In den vergangenen Jahren lagen nicht nur die Einschätzungen hinsichtlich der Inflationsentwicklung falsch. Anstatt eines kurzen scharfen Inflationsanstieges kam es zu einer länger anhaltenden Periode von erhöhten Inflationsraten. Auch hinsichtlich der Entwicklung des Wirtschaftswachstums gab es positive Überraschungen. Die von vielen Analysten erwartete Rezession ist (bis dato) nicht eingetreten.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass Prognosen kein zuverlässiger Indikator für künftige Entwicklungen sind und dass eine Veranlagung in Wertpapiere neben Chancen auch Risiken beinhaltet.
Gute Wachstumsindikatoren
Vielmehr deuten die Wirtschaftsindikatoren auf ein gutes globales Wachstum hin, dass auch zunehmend breiter abgestützt sein könnte. Im vergangenen Jahr war das Wachstum vor allem von einer Normalisierung der Lieferketten, dem Aufholprozess im Dienstleistungssektor, der expansiven US-Fiskalpolitik und der Verbesserung auf der US-Angebotsseite getragen.
Der globale Einkaufsmanagerindex (PMI) für den Monat März deutet nun auf ein anhaltend gutes Wachstum (sogar etwas über dem Potenzial) hin, wobei die Wachstumstreiber breiter basiert und nachhaltiger werden könnten.
Ende der Stagnationsphase in der Fertigung
Denn die Teilkomponenten deuten darauf hin, dass die einzelnen Sektoren und Regionen im Gleichklang zulegen. Erstens ist der Einkaufsmanagerindex für den Fertigungssektor weiter angestiegen. Mit einem Wert von 50,6 befindet sich der Indikator nun schon das zweite Mal in Folge über der Marke von 50, die theoretisch Wachstum in der Branche bedeuten.
Tatsächlich stagniert die Fertigung im OECD-Raum seit Ende 2021. Auch in den boomenden USA ist die Fertigung seitwärts verlaufen. Im Einklang damit weisen auch die Industriemetalle seit April eine Aufwärtstendenz auf. Die Fertigung könnte damit in den kommenden Monaten ein Wachstum aufweisen.
Rückkehr zum Wachstum in der Eurozone
Zweitens ist auch ein ansteigender PMI-Trend in der Eurozone feststellbar. Zudem zeigt die jüngste EZB-Untersuchung zur Kreditvergabe der Banken, dass die Kreditvergaberichtlinien nicht weiter verschärft wurden. Damit könnten die Stagnationsphasen sowohl beim Kreditvolumen als auch beim realen Bruttoinlandsprodukt (seit dem vierten Quartal 2022) vorüber sein.
Steigende Wachstumsindikatoren in China
Drittens sind auch die Einkaufsmanagerindizes in China angestiegen. China ist zwar nach wie vor mit strukturellen Problemen konfrontiert (negativer BIP-Deflator, Immobiliensektor, geopolitische Spannungen), aber die Erreichung des Wachstumsziel von 5% für dieses Jahr scheint nun realistischer zu sein.
Fester Arbeitsmarkt
Der Arbeitsmarkt bleibt weiterhin eng. In der Eurozone lag die Arbeitslosenrate im Monat Februar trotz der wirtschaftlichen Stagnation bei einem niedrigen Wert von 6,5%. In den USA überrascht das Beschäftigungswachstum nach wie vor mit starken Zuwächsen. Die Beschäftigung im nicht-landwirtschaftlichen Sektor (Nonfarm Payrolls) nahm im März um 303.000 Stellen zu. Gleichzeitig ist die Arbeitslosenrate gefallen (3.8%), obwohl die Erwerbsquote leicht angestiegen ist (62,7%).
Pause im Disinflationsprozess
Auf der Inflationsseite zeichnet sich eine Pause im fallenden Inflationstrend ab. In der Eurozone zeigte die Schnellschätzung der Konsumentenpreisinflation für den Monat März einen weiteren Rückgang der jährlichen Veränderung sowohl bei der Gesamtzahl (2,4%) als auch bei der Kernrate (2,9%). Während die Güterpreise im Monatsabstand unverändert blieben, war der Preisanstieg im Dienstleistungssektor sowohl in der monatlichen (0,4%) als auch in der jährlichen Veränderung (4%) hoch.
In den USA weisen die Inflationsraten Anfang des Jahres einen beschleunigten Anstieg auf. Ein starker Fokus lag auf der gestrigen Veröffentlichung der Konsumentenpreisinflation für den Monat März. Die Schätzungen sprachen bereits davor gegen eine Wiederaufnahme des fallenden Inflationstrends. Das hat sich bewahrheitet, denn gegenüber dem Vormonat verharrte die Kerninflationsrate bei 3,8%. Damit lag sie sogar leicht über den Erwartungen die bei einer Teuerung von 3,7% lagen. In der Gesamtzahl lag die Inflation im März bei 3,5% und damit um 0,3% höher als noch im Februar.
Auch die Einkaufsmanagerindizes deuten auf einen anhaltend erhöhten Preisdruck hin. Zudem ist der Ölpreis im April deutlich nach oben gesprungen. Der Ölpreis der Markt Brent liegt derzeit bei 91 US-Dollar pro Fass. Das Risiko liegt in einem weiteren sprunghaften Ölpreisanstieg und / oder darin, dass die Preisanstiege leichter auf andere Preise übergewälzt werden können.
Fallende Erwartungen für Leitzinssenkungen
Im Einklang mit der positiven Entwicklung auf der Wachstums- und Beschäftigungsebene sowie der pausierenden Disinflation fallen die im Markt gepreisten Leitzinssenkungserwartungen. Anfang des Jahres waren für die US-Zentralbank noch 1,68 Prozentpunkte an Leitzinssenkungen bis Jahresende eingepreist. Aktuell sind es nur noch 0,63 Prozentpunkte, also nicht einmal mehr drei Zinssenkungen.
Für die Europäische Zentralbank ist der Wert von 1,6 auf 0,84 Prozentpunkte geschrumpft. Das hat zu Kursverlusten bei den kreditsicheren Staatsanleihen geführt. Gleichzeitig sind die Aktienkurse deutlich angestiegen (und die Renditeaufschläge für das Kreditrisiko deutlich gesunken), weil sich die Aussichten für ein anhaltend gutes Gewinn- und Wirtschaftswachstum verbessert haben.
Von Falken zu Tauben
Mittlerweile können die Fed und die EZB als eher dovish (wachstumsfreundlich) als hawkish (inflationskämpferisch) bezeichnet werden, weil beide Zentralbanken für dieses Jahr Leitzinssenkungen andeuten. Vor allem in den USA sprechen das Wachstum über dem Potenzial und die erhöhte Inflation gegen Leitzinssenkungen. Für die EZB ist die Frage aufgekommen, warum zahlreiche Zentralbanker bereits ein Datum für die erste Leitzinssenkung in den Raum gestellt haben (Juni), obwohl die Inflation im Dienstleistungssektor und die Lohnzuwächse hoch sind, während die Produktivität stagniert.
Ohne einen Rückgang der Lohnzuwächse oder einen deutlichen Anstieg der Produktivität wird eine Leitzinssenkung im Juni jedenfalls schwer zu argumentieren sein. Am heutigen Donnerstag findet die nächste Sitzung der Europäischen Zentralbank statt. Der Fokus wird darauf liegen, ob die EZB-Präsidentin Lagarde gleich oder etwas weniger optimistisch hinsichtlich der Erwartung eines weiteres Inflationsrückgangs klingen wird. Wahrscheinlich wird die Datenabhängigkeit besonders betont werden. Denn im Juni werden die nächsten Inflationsprognosen der EZB veröffentlicht.
Fazit: Konstruktives Umfeld
Insgesamt unterstützen die Wirtschaftsindikatoren das Szenario einer weichen Landung der Wirtschaft. Die Inflation bleibt dabei vorerst etwas über dem Inflationsziel der Zentralbank. Die Zentralbanken scheinen das zumindest auf die kurze Sicht zu akzeptieren. Denn sie wollen weder zu früh noch zu spät mit Leitzinssenkungen beginnen. Ersteres erhöht das Risiko einer zweiten Inflationswelle, zweiteres das Risiko einer Rezession.
Weil sie derzeit eher in Richtung Leitzinssenkungen argumentieren, bleibt das makroökonomische Umfeld insgesamt unterstützend für die risikobehafteten Wertpapierklassen wie Aktien. Doch selbst wenn die Leitzinsen in diesem Jahr nicht gesenkt werden, könnte das Umfeld konstruktiv bleiben, zumindest solange die Wachstums- und Inflationsindikatoren auf ein gutes Gewinnwachstum hindeuten. Gegenwind könnte allerdings von den zunehmenden geopolitischen Spannungen kommen (Stichwort: Ölpreis).