In Deutschland ist die Wirtschaft im ersten Quartal in die technische Rezession gerutscht. Hauptgrund dafür waren die sinkenden Konsumausgaben der inflationsgeplagten Verbraucher.
Von Jänner bis März schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,3 Prozent zum Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Das war der zweite Rückgang in Folge: Im vierten Quartal war das BIP bereits um 0,5 Prozent gesunken. Was bedeutet das für die deutsche Wirtschaft und wie sieht der Ausblick für das zweite Halbjahr aus?
Rezession – Ein Begriff, viele Definitionen
Deutschland ist in eine sogenannte „technische Rezession“ gerutscht, da die gängigste Definition einer Rezession – zwei aufeinanderfolgenden Quartale mit schrumpfender Wirtschaftsleistung – erfüllt ist.
Unter Ökonomen ist allerdings umstritten ob diese einfache Definition allein ausreicht um von einer Rezession, also einem signifikanten und generellen Abschwung nach einer Phase von Wirtschaftswachstum zu sprechen. Denn dabei handelt es sich lediglich um den bekanntesten von mehreren Ansätzen, wie man eine Rezession definieren könnte. Andere ökonomische Definitionsversuche berücksichtigen auch Parameter wie Produktionsauslastung, Nachfrage oder die Lage am Arbeitsmarkt.
Inflation und Kaufkraftverluste belasten privaten Konsum
Belastet wurde die deutsche Konjunktur im ersten Quartal vom schrumpfenden privaten Konsum. Dieser sank im ersten Quartal um 1,2 Prozent. Ein Grund dafür dürften die Kaufkraftverluste der Verbraucher infolge der hohen Inflation sein. Von Jänner bis März wuchsen die Bruttomonatsverdienste der Arbeitnehmer zwar mit 5,6 Prozent zum Vorjahresquartal so kräftig wie seit 2008 nicht mehr, allerdings stiegen die Verbraucherpreise laut Statistischem Bundesamt im selben Zeitraum noch deutlich stärker um 8,3 Prozent.
Auch der Staatskonsum gab im ersten Quartal nach, und zwar um 4,9 Prozent. Positive Impulse kamen dagegen von den Investitionen, die um 3,9 Prozent wuchsen. Der Außenhandel stützte ebenfalls die Konjunktur.
Konsumklima hellte sich zuletzt wieder auf
Jüngste Indikatoren lassen auf eine Erholung der Verbraucherlaune hoffen. So hat sich der vom Marktforschungsinstitut GfK ermittelte Index des Konsumklimas angesichts spürbarer Lohnerhöhungen zuletzt den achten Monat in Folge aufgehellt. Das Institut prognostiziert für Juni einen Anstieg seines Konsumklima-Barometers um 1,6 auf minus 24,2 Punkte.
Gestützt wurde die leichte Erholung von den Einkommenserwartungen, die ebenfalls den achten Monat in Folge zulegten. „Vor allem die Erwartungen an signifikant höhere, tarifliche Einkommenszuwächse sind für das optimistischere Stimmungsbild verantwortlich“, sagte GfK-Experte Rolf Bürkl zur Verbraucherumfrage des Instituts. Ein kräftiger Aufschwung der Kauflaune ist aber vorerst nicht in Sicht.
Die Konsumstimmung liegt weiter unter dem niedrigen Niveau des Frühjahrs 2020 während des ersten Coronalockdowns. Die Verbraucher schätzen auch die Aussichten für die deutsche Konjunktur pessimistischer ein als zuletzt. „Offenbar sind sich die Konsumenten unsicher, wie sich die deutsche Wirtschaft in den kommenden Monaten entwickeln wird“, so die GfK-Marktforscher. Die Unternehmen zeigen sich derzeit ebenfalls skeptisch hinsichtlich der kommenden Monate. So ist der vom deutschen ifo-Institut in monatlichen Umfragen ermittelte Geschäftsklimaindex zuletzt auf 91,7 Punkte nach 93,4 Punkten im Vormonat gesunken.
Bundesbank und Finanzministerium erwarten heuer leichtes Wachstum, starkes Plus im Folgejahr
Auch die deutsche Bundesbank rechnet im Frühjahr nur mit einem leichten Wachstum. „Im zweiten Quartal 2023 dürfte die Wirtschaftsleistung wieder leicht ansteigen“, heißt es im aktuellen Monatsbericht. Nachlassende Lieferengpässe, hohe Auftragspolster und die gesunkenen Energiepreise dürften für eine Erholung in der Industrie sorgen. „Dies dürfte auch die Exporte stützen, zumal die globale Konjunktur wieder etwas Tritt gefasst hat“, erwartet die Deutsche Bundesbank. Die deutsche Bundesregierung rechnet für heuer mit einem BIP-Wachstum von 0,4 Prozent. 2024 soll es dann zu einem kräftigeren Anstieg von 1,6 Prozent reichen.
Umsätze im Einzelhandel auf Abwärtskurs
Auf anhaltendem Abwärtskurs sehen die Experten des Bundesfinanzministeriums angesichts der Kaufkraftverluste und der schwankenden Energiepreise vorerst weiter die Einzelhandelsumsätze.
Im März waren die Einzelhandelsumsätze zuletzt um 1,3 Prozent zum Vormonat geschrumpft, inflationsbereinigt sank der Umsatz laut statistischem Bundesamt sogar um 2,4 Prozent und damit so stark wie seit fünf Monaten nicht mehr. Im Vergleich zum März 2022 gab es sogar einen Einbruch von 10,3 Prozent. „Dabei handelt es sich um den stärksten Umsatzrückgang zum Vorjahresmonat seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 1994“, betonten die Statistiker.
Der Einbruch könnte aber bald überstanden sein. „Im weiteren Jahresverlauf ist grundsätzlich mit einer sukzessiven, aber moderaten Erholung der Aktivität im Einzelhandel zu rechnen“, heißt es im jüngsten Monatsbericht des Finanzministeriums. Sobald ein Rückgang der Inflation gekoppelt mit Tariflohnerhöhungen und steuerlichen Entlastungsmaßnahmen wieder reale Kaufkraftgewinne bringt, dürfte sich auch die Kauflaune der Verbraucher wieder erhöhen, schreiben die Experten des Ministeriums.
Höhepunkt der Inflation dürfte überstanden sein
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und das Münchner Ifo-Institut sehen den Höhepunkt der Teuerungswelle in Deutschland jedenfalls bereits überschritten. Das vom ifo-Institut ermittelte Barometer für die Preiserwartungen in den kommenden drei Monaten sank im Mai von 21,5 auf 19,0 Punkte, wie die deutschen Forscher am vergangenen Freitag zu ihrer monatlichen Unternehmensumfrage mitteilten.
Das wäre der niedrigste Stand seit mehr als zwei Jahren. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen erwarten für Mai einen Rückgang der Teuerungsrate auf 6,5 Prozent und damit auf den niedrigsten Stand seit über einem Jahr.
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