Nach tagelangen, teilweise erbitterten Debatten, einigten sich die Regierungschefs der EU auf ein 750 Milliarden Euro Paket zur Finanzierung von Hilfsmaßnahmen. Dieses sieht 390 Milliarden Euro an direkten Zuschüssen vor, sowie 360 Milliarden Euro an Krediten. Die Zuschüsse liegen somit deutlich unter den von Deutschland und Frankreich anfänglich geforderten 500 Milliarden Euro. Im Gegenzug konnten die „Sparsamen-Vier“ (Österreich, Schweden, Niederland und Dänemark) Rabatte bei ihren jährlichen EU-Mitgliedsbeiträgen erringen.
Das Programm soll aber eine vorrübergehende Ausnahme bleiben, denn die Kreditaufnahme soll 2026 enden, und die Gelder sollen ausschließlich für die Bekämpfung der Folgen der Corona-Krise verwendet werden.
Italien, Spanien und Frankreich größte Nutznießer
Um die Zuschüsse zu erhalten, müssen sich die Mitgliedsstaaten verpflichten wirtschaftliche Reformen umzusetzen. Wenn ein Mitgliedsstaat die Umsetzung für unzureichend erachtet, kann er Einspruch einlegen und die Europäische Kommission muss die Auszahlung weiterer Zuschüsse vorerst stoppen.
Die größten Nutznießer dieses Programms werden Italien, Spanien und Frankreich sein. Wie hoch die Zuschüsse schlussendlich sein werden, steht noch nicht fest. Italien rechnet derzeit mit 81 Milliarden Euro, Spanien mit ca. 73 Milliarden Euro und Frankreich mit 40 Milliarden Euro. Die Verteilung wird vor allem von der Entwicklung des Wirtschaftswachstums und der Arbeitslosigkeit in den Jahren 2021 und 2022 abhängen.
Märkte begrüßen Einigung
Wie reagieren die Märkte: Globale Aktien können Zugewinne verbuchen. Die Gründe dafür sind einerseits die Einigung der EU-Staats- und Regierungschefs über den Wiederaufbaufonds und andererseits vielversprechende Ergebnisse einer Impfstoffstudie. Die asiatischen Märkte legten über Nacht zu: So stieg beispielsweise der japanische Leitindex Nikkei um 0,7 Prozent. Auch die US-amerikanischen und europäischen Märkte lagen gestern deutlich im Plus. Der S&P 500 und der EuroStoxx 50 schlossen mit +0.8 Prozent bzw. +0.7 Prozent. Die Renditen kreditsicherer Staatsanleihen waren wenig verändert. Gold stieg auf 1822 US-Dollar.
Durch die geplante Emission der Anleihen wird die Europäische Union auch zu einem der größten Schuldner in der Eurozone. Nur Italien, Deutschland und Frankreich werden nach der Emission der EUR 750 Mrd. an Anleihen einen größeren Schuldenstand aufweisen.
Erholung nach dem Lockdown am Plateau?
Die Erholung nach den weltweiten Lockdowns hält an, scheint aber ein Plateau erreicht zu haben. Dies zeigen zum Beispiel Mobilitätstrends an, die Besuche an Orten wie Restaurants, Cafés, Einkaufszentren, Freizeitparks, Museen, Bibliotheken oder Kinos messen (siehe Grafik).
Bedingt durch die Lockdown-Maßnahmen kam es im März und April zu einem deutlichen Einbruch bei der Kundenfrequenz im Einzelhandel und bei Freizeiteinrichtungen. Mit der Lockerung dieser Maßnahmen setzte ab Mai eine Erholung ein. Diese hielt sich bis in den Juni an, scheint nun aber eine Niveau erreicht zu haben, das leicht unterhalb der Ausgangsbasis liegt. Dieses niedrigere Niveau stellt ein Risiko für eine rasche, vollständige Erholung dar und kann der Auslöser für Sekundäreffekte sein.
Die Entwicklung dieser „alternativen“ Daten werden wir auch in den nächsten Wochen weiter genau beobachten, genauso wie „klassische“ Indikatoren. Letztere stehen diese Woche im Fokus mit der Veröffentlichung der Flash-PMIs, eine Umfrage unter Einkaufsmanagern für den verarbeitenden Sektor.
Wichtige rechtliche Hinweise:
Prognosen sind kein zuverlässiger Indikator für künftige Entwicklungen.