Jeder, der sich mit akademischer Literatur über die Performance von verschiedenen Aktienstilen beschäftigt hat, wird darüber gelesen haben, dass Value-Aktien (so wie Small-Cap-Aktien) langfristig besser performen als sogenannte Growth-Aktien.
Unter Value-Aktien verstehen wir Aktien, die eine günstige Bewertung nach Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) und Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBW) aufweisen, während Growth-Aktien sich über eine überdurchschnittliche Profitabilität und Gewinnerwartung auszeichnen.
Unter Berücksichtigung der letzten 40 Jahre stimmt die Aussage, dass Value-Aktien eine bessere Performance (Kursgewinne plus Dividenden) als Growth-Aktien aufweisen. Allerdings haben Value-Aktien in den letzten 10 Jahren um mehr als 60% schlechter performt als Growth Aktien. Sowohl das Ausmaß als auch die Länge der Underperformance überraschen. Nicht einmal während der Technologie-Medien-Telekom-Blase haben Value-Aktien dermaßen stark underperformt.
Im Folgenden versuchen wir die Gründe für diese Entwicklung zu untersuchen. Langfristig entscheiden die Gewinnentwicklung und die Bewertung über die Performance der Aktien.
Betrachten wir zunächst die Gewinnentwicklung des Value- und des Growth-Universums.
Dabei stellen wir fest, dass langfristig die Gewinne der Value-Aktien sich keineswegs schlechter entwickelt haben als bei den Wachstumswerten. Allerdings befindet sich das Gewinnniveau heute auf einem Niveau, das im Jahr 2006 bereits erreicht wurde und sich 25% unter dem Höchstwert aus dem Jahr 2007 befindet. Die Gewinne der Growth-Aktien haben sich hingegen in den letzten 10 Jahren um 4,2% p.a. erhöht und befinden sich aktuell auf einem Höchststand.
Interessant ist die gegenläufige Entwicklung über die letzten 12 Monate der Gewinne von Value- und Growth-Aktien. Eine Entwicklung, die in der Vergangenheit selten zu beobachten war.
Zweifelsohne entwickeln sich die Gewinne der Value-Aktien zyklischer als bei Growth-Aktien. Das höhere Risiko mag eine Erklärung dafür sein, warum Value-Aktien billiger als Growth-Aktien sind.
Wenn man die Gewinnentwicklung der letzten Jahre von Value und Growth gegenüberstellt hat man bereits eine gute Erklärung dafür, warum Growth-Aktien performancemäßig besser als Value-Aktien waren.
Um das gesamte Ausmaß der Underperformance von Value zu erklären widmen wir uns nun der Bewertung. Dabei untersuchen wir das Verhältnis der Kurs-Buchwert-Verhältnisse von Value zu Growth. Definitionsgemäß muss das Verhältnis kleiner 1 sein, d.h. Value-Aktien sind billiger als Growth-Aktien. Im Durchschnitt sind die Value-Aktien um 39% billiger, d.h. die Ratio liegt bei 0,61.
Der folgende Chart zeigt sehr deutlich:
- Value-Aktien sind während der Technologie-Medien-Telekom-Blase Ende der 90er Jahr stark aus der Mode gekommen und dementsprechend gegenüber Growth-Aktien im Vergleich sehr billig geworden.
- In der ersten Hälfte der 00er Jahr erlebten sie allerdings ein starkes Comeback (getragen durch den Commodity Boom).
- Bis zum Jahr 2007 sind Value-Aktien gegenüber Growth-Aktien sehr teuer geworden.
- Es folgte die Bewertungskorrektur, die bis heute andauert.
Heute ist das Bewertungs-Niveau wieder auf den langfristigen Durchschnitt zurückgefallen.
Die Bewertung und die Gewinnentwicklung machen deutlich, warum Value-Aktien in den letzten Jahren so stark underperformt haben.
Die Frage nun lautet „Wie geht es weiter?“
Derzeit gibt es keine Anzeichen dafür, dass sich die Gewinntrends bei Value und Growth ändern. Ein entscheidender Faktor werden die Rohstoffe und der Ölpreis im Speziellen sein. Eine Stabilisierung des Ölpreises könne den negativen Gewinntrend bei Value-Aktien stoppen. Die Bewertung sollte keine große Rolle mehr spielen, weil die Überbewertung bei Value-Aktien gegenüber den Growth-Aktien abgebaut wurde.
Ein ausgewogenes Portfolio berücksichtigt Value- und Growth-Aktien
Derzeit spricht noch nicht sehr viel dafür, dass Value-Aktien deutlich besser als Growth-Titel performen werden. Allerdings: eine Stabilisierung des Ölpreises und die neutrale Bewertung könnten dazu führen, dass sich die Performance von Value-Aktien gegenüber Growth-Titeln zumindest stabilisiert. D.h. ein starkes Übergewicht von Growth-Aktien sollte vermieden werden. Ein ausgewogenes Aktienportfolio umfasst sowohl Value-Aktien als auch Growth-Aktien.