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Ausweg Rezession?

Ausweg Rezession?
Ausweg Rezession?
(c) Bernd Thissen / dpa / picturedesk.com
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Die Preise der risikobehafteten Wertpapierklassen sind einem Abwärtsdruck ausgesetzt. Dabei wirken beide theoretischen Wirkungskanäle: Erstens steigt der Diskontierungszinssatz an, weil sowohl die kreditrisikolosen Renditen als auch die Risikoprämie ansteigen. Zweitens nimmt auch die Aussicht auf ein fallendes Gewinnwachstum zu. Der zugrundeliegende treibende Faktor ist die Inflation.

Risiko Inflationsspirale

Die Inflationsraten sind überraschend hoch. Solange die Inflation niedrig war, machten sich die Unternehmen und Konsument:innen wenig Sorgen um die Inflation. Weil jedoch die Inflation im Trend ansteigt, könnte die Trendinflation schlussendlich ein Niveau erreichen, ab dem die Inflationserwartungen nachhaltig ansteigen. Eine Inflationsspirale wäre das Resultat. In diesem Szenario bleibt die Inflation hoch, weil das von den Konsument:innen und Unternehmen so erwartet wird.

Szenario „schwere Rezession“ wenn die Leitzinsen zu stark erhöht werden

Die Zentralbanken können die aktuelle Inflation wenig beeinflussen. Sie können aber versuchen, die Nachfrage zu dämpfen. Dafür sind positive reale Zinsen notwendig. Die Kernfrage ist, mit welcher Inflationsrate kalkuliert werden soll. Hoch, weil eine Inflationsspirale wahrscheinlich ist, oder niedrig, weil sie verhindert werden kann. Um eine Inflationsspirale zu brechen, wären jedenfalls Leitzinsanhebungen auf über das Niveau der hohen Inflation nötig. Eine kräftige Rezession wäre die Folge.

Szenario „Wachstum unter Potential“ oder „milde Rezession“

Um das zu verhindern, heben die Zentralbanken in den entwickelten Volkswirtschaften die Leitzinsen möglichst schnell an. Das Problem dabei ist, dass es eine erhebliche Unsicherheit über die Höhe der Produktionslücke, der Inflationsdynamik und des Zusammenhangs zwischen Leitzinsen und Wirtschaftswachstum gibt. Eine weiche Landung der Wirtschaft – Abschwächung des Wachstums auf unter das Potenzialwachstum – kann nur mit einer gewissen Portion Glück erzielt werden. Das Risiko, dass durch die Leitzinsanhebungen eine Rezession ausgelöst wird, ist damit erhöht. Diese Rezession wäre jedoch milder als im Fall einer Inflationsspirale.

Fallendes Wachstum

Bereits jetzt zeigen immer mehr Wirtschaftsindikatoren nach unten. Die Konsumentenstimmung ist am stärksten betroffen. Im April ist sie im OECD-Raum auf das niedrigste Niveau seit 2008 gefallen. In der letzten Woche ist in den USA die wirtschaftliche Aktivität für den Monat Mai in einigen wichtigen Segmenten geschrumpft (Wohnungsbaubeginne, Einzelhandelsumsätze, Fertigung). Der Leading Economic Indicator des Conference Board ist im Mai bereits das dritte Monat in Folge gefallen, schlägt allerdings noch keine Rezession vor. Hervorgestochen ist die Business Outlook Survey der Philadelphia Fed für den Monat Juni, die zum ersten Mal seit Frühjahr 2020 in den kontraktiven Bereich gefallen ist. Auf der positiven Seite sind in China die Wirtschaftsindikatoren (Einzelhandelsumsätze, Industrieproduktion) im Monat Mai aufgrund der Öffnungsmaßnahmen angestiegen, nachdem sie in den Vormonaten aufgrund der Lockdownmaßnahmen deutlich fielen. Insgesamt dürfte das Bruttoinlandsprodukt in China im 2. Quartal deutlich schrumpfen. Am kommenden Donnerstag werden die Schnellschätzungen der Einkaufsmanagerindizes für einige entwickelte Volkswirtschaften für den Monat Juni ein wichtiges Update liefern. Am Freitag wird in Deutschland der Ifo-Index für den Monat Juni veröffentlicht.

Möglichst schnelle Leitzinsanhebungen

Am vergangenen Mittwoch hat die US-Zentralbank die Leitzinsen kräftig um einen dreiviertel Prozentpunkt angehoben. Diese Maßnahme war lediglich ein paar Tage zuvor im Wall Street Journal angedeutet worden. Das neue Zielband für den Leitzinssatz liegt nunmehr bei 1,5% – 1,75%. Anfang März lag es noch bei 0% – 0,25%. Der Vorsitzende Powell signalisiert, dass Anhebungen um einen halben Prozentpunkt bei jeder Fed-Sitzung die neue Grundlinie sein könnten. Überraschend hohe Inflationsraten und ansteigende Inflationserwartungen könnten eine Anhebung um einen dreiviertel Prozentpunkt bedeuten. Das ist für die nächste Sitzung am 27. Juli fast vollständig gepreist. Überzeugende Hinweise für einen nachlassenden Inflationsdruck könnten zu einer Verringerung der Geschwindigkeit auf einen viertel Prozentpunkt pro Sitzung führen. Bis Jahresende reflektieren die Marktpreise einen Leitzinssatz von knapp 3,6%. Das ist realistisch und impliziert wahrscheinlich bereits ein restriktives Zinsniveau. Zwei Hinweise: Erstens veranschlagt die Fed für den neutralen (nominellen) Zinssatz einen Wert von 2,5% (Median der Schätzungen der Fed-Meeting-Teilnehmer:innen). Zweitens werden immer mehr Teile der Zinskurve invers. Aktuell liegt die Rendite fünfjähriger Staatsanleihen (3,34%) über der Rendite zehnjähriger Staatsanleihen (3,23%).

Risiko der Reduktion der Gaslieferungen aus Russland

Die Reduktion von Gaslieferungen aus Russland hat seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine zu den größten Risiken gehört. Vergangene Woche wurden sie Realität. Seitens Russlands wird als offizieller Grund die Sanktionen angegeben. Der Westen argumentiert wiederum mit einer strategischen Maßnahme, um Druck auf Europa auszuüben. Die wirtschaftlichen Abwärtsrisiken haben jedenfalls nochmals zugenommen.

Spread-Management seitens der Europäischen Zentralbank (EZB)

Die Europäische Zentralbank hat am vergangenen Mittwoch eine außerordentliche Sitzung zum Thema Fragmentierung in der Eurozone abgehalten. Der EZB-Rat beschloss bei der Wiederanlage fälliger Tilgungen im PEPP-Portfolio flexibel vorzugehen. Darüber hinaus soll die Ausarbeitung eines neuen Anti-Fragmentierungsinstruments beschleunigt werden. Laut EZB ist es das Ziel, das Funktionieren des geldpolitischen Transmissionsmechanismus zu gewährleisten, der eine Voraussetzungen für die Erfüllung des Preisstabilitätsmandats ist.

Auch 23 Jahre nach der Einführung des Euro ist der größte Konstruktionsfehler des Euros nicht behoben. Die Wirtschafts- und Fiskalpolitik ist nicht vergemeinschaftet. Damit bleibt ein Restrisiko für das Auseinanderbrechen der Währungszone. Die Europäische Zentralbank übt seit zehn Jahren auch die Funktion eines Lender of Last Resort aus, obwohl das eigentlich nicht erlaubt ist. Solange die Inflation unter dem Zentralbankziel lag, war das kein großes Problem, weil die Zentralbank expansiv agieren konnte. Weil jedoch die Inflationsraten kräftig angestiegen sind, hat der Zielkonflikt zwischen Preisstabilität und Erhalt der Eurozone an Intensität gewonnen. Beim Management der Renditeaufschläge für das Länder-Kreditrisiko gibt es mehrere Problemfelder. Unter anderem weiß niemand, wo ein fundamental gerechtfertigter Renditeaufschlag liegt. Aber schon die Ankündigung hat ausgereicht, um eine Einengung der Spreads zu bewerkstelligen.

Schlussfolgerung

Für eine Beruhigung an den Finanzmärkten (steigende Aktienkurse) ist es (wahrscheinlich) notwendig, dass die Inflationsraten im Monatsabstand sinken. Denn das würde den Druck reduzieren, die Leitzinsen sehr schnell anzuheben. Die Aussicht auf ein anhaltendes Wirtschaftswachstum wird vor allem mit dem Aufholpotential des aktuellen Bruttoinlandsproduktes gegenüber dem Vor-Pandemie Trend begründet. Der hohe Sparüberschuss der Konsument:innen unterstützt dabei. Das hohe und auch aufgrund der Überwälzungseffekte weiter überdurchschnittlich ansteigende Preisniveau wird die Kaufkraft der Konsument:innen jedoch weiter schmälern. Eine Wachstumsphase, die unter dem Potential liegt, ist das wahrscheinlichste Szenario. Die Abwärtsrisiken bleiben, auch aufgrund der Beschränkungen von Gaslieferungen aus Russland.

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Ein Kommentar

  1. Gerald Jungwirth sagt:

     Super geschrieben und zusammen gefasst. Das nehme ich gerne in meine aktuellen Coachings mit; DANKE!