Nach dem Rückzug von US-Präsident Joe Biden könnte seine Vizepräsidentin Kamala Harris bei den Präsidentschaftswahlen am 5. November die Kandidatin der Demokraten werden und gegen den Republikaner Donald Trump antreten. Die Entscheidung fällt zwar erst Mitte August, wenn die Delegierten der Demokratischen Partei bei ihrem Parteitag einen Kandidaten nominieren. Eine Nominierung von Harris gilt allerdings als sehr wahrscheinlich. Nachdem Biden seine Stellvertreterin als Ersatzkandidatin vorgeschlagen hat, haben sich zuletzt auch die Vorsitzenden der demokratischen Parteien der US-Bundesstaaten geschlossen hinter Harris gestellt.
Damit müsste Harris im Wahlkampf auch mit einem wirtschaftspolitischen Alternativprogramm zu Trump antreten. Seit dem Rückzug Bidens hat sich Harris zu ihren Wirtschaftsplänen nicht geäußert. Rückschlüsse auf ihre wirtschaftspolitische Position können aber aus früheren Aussagen der Vizepräsidentin gezogen werden. Insgesamt erwarten viele Experten, dass sie im Wesentlichen die Wirtschaftspolitik von Joe Biden weiterführen dürfte, allerdings mit einem stärkeren Fokus auf Umverteilung, Verbraucherschutz und saubere Energie. Eine Konjunktur unter Harris könnte deutlich progressiver aussehen als unter Biden, schreibt etwa die New York Times am Montag.
Harris dürfte für Umverteilung stehen
So dürfte auch Harris auf höhere Unternehmenssteuern und eine steuerliche Entlastung schwächerer Einkommensklassen setzen. Joe Biden hatte bereits im Frühjahr darauf gedrängt, die Steuern für große Unternehmen und Superreiche zu erhöhen. Der Budgetentwurf seiner Regierung für das kommende Fiskaljahr sah unter anderem eine Mindeststeuer von 25% für Menschen mit einem Vermögen von mehr als 100 Mio. US-Dollar vor, sowie Steuersenkungen für untere und mittlere Einkommensklassen.
Wenn man frühere Aussagen vergleicht, könnte Kamala Harris noch stärker als Biden auf höhere Unternehmenssteuern setzen. So hat sie 2019 im Rennen um die Nominierung als Präsidentschaftskandidatin eine Erhöhung der Unternehmenssteuer auf 35% vorgeschlagen, während sich Biden für eine Erhöhung auf 28% ausgesprochen hatte. Harris hatte damals auch Pläne für gewaltige Hilfspakete und Steuerkredite in Milliardenhöhe für untere Einkommensschichten präsentiert.
Nach dem Rückzug des amtierenden US-Präsidenten Joe Biden aus dem Rennen für die anstehenden Wahlen, gilt Kamala Harris als aussichtsreichste Kandidatin, um für die Demokraten in das Rennen gegen Donald Trump einzusteigen. © MANDEL NGAN / AFP / picturedesk.com
Trump setzt auf Steuersenkungen
Damit steht Harris wie davor schon Biden in einem scharfen Kontrast zu Trumps Politik der Steuersenkungen. Trump hatte erst kürzlich seine Pläne für Kürzungen der Unternehmens- und Einkommenssteuern bekräftigt. Der Ex-Präsident hatte zuletzt sogar eine vollständige Abschaffung der Einkommenssteuer zur Diskussion gestellt, Ökonomen und Politikexperten halten einen derartigen Schritt aber für unwahrscheinlich.
Trump hatte sich bereits in seiner ersten Amtszeit von derartigen Steuersenkungen einen starken Konjunkturstimulus und damit in Folge auch steigende Staatseinnahmen versprochen. Experten befürchten allerdings, dass Trumps Steuersenkungen auch aus Schulden finanziert werden müssen und damit das steigende Budgetdefizit der USA noch stärker ausweiten. Schon während Trumps Amtszeit als Präsident gingen seine Steuersenkungen Hand in Hand mit einer höheren Aufnahme von Staatsschulden. Aber auch unter Biden stieg die Verschuldung weiter an, der Präsident musste damit unter anderem Konjunkturprogramme zur Bewältigung der Corona-Krise finanzieren.
Donald Trump wurde erst kürzlich beim Parteitag der republikanischen Partei offiziell als Kandidat für die Wahlen im November nominiert. © JIM WATSON / AFP / picturedesk.com
Harris kritisiert Trumps Pläne für Zollerhöhungen und protektionistische Handelspolitik
Auch bei Fragen der Handelspolitik dürfte sich Harris ähnlich wie Biden als Gegenpol zu Trump positionieren. Trump möchte seinen Steuersenkungen erneut eine protektionistische Handelspolitik und damit auch höhere Zölle gegenüberstellen. Der Ex-Präsident will mindestens 10% Strafzölle auf alle in die USA importierten Waren einführen, um das Handelsdefizit der USA zu verringern. Gegenüber China dürften die Zölle noch deutlich höher ausfallen.
Harris hatte zuletzt vor den Plänen des Republikaners gewarnt. Derartige Zollerhöhungen würden sich in höheren Preisen für Energie, Nahrungsmittel und Kleidung niederschlagen und damit einkommensschwachen Familien schaden. Entsprechend hat sie auch einer protektionistischen Handelspolitik eine klare Absage erteilt.
Harris dürfte weiter auf saubere Energie und Klima setzen
Die Positionen von Harris zu Klima und Energie ähneln denen Bidens. Beide gelten als Förderer eines Umstiegs auf nachhaltige und saubere Energiequellen. So hatte Biden heuer Milliardenförderungen zur Umstellung bestehender Automobilfabriken auf die Erzeugung von Elektroautos angekündigt. Auch mit Steueranreizen und entsprechenden Regulierungen hat Biden den Umstieg auf E-Autos gefördert. Trump will Bidens Maßnahmen in diesem Bereich im Fall seiner Wahl wieder rückgängig machen.
Auch Harris hat in der Vergangenheit auf die große Bedeutung sauberer Energie hingewiesen und könnte sich möglicherweise noch stärker in diesem Bereich engagieren. Im vorigen Jahr gab sie ihr Debüt bei internationalen Klimaverhandlungen und kündigte eine Zusage von 3 Mrd. Dollar für den Grünen Klimafonds (GCF) an. Als Vizepräsidentin war Harris auch daran beteiligt, politische Maßnahmen der Umweltschutzbehörden umzusetzen. Diese befassen sich mit seit langem bestehenden Problemen der Umweltgerechtigkeit, wie etwa einem Multimilliarden-Dollar-Programm zum Austausch von Bleirohren und Bleifarbe. Eine harte Haltung könnte Harris hingegen gegenüber der Ölindustrie einnehmen.
Ein Naheverhältnis wird Harris zur Technologiebranche nachgesagt. Sie gilt allgemein als vertraut mit prominenten Technologiemanagern und Investoren. Gleichzeitig hat sie in der Vergangenheit aber auch wiederholt auf stärkere Regulierungen in der Tech-Branche gedrängt. Einige Techkonzerne erhoffen sich hingegen von einer Trump-Präsidentschaft eine stärkere Deregulierung. So hatten zuletzt Kryptowährungen mit deutlichen Anstiegen auf Trumps Vorrücken in den Umfragen reagiert.