künftige Wertentwicklungen.
Langsam rückläufige Nachfrage am Arbeitsmarkt
Neben der fallenden Inflation ist die zweite wichtige Entwicklung auf der volkswirtschaftlichen Ebene eine langsame Abschwächung am immer noch sehr engen Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenraten verharren dabei auf einem sehr niedrigen Niveau. Im September betrug die Arbeitslosenrate für den gesamten OECD-Raum lediglich 4,8%. Das liegt sehr nahe am zyklischen Tief vom Monat Juni.
Die Anzahl der offenen Stellen weist jedoch in zahlreichen Ländern eine fallende Tendenz auf. In den USA sind die offenen Stellen von rund 12 Millionen (März 2022) auf mittlerweile 9,5 Millionen (September 2023) gefallen. In Deutschland ist eine ähnliche Entwicklung feststellbar (Mai 2022: 870.000, September 2023: 731.000). Bis dato hat der vielfach erwartete Rückgang der Nachfrage am Arbeitsmarkt also nicht über einen signifikanten Anstieg der Arbeitslosenrate, sondern vor allem über einen Rückgang der offenen Stellen stattgefunden.
Hinweis: Die Entwicklung in der Vergangenheit ist kein zuverlässiger Indikator für künftige Wertentwicklungen.
Trendwachstum
Vor dem Hintergrund der stark und schnell angehobenen Leitzinsen ist das Wirtschaftswachstum überraschend kräftig geblieben. Tatsächlich haben die Zentralbanken den durchschnittlichen Leitzinssatz im OECD-Raum von 0,5% Anfang 2022 auf 5,7% im September 2023 angehoben.
Die deutliche Verschärfung des geldpolitischen Umfeldes hatte zu Befürchtungen geführt, dass mit einer ungewissen Zeitverzögerung die wirtschaftliche Aktivität stark gedämpft werden könnte (fallendes Bruttoinlandsprodukt, deutlich ansteigende Arbeitslosenrate). Doch das reale Bruttoinlandsprodukt ist vom ersten auf das zweite Quartal mit 0,5% gewachsen. Das klingt nicht nach viel, bedeutet jedoch einen auf das Jahr hochgerechneten Wert von 2% und liegt tatsächlich am langfristigen Durchschnitt (seit dem Jahr 2000).
Das starke Wachstum in den USA im dritten Quartal (4,9% annualisiert) könnte das OECD-Wachstum sogar noch angehoben haben, obwohl sowohl die Eurozone (-0,2%) als auch Japan (-2,1%) eine Schrumpfung zeigen. Historisch betrachtet wird die restriktive Geldpolitik das Wirtschaftswachstum deutlich dämpfen. Doch das ist „lediglich“ eine statistische Betrachtungsweise. Das wichtigste Argument für die Vermeidung einer „harten“ Landung ist, dass die Fortsetzung des fallenden Inflationstrends die Realeinkommen ansteigen lassen und die Zentralbanken die Leitzinsen bald senken würden.
Resilientes Finanzsystem
Nicht nur beim Wachstum hat eine positive Überraschung stattgefunden, auch die Indikatoren für den Zustand auf den Finanzmärkten weisen eine überraschende Resilienz auf. Die Befürchtung war, dass die schnellen Leitzinsanhebungen zu Liquiditätskrisen und Konkursen führen könnten. Die bisherigen Liquiditätskrisen (UK-Pensionskassen, US-Banken) waren jedoch schnell verdaut. Aktuell befinden sich die diversen Indikatoren zu den Financial Conditions auf einem durchschnittlichen Niveau.
Fazit: „Weiche“ Landung noch nicht klar
Bevor die Beschreibung des volkswirtschaftlichen Umfeldes zu positiv klingt: Die Inflation ist noch immer zu hoch. Aus diesem Grund werden die Zentralbanken weiterhin eine restriktive Politik verfolgen. Weil die Inflation jedoch einen fallenden Trend aufweist und die Geldpolitik erst mit einer ungewissen Zeitverzögerung auf die wirtschaftliche Aktivität wirkt, sind die Zentralbanken mittlerweile in eine abwartende Haltung übergegangen.
Das ist jedoch kein Pivot hin zu einer Lockerung der Geldpolitik. Die Zentralbanken wollen die Fehler der 1970er vermeiden. Damals waren die Leitzinsen zu niedrig und die Leitzinssenkungen wurden zu früh vorgenommen. Übrig bleibt: Die fallende Inflation ist ermutigend, doch für eine „weiche“ Landung der Wirtschaft ist eine Fortsetzung dieses Trends nötig.
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Wichtige rechtliche Hinweise:
Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für künftige Wertentwicklungen.